Borrell räumt ein, dass EUropa an Einfluß verliert
In einer Rede zur China-Politik vor dem Europaparlament hat Chefdiplomat Borrell eingeräumt, dass die EU in Asien an Einfluß verliert. Auch in Südamerika sieht es nicht gut aus.
„Wir müssen einen neuen kalten Krieg zwischen dem Westen und dem fernen Osten vermeiden“, forderte Borrell. Außerdem dürfe man die Debatte nicht auf die USA und China verkürzen.
Wenn sich die EU zurückziehen und an die USA anlehnen sollte, würden sofort andere Länder in die Bresche springen, so der Spanier. „Wenn wir ein Vakuum schaffen, wird es von anderen übernommen.“
Als Beispiel nannte Borrell die ASEAN-Gruppe in Südostasien: „Wir sind da weggedrängt worden.“ Wie die EU verloren gegangenes Terrain zurück erobern und China einhegen könnte, ließ Borrell jedoch offen.
Dabei tut Abhilfe Not. Bereits jetzt orientieren sich viele Länder stärker an China als an Europa, wie der Staatsbesuch des brasilianischen Präsidenten Lula da Silva in Peking gezeigt hat.
Lula forderte die EU auf, ihren Kurs in der Ukraine-Politik zu überdenken. Die USA müssten “aufhören, den Krieg zu fördern und anfangen, über Frieden zu reden”, sagte er. Das gelte auch für EUropa.
Doch dazu ist in Brüssel niemand bereit – im Gegenteil. Borrell erklärte die Ukraine-Frage (neben Taiwan) zur Nagelprobe für China. Von Frieden sprach er nicht, von Verhandlungen auch nicht…
Siehe auch China-Politik: Borrell macht viele Worte, aber keine Diplomatie
Thomas Damrau
19. April 2023 @ 08:13
@ebo
Laden Sie doch Senor Borrell ein, auf LostInEu mitzudiskutieren – hier könnte er schon die eine oder andere Idee mitnehmen.
Ernsthafter. Stefan Lessenich ( https://de.wikipedia.org/wiki/Stephan_Lessenich ) hat in der aktuellen Le Monde diplomatique die ideologischen Verirrungen des Werte-Westens beschrieben – Überschrift “Ein Totgeblaubter ist wieder da. Mit Putins Krieg erlebt der globale Westen eine letzte ideologische Renaissance.”
Er beschreibt, wie sich das Hochgefühl nach dem Triumph über den Kommunismus russicher Prägung um die Jahrtausendwende verbraucht hatte und eine weltanschauliche Leere entstand. (Die “hirntot”-Diagnose von Macron spiegelt aus meiner Sicht dieses Gefühl.)
Nach Lessenich hat Putin dem westlichen “Zombie” wieder die Kraft zur “Selbstillusionierung” gegeben. Plötzlich seien alle zivilisatorischen Fortschritte wieder dem Westen geschuldet. Während alle Sünden des Westen aufgearbeitet und gesühnt erschienen.
Der letzte Punkt hat bei mir einen anderen Gedanken angestoßen: Sind die Forderung nach “feministischer Außenpolitik”, “Rückgabe von Beutekunst” oder “Anerkennung der traumatischen Erfahrungen von …”, wie sie unisono von deutschen Grünen und US-Demokraten gestellt werden, weniger ein Zeichen von Demut als Ausdruck eines selbstbewussten “Bei uns sind jetzt die letzten moralischen Angriffspunkte ausgeräumt”?
Beim Lesen musste ich an Kiplings “The White Man’s Burden” ( https://de.wikipedia.org/wiki/The_White_Man%E2%80%99s_Burden ) denken: Der Westen muss die (geistig) armen Wilden an die Hand nehmen.
european
19. April 2023 @ 11:20
Betrifft die Totgeglaubten
Wenn Sie sich die Doku “Es begann mit einer Luege” ansehen, werden Sie feststellen, dass eines der Hauptargumente fuer die Kriegspropaganda ganz besonders in Deutschland war, dass die Deutschen die Lust an der Nato verloren hatten. Um uns quasi die Notwendigkeit dieses Kriegsbuendnisses nahezulegen wurden all diese Dinge wie die Operation Hufeisen oder auch die Konzentrationslager und auch diverse Geschichten rund um den Kosovokrieg erfunden, um uns wieder kriegsfreudig und Nato-hoerig zu machen.
Diese Mechanismen der Propaganda funktionieren heute noch, wie man sieht. Obwohl wir es heute besser wissen muessten und koennten. Statt dessen erleben wir eine voellig bekloppte Debatte im orwell’schen Neusprech. Was uebrigens auch sehr gut in der Debatte zwischen Guerot und Lafontaine herausgestellt wird.
Stef
19. April 2023 @ 07:35
Borell meint im Grunde das Gegenteil dessen, was er sagt.
Sagt:
„Wir müssen einen neuen kalten Krieg zwischen dem Westen und dem fernen Osten vermeiden“
Meint:
Europa muss mit aller Konsequenz sein Schwaz-Weiß-Denken gegenüber Russland und China dem Rest der Welt aufzwingen. Was anders als Kalter Krieg könnte das Ergebnis sein?
Sagt:
„Wenn sich die EU zurückziehen und an die USA anlehnen sollte, würden sofort andere Länder in die Bresche springen, so der Spanier.“
Meint:
Europa darf nicht selbstständig werden, sonst wird ihr der Platz als Premium US-Vasall streitig gemacht.
ebo
19. April 2023 @ 07:53
Ja, leider. Er ist eben Spanier, hat also durchaus einen Blick für Lateinamerika. Aber er ist auch Sozialist und damit dem Mainstream verpflichtet. Nur eins ist er nicht – Diplomat
Helmut Höft
19. April 2023 @ 09:08
@Stef
Super Klarstellung wie Politik im allgemeinen funktioniert! Mwerci!
Arthur Dent
18. April 2023 @ 22:54
Ob Europa an Einfluss verliert, ist mir vollkommen schnuppe. Der Busfahrer, der Elektriker, die Krankenschwester haben nichts davon, wenn die EU sich erweitert und ihre Macht steigert oder wenn deutsche Firmen mit Firmen in Entwicklungsländern konkurrieren. Da findet sich kein zusätzlicher Profit auf dem Konto. Eher im Gegenteil. Da soll man dann nämlich für weniger Lohn und Rente länger arbeiten. Borell kann sich seine Krokodilstränen sparen.
european
18. April 2023 @ 18:03
Eine wunderbare aktuelle Debatte dazu mit Ulrike Guerot und Oskar Lafontaine. Dass Europa abdriftet hat mehrere Gründe, nicht nur die Ukraine und das politische Versagen auf ganzer Linie.
https://youtu.be/_CwjS-7T8kA