Brexit: Der große Überdruss – EVP: Tusk verdrängt Weber

Nach dem neuen Brexit-Debakel in London herrscht in Brüssel Ratlosigkeit. Die EU-Botschafter haben auf einer Krisensitzung alle Entscheidungen vertagt. Auch die Chefs wollen sich Zeit lassen.

Ratspräsident Tusk werde die Mitgliedstaaten „in den nächsten Tagen“ konsultieren, sagte EU-Verhandlungsführer Michel Barnier. Dabei würden „weitere Entwicklungen auf der britischen Seite“ einbezogen.

Damit schaltet die EU wieder in den „Wait and see“-Modus – wie so oft im Brexit-Streit. Die entscheidende Frage, ob eine Verlängerung gewährt wird und für wie lange, bleibt unbeantwortet.

Sie könnte erst auf einem Sondergipfel kurz vor dem 31. Oktober geklärt werden. Dabei droht Streit, ausgerechnet zu Halloween. Denn schon beim letzten Gipfel lagen die Positionen weit auseinander.

Beim Treffen letzte Woche hatte Kanzlerin Merkel eine Verlängerung als unausweichlich bezeichnet, um einen „No Deal“ mit seinen befürchteten schädlichen Folgen zu verhindern.

Demgegenüber betonte Frankreichs Staatschef Macron am Sonntag, dass eine Verzögerung „in niemandes Interesse“ sei. Macron hat es eilig, den Brexit endlich hinter sich zu bringen.

Damit steht der französische Präsident nicht allein. Auch EU-Kommissionschef Juncker würde gerne reinen Tisch machen, bevor er vermutlich Ende November aus dem Amt scheidet.

Überhaupt macht sich in Brüssel ein großer Brexit-Überdruss bemerkbar. Er könnte, so paradox es klingen mag, dem britischen Premier Johnson in die Hände spielen.

Demgegenüber sieht es schlecht aus für ein „People’s Vote“, das auch wir uns wünschen. Zwar sind am Samstag wieder Hunderttausende in London für ein 2. Referendum auf die Straße gegangen.

Doch weder im Unterhaus in London noch in Brüssel finden sie Rückhalt. Nicht einmal das Europaparlament macht sich für sie stark; es ist selbst noch mit der Ratifizierung beschäftigt…

Siehe auch „EU stellt sich auf Scheitern des Brexit-Deals ein“

Watchlist

  • Kommt Johnsons Brexit-Deal doch noch durch? Der bisher völlig glücklose (und unberechenbare) Premier will am Montag einen neuen Vorstoß im Unterhaus machen. Nach Darstellung von Außenminister Raab könnte der Deal die für eine Mehrheit nötigen 320 Abgeordnete vereinen. Allerdings muss der Speaker eine neue Abstimmung genehmigen…

Was fehlt

  • Die nächste Niederlage für den CSU-Politiker Manfred Weber. Für den Parteitag der konservativen EVP Mitte November in Zagreb wurde nicht Weber, sondern Noch-Ratspräsident Donald Tusk für das Amt des Parteivorsitzenden nominiert. Allerdings hat sich Tusk noch nicht festgelegt. Klar ist nur, dass Weber, der gescheiterte Spitzenkandidat, zweite Wahl ist…