Braucht EUropa eine Armee?

Hundert Jahre nach Ende des 1. Weltkriegs wachsen die Spannungen zwischen Europa und den USA. Frankreichs Macron fordert eine europäische Armee, US-Präsident Trump ist beleidigt, Russlands Zar Putin reagiert gelassen.

Für einen mächtigen Staatenblock wie die EU mache es durchaus Sinn, sich militärisch selbst verteidigen zu wollen, sagte Putin am Rande der Feierlichkeiten zum Ende des 1. Weltkriegs in Paris.

Es sei „ganz normal, dass es (Europa) unabhängig, selbstständig und souverän in Sachen Sicherheit und Verteidigung sein will“, sagte er RT France (ja, wir zitieren RT, Reuters tut es auch).

Demgegenüber hatte Trump es als „sehr beleidigend“ bezeichnet, dass Macron ein europäisches Militär aufbauen will, um sich von den USA unabhängig zu machen. Macron rüstete danach verbal wieder ab.

Doch von seinen Plänen für eine „europäische Armee“ will er nicht lassen. Dabei muss die Frage erlaubt sein, was damit gemeint ist – und wozu eine solche Armee überhaupt gebraucht wird.

Geht es um die klassische Landesverteidigung – etwa gegen Russland, wie im Kalten Krieg? Das lässt sich, ausser in Osteuropa, kaum vermitteln – nicht einmal Deutschland hat Kenntnis von russischen Angriffsplänen.

Geht es um Militär-Interventionen außerhalb Europas, etwa in den französischen Einflusszonen in Afrika? Im Kampf gegen den Terror kann dies im Einzelfall nötig sein, ein Grund für eine ständige EU-Armee ist es nicht.

Oder geht es doch darum, Europa militärisch unabhängig von den USA zu machen, vielleicht sogar den Abzug der US-Truppen einzuleiten? Das wird Deutschland nicht mitmachen, jedenfalls nicht unter Merkel.

Im Hintergrund schwelt der deutsch-französische Konflikt schon jetzt – denn Macron will Militäreinsätze außerhalb des starren (und trägen) EU-Rahmens ermöglichen, Merkel will nur mit der EU und/oder der Nato.

Am Ende des Tages geht es also doch um Souveränität – und darum, wer in der EU das Sagen hat – Paris oder Berlin. Hinter dem französisch-amerikanischen Streit verbirgt sich eine deutsch-französische Rivalität.

An historischen Gedenktagen lässt sie sich noch verstecken; da präsentieren sich Macron und Merkel Arm in Arm. Doch sobald die Feierlichkeiten vorbei sind, wird Merkel den Präsidenten wieder ausbremsen…

Siehe auch „Die Crux mit der Souveränität“ und „Wehrlos gegen Trump“

WATCHLIST:

  • In Palermo beginnt eine zweitägige Konferenz zur Krise in Libyen. Die EU-Außenbeauftragte Mogherini will sich um eine Lösung bemühen – wobei es natürlich auch um die Abschottung vor Flüchtlingen geht. Ob sich noch jemand daran erinnert, dass die EU, insbesondere Frankreich und Großbritannien, die Krise mit einer Militärintervention mit ausgelöst haben?

WAS FEHLT:

  • Grüne Kritik an Brüssel. Auf ihrem Europa-Parteitag haben die Grünen zwei Vertreter des linken Flügels – S. Keller und S. Giegold – zu nationalen Spitzenkandidaten für die Europawahl gewählt. In Brüssel sind sie als kritische Geister bekannt. Doch in Leibzig lobten sie die EU über den grünen Klee: Die sei schon stark, man müsse sie nur noch stärker machen. „Wir wollen das Versprechen Europas erneuern“, sagt Keller. Das passt zum neuen, optimistischen Image der Grünen – doch taugt es auch als Antwort auf die tiefe europäische Krise, die ja auch eine Krise der Brüsseler Institutionen und EU-Regeln ist?