Brexit-Dämmerung – Varoufakis vs. EZB

Kann man aus der EU austreten? Und wenn ja, um welchen Preis? Diese Frage stellt sich ab heute im britischen Unterhaus. Für Premierministerin May könnte sie zur Schicksalsfrage werden. Aber auch für Brüssel hat die Brexit-Dämmerung begonnen.

Drei Tage lang will das Unterhaus über verschiedene Optionen diskutieren und abstimmen : Deal, No Deal oder Aufschub des Brexit über den 29. März hinaus.

Der größte Stolperstein ist weiter der so genannte Backstop für Irland. Wochenlang hatte sich die EU geweigert, den Austrittsvertrag wieder aufzumachen oder irgendwelche Kompromisse einzugehen.

Doch am Montagabend kam überraschend Bewegung auf. Nach einem Treffen von May mit Kommissionschef Juncker in Straßburg hieß es, man habe sich auf  „rechtlich bindende Änderungen“ des Brexit-Vertrags bzw. seiner Anhänge verständigt.

Doch ob das reicht, um eine Mehrheit im Unterhaus zu sichern, bleibt weiter fraglich. Die EU-Kommission und ihr allmächtiger Generalsekretär Martin Selmayr streuten bis zuletzt Zweifel an May und den britischen Abgeordneten.

Dabei sind auch Zweifel an der Verhandlungstaktik der EU erlaubt. Warum macht sie Zugeständnisse immer erst in letzter Minute? Es war doch klar, dass es ohne Kompromisse nicht gehen würde. Klar ist auch, dass sich niemand einen harten Brexit leisten kann.

Die EU steht jetzt schon am Rande einer Rezession. Sie kann sich ökonomische Erschütterungen nicht leisten, vor allem Deutschland ist verletzlich. Und für May steht sogar ihr politisches Schicksal auf dem Spiel. Sie wird nun alles versuchen, um den Last-Minute-Deal durchzubringen.

Und was ist, wenn der Brexit trotzdem scheitert? Dann werde die Geschichte ein vernichtendes Urteil fällen – nicht nur über UK, sondern auch über die EU, warnt Außenminister Jeremy Hunt. Da liegt er wohl nicht ganz falsch.

Die Brexit-Dämmerung überschattet nicht nur das Schicksal von Großbritannien. Sie wirft auch die Frage auf, wie es die EU mit der Selbstbestimmung der Völker und der Demokratie in ihren Mitgliedsländern hält. Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen…

Siehe auch „Inside Brexit“ und „Jetzt wollen sie Zeit kaufen“

Watchlist

  • War die EZB befugt, Griechenland auf dem Höhepunkt der Schuldenkrise 2015 den Zugang zum Euro abzudrehen? Darüber will das EU-Gericht in Luxemburg befinden. Zugrunde liegt eine Klage des früheren Europaabgeordneten der Linken, Fabio De Masi, sowie des früheren griechischen Finanzministers Yanis Varoufakis. Es geht um Veröffentlichung eines geheimen Rechtsgutachtens – und um die Macht der EZB.
  • Mogelt sich EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber im Streit um die Anti-EU-Kampagne aus Ungarn durch? Kurz vor einem Treffen mit Regierungschef Viktor Orban sieht es ganz danach aus. Wenn man Webers Hauspostille „Bild“ glauben mag, dann wird eine EVP-Arbeitsgruppe eingesetzt, die Orban und seine Fidesz-Partei auf Linie halten soll. Der längst überfällige Ausschluss aus der EVP wäre damit vom Tisch! Mehr hier

Was fehlt

  • Wußte Sultan Erdogan frühzeitig von dem Militärcoup in der Türkei? Dies sollen neue Dokumente belegen, über die der „EU Observer“ berichtet. Demnach habe Erdogan den Putschversuch laufen lassen, um so seine spätere totale Machtübernahme zu legitimieren. Die EU habe dies von Anfang an vermutet, Erdogan jedoch nicht widersprochen, als der sich als Opfer dunkler Machenschaften darstellte. Was für ein zynischer Coup!
  • Der erste Erfolg der Protestwelle in Algerien: Präsident Bouteflika verzichtet auf eine fünfte Amtszeit und lässt die Wahl verschieben. Damit haben die Demonstranten ein wichtiges Ziel erreicht, Bouteflika räumt das Feld! Doch seine Clique könnte weiter die Strippen ziehen, der demokratische Wandel ist nicht gesichert. Umso wichtiger wäre ein klares Wort der EU – doch die schweigt immer noch zur Revolte vor der Haustür!