Mehr Kanonen, weniger Butter
Die EU will ihre Unterstützung für die Ukraine im neuen Jahr massiv ausweiten. Die 50 Milliarden-Finanzspritze war erst der Anfang, so Chefdiplomat Borrell.
Borrell war zuletzt wegen unzureichender Waffen- und Munitionslieferungen unter Beschuß geraten. Kanzler Scholz hat ihn sogar öffentlich abgekanzelt.
Nun verteidigt er sich in einem Blogbeitrag. Die EU rüste auf und werde alle Versprechen einlösen, wenn auch später. 2024 werde man fast so viel in die Ukraine liefern wie in den beiden Jahren zuvor.
Außerdem soll die Ausbildung ukrainischer Soldaten massiv ausgeweitet werden. Bis zum Sommer sollen 60.000 Soldaten ein europäisches Training durchlaufen haben.
Zu den Problemen an der Front und dem Machtkampf in Kiew sagt Borrell nichts. Auch zur Frage, ob die EU irgendwann die USA ablösen könnte (Stichwort Trump), schweigt er sich aus.
Statt seine Strategie zu erläutern, verrät der Spanier die in Brüssel übliche strategische Konfusion. “To secure peace, the EU needs to be ready to defend itself” schreibt er.
Dabei hat Russland die EU gar nicht angegriffen. Die Bedrohung besteht vor allem in der Phantasie der Militärs, die mittlerweile auf allen Kanälen die Kriegstrommel rühren.
Ganz zum Schluß räumt Borrell immerhin in, dass die Kassen in allen EU-ländern knapp sind – und dass es “herausfordernd” sein kann, in dieser Lage die Ukraine aufzurüsten.
“Auch ich würde lieber Butter finanzieren als Kanonen”, schreibt der Sozialist. Doch man müsse sich auf Kieg vorbereiten, um den Frieden zu sichern. “Si vis pacem, para bellum”
Amen!
Siehe auch Streit über Waffenhilfe: Scholz legt sich mit Borrell an und Waffen sind nur der Anfang: Was Scholz der Ukraine alles verspricht
P.S. Dem früheren Botschafter Melnyk reicht die EU-Hilfe noch lange nicht: Die Ukraine brauche 160 Milliarden Euro pro Jahr von Europa, erklärte er. Das kann noch heiter werden…
Stef
6. Februar 2024 @ 13:58
“Russland hat ein mit der EU assoziiertes Land angegriffen, und zwar deshalb, weil Russland etwas gegen die Assoziierung mit der EU hatte. Wieviel eindeutiger muss es noch sein, dass es von den vielen „Pazifisten“ hier als Angriff auf die EU wahrgenommen wird?”
@ Kleopatra: Das betrachte ich höflich ausgedrückt als eine nachträgliche Weißwaschung der strategischen Fehlentscheidungen der EU. Für Ihre These spricht ziemlich wenig. Die EU hat die Ukraine vor eine Entweder-Oder-Wahl gestellt. Die EU hat erkennbar in Abstimmung mit der Nato agiert. Und die EU hat nicht verkraftet, das Janukowich sich gegen eine Implementierung entschieden hat.
Hätte man wirklich ihre These verifizieren wollen, es wäre möglich und sogar sinnvoll gewesen. Die EU hätte im Rahmen der Assoziierungsgespräche nur den Beitrittswunsch der Ukraine zur Nato unmissverständlich zurückweisen und die Neutralität zur Bedingung einer Assoziierung machen müssen. So etwas hätte sich für eine Friedensunion angesichts hellroter Linien ganz von selbst verstanden. Dann hätte sich zeigen können, ob Russland etwas gegen die Assoziierung hatte oder nur etwas gegen den Nato Beitritt. Die EU ist aber keine Friedensunion, sondern ein US-Bettvorleger, der mit Verachtung nach Russland schaut. So bleibt der EU und Ihnen jetzt nichts anderes als Geschichtsklitterung.
In der Tat hat spätestens 2014 Russland verstehen müssen, dass es mit soft-power hier nicht weiterkommt. Genau das haben die USA und ihr Schoßhund EU mit und auf dem Maidan sehr eindrucksvoll unter Beweis gestellt und anschließend noch über ungesicherte Telefonleitungen dokumentiert.
Wenn wir für einen kleinen Augenblick erwägen, unsere “Führer des freien Westens” würden sich strategisch so verhalten, wie wir es von Russland und Putin retrospektiv fordern, dann… Ich will den Satz nicht zu Ende führen, weil beim Schreiben merke ich, dass sie sich seit Jahren genau so dumm verhalten. Das Problem liegt wohl eher darin, dass sie dieselbe Dummheit von ihrem Gegner verlangen und ihm nicht verzeihen können, dass er nicht darauf eingeht.
Kleopatra
6. Februar 2024 @ 16:03
Erstens konnte die EU im Rahmen der Assoziierungsverhandlungen mit der Ukraine nicht über deren Mitgliedschaft in der NATO verhandeln (mangels Zuständigkeit, denn die EU ist nicht mit der NATO identisch). Zweitens ist Ihre Zumutung absurd, die EU hätte eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine ablehnen sollen, um dadurch zu testen, ob Russland nur die NATO-Mitgliedschaft oder auch die EU-Mitgliedschaft der Ukraine ablehnt. Die Ukraine kann als souveräner Staat über die Assoziierung mit der EU verhandeln, und Russland hat hier nichts zu genehmigen oder zu verbieten. Ich bleibe bei meiner Feststellung, dass Russland mit der Ukraine Krieg führt, seit die russischen Hoffnungen in einem Fehlschlag endeten, sie könnten die Ukraine über „ihren Mann im Präsidentenpalast in Kyiv“ steuern (und aus der EU heraushalten) und dessen Versuch, in letzter Minute einen Moskauer Befehl auszuführen (Ablehnung der Unterzeichnung des Assoziierungsvertrags) stattdessen zu seinem Sturz geführt hat. In seinem Krieg gegen die Ukraine hat Russland von Anfang an grob gegen das Kriegsvölkerrecht verstoßen – angefangen mit keineswegs belanglosen Details wie dem Einsatz nicht als solche gekennzeichneter Truppen.
KK
6. Februar 2024 @ 17:31
„Die Ukraine kann als souveräner Staat über die Assoziierung mit der EU verhandeln…“
…und entscheiden, und das hat der demokratisch gewählte Präsident Janukowitsch 2013 getan – worauf sich die USA und die EU in die inneren Angelegenheiten der Ukraine eingemischt und einen Putsch gegen Janukowitsch organisiert hatten.
Stef
6. Februar 2024 @ 17:38
Formal ist das vielleicht korrekt, aber eben bestenfalls rein formal. Die EU kann ohne weiteres ein politisches Junktim statuieren, wenn es dem Frieden auf dem Kontinent dient. Ebenso wie die Nato den souveränen Beitrittswunsch der Ukraine hätte unmissverständlich ablehnen können, wäre ihr die strategische Zurückhaltung gegenüber der Atommacht Russland wichtig gewesen. Formal mag Russland nicht zu bestimmen haben, mit wem die Ukraine Beitrittsverhandlungen führt.
Diese formale Argumentation führte absehbar und kausal zum Krieg. Und sie wird nur selektiv angewendet. Formal haben die USA nämlich auf syrischen Staatsgebiet nichts zu suchen und Israel hat als Besatzungsmacht im Gaza-Streifen kein Selbstverteidigungsrecht. Formal hätte Kuba auch das Recht gehabt, sowjetische Atomraketen bei sich zu stationieren. Halten Sie ihre formale Argumentation da auch aufrecht?
european
5. Februar 2024 @ 13:49
Zwischen Russland, Belarus und Kasachstan bestand eine Zollunion an der die Ukraine teilgenommen hat und fuer viele Aus- und Einfuhrgueter entsprechende Verguenstigungen / Vereinfachungen bestanden. Das Assoziierungsabkommen mit der EU sah ebenfalls ein Freihandelsabkommen vor.
Russland hat dem Assoziierungsabkommen nicht widersprochen, weil es “etwas gegen die Assoziierung hatte”, sondern weil eben nicht beides geht. Man wollte verhindern, dass ueber diese Schiene europaeische Gueter ungehindert in ihre Zollunion gelangen. Was bei nuechterner Betrachtung ziemlich verstaendlich ist.
Mehrere detaillierte Berichte dazu finden sich hier:
https://www.bpb.de/themen/europa/russland-analysen/162284/zollunion-von-russland-belarus-und-kasachstan/
Und dazu passt folgendes: Auf dem Parteitag von BSW haben sich die Kandidaten fuer die EU Wahl vorgestellt. Einer der Kandidaten, leider weiss ich seinen Namen nicht mehr, hat fuer sich als eines seiner Ziele gesetzt, einen Untersuchungsausschuss zusammenzustellen, der ermittelt, ab wann und warum das Assoziierungsabkommen so ausschliesslich wurde und die Ukraine vor ein entweder – oder gestellt wurde, was letztlich zum Sturz von Janukowicz mit beigetragen hat. Er zerbrach seinen Stift und wollte nicht mehr unterzeichnen. Gabriele Krone-Schmalz hat das seinerzeit so kommentiert, dass jeder, der das Abkommen ausfuehrlich gelesen hat, zu dem Schluss kommen musste, dass es die Ukraine zerreisst.
KK
6. Februar 2024 @ 13:45
“Man wollte verhindern, dass ueber diese Schiene europaeische Gueter ungehindert in ihre Zollunion gelangen.”
Warum erinnert mich das jetzt an die Kontroverse um die Zollgrenzen von Nordirland nach dem Brexit, wo die EU ja befürchtete, britische Waren könnten so auf dem Umweg über Irland hintenrum auf den EUropäischen Binnenmarkt gelangen?
Godfried van Ommering
5. Februar 2024 @ 12:00
Ach, Herr Borrell, und ihr, sämtliche Oberhäupter der EU! Sieben Jahrhunderte vor Christi Geburt hat der Dichter und Bauer Hesiodos euch, „das eiserne Geslecht“, und dessen Maßlosigkeit erkannt, und erklärt, Anstand und Ehrgefühl werden die Welt verlassen, wenn Frevler und Gewaltmenschen auf Erden regieren. Und sie hinterlassen den Sterblichen nichts als schwere Sorgen und ein rettungsloses Elend. Denn in allen menschlichen Dingen schützt nur die Klugheit, jeder Unverstand aber führt ins Verderben. Euch fehlt die moralische Orientierung, ihr redet wie Trunkene, und euere Politik, mit der ihr meint zu steuern, ist nur das Instrument mit dem das Schicksal euch in die Tiefe stürzen wird.
Kleopatra
5. Februar 2024 @ 08:14
Russland hat ein mit der EU assoziiertes Land angegriffen, und zwar deshalb, weil Russland etwas gegen die Assoziierung mit der EU hatte. Wieviel eindeutiger muss es noch sein, dass es von den vielen „Pazifisten“ hier als Angriff auf die EU wahrgenommen wird?
Bogie
5. Februar 2024 @ 08:36
@Kleopatra
Voraussetzung und damit Teil des Assoziierungsabkommen war und ist jedoch, dass keine Militärhilfe, keine zusätzlichen Finanzmittel und keine Verbindung mit einem EU-Kandidatenstatus mit dem Abkommen verbunden sind.
Das Assoziierungsabkommen kann also eben gerade nicht als Beistandsverpflichtung herhalten.
Ausser Ihnen, argumentiert aber meiner Wahrnehmung nach auch kaum jemand so.
Buckumi
5. Februar 2024 @ 12:13
So kann man @Kleopatra auch eine völlig neue Variante im Konflikt böser Putin – gute Ukraine/EU konstruieren. Russland fühlt sich also von der EU bedroht und wird die vermutlich bald auch angreifen…
Wenn ich die belegten Positionen noch recht im Kopf habe, ging es immer um die Ausdehnung/Erweiterung der NATO bis unmittelbar vor die Haustür Moskaus und die damit verbundene Stationierung von Raketen – egal ob nuklear oder konventionell – mit einer Vorwarnzeit von wenigen Minuten. Und die von USA/UK gestoppte Waffenstillstandsvereinbarung vom März 22 sah die Neutralität und keine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine vor. Von Assoziierung war da nicht die Rede.
ebo
5. Februar 2024 @ 12:19
So ist es. Es ging immer um die Nato, die EU war bisher kein Thema.
Ute Plass
5. Februar 2024 @ 12:34
Heute auf den Nachdenkseiten:
Ein polnisch-deutscher Dialog zur politischen Lage – der Briefwechsel eines polnischen Wissenschaftlers mit dem Schriftsteller Wolfgang Bittner:
“Putin ähnelt für mich bis aufs Haar Hitler ”
https://www.nachdenkseiten.de/?p=110587#more-110587
Kleopatra
6. Februar 2024 @ 10:43
Die Ukraine ist seit 2014 mit der EU assoziiert, und seit 2014 führt Russland gegen sie Krieg; nachdem der Versuch, das Land mit “Soft Power”, d.h. Druck auf den Präsidenten Janukovič, von der EU-Assoziierung abzubringen, nicht den gewünschten, sondern den gegenteiligen Erfolg hatte.
Die Forderungen bzgl. NATO-Mitgliedschaft bzw. ihrem Ausschluss für alle Zeit Ende 2021 waren so unverschämt und weitgehend, dass eigentlich niemand sie als etwas anderes als Pro-Forma-Forderungen und Kriegsvorwände ansehen konnte.
ebo
6. Februar 2024 @ 11:00
Die Vorgeschichte ist dann doch ein wenig anders. Zitat aus der Tagesschau, übrigens von 2014:
Das 1200 Seiten starke Assoziierungsabkommen der EU mit der Ukraine ist bereits seit 2007 Gegenstand von Verhandlungen. Beim EU-Ukraine-Gipfel im Dezember 2011 wurde es in der jetzigen Form verabschiedet und nur drei Monate später, am 30. März 2012 paraphiert. Im November 2013 lehnte es der ehemalige ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch dann überraschend ab, den Vertrag zu unterzeichnen – und löste damit landesweite Proteste aus.
Bananas
5. Februar 2024 @ 10:40
Beschäftigen Sie sich mal mit der jüngeren deutschen Geschichte, beginnend mit dem Jahr 1989!
KK
5. Februar 2024 @ 14:03
“Russland hat ein mit der EU assoziiertes Land angegriffen…”
Nein, das war nur die letzte Konsequenz: Zunächst hatten sich USA in die inneren Angelegenheiten der Ukraine eingemischt und einen Putsch inszeniert, weil der demokratisch gewählte Präsident es gewagt hatte, ein Assoziierungsabkommen mit der EU unter der von der EU geforderten einseitigen Bedingung, die guten wirtschaftlichen Beziehungen der Ukraine zu Russland dafüpr aufzugeben, auszusetzen.
Jetzt könnte man meinen, das ginge die USA ja gar nichts an – aber es war ja bei jeder Osterweiterung so, dass die der EU und NAhTOd nahezu im Gleichschritt erfolgten, und den USA ging es dabei nur um die NAhTOd und das weitere ranwanzen ihrer Streitkräfte und Waffen an die Grenzen Russlands, das sie hier gefährdet sahen. Nach dem Putsch wurden dann willfährige, oft in den USA ausgebildete Politiker auf die massgeblichen Posten gesetzt.
Die allermeissten Kriege der letzten Jahrzehnte sind auf die Einmischung der USA in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten zurückzuführen, ob nun in Serbien, Afghanistan, Irak, Syrien, Libyen, und eben jetzt die Ukraine – um nur die letzten zu nennen.
Arthur Dent
4. Februar 2024 @ 23:50
vielleicht kommt das ja nur von zu vielen Pina-Coladas an der Copacabana…
KK
4. Februar 2024 @ 21:59
Ja, so ist das bei Junkies – die erste Spritze war immer nur der Anfang!
Und dann kommt nur noch Elend!
Thomas Damrau
4. Februar 2024 @ 18:28
Hybris bezeichnet laut Wikipedia ( https://de.wikipedia.org/wiki/Hybris ) “eine extreme Form der Selbstüberschätzung oder auch des Hochmuts. Man verbindet mit Hybris häufig den Realitätsverlust einer Person und die Überschätzung der eigenen Fähigkeiten, Leistungen oder Kompetenzen, vor allem von Personen in Machtpositionen.”
Muss man mehr zu Borrell sagen? Ja, vielleicht: Zu Hause brennt die Bude ab, während die Herren (und natürlich auch Damen) in Brüssel sich ihren Allmachts-Phantasien hingeben.
Das wird ein Hang-Over geben ….
Ute Plass
4. Februar 2024 @ 21:44
Passend dazu vom Kognitionspsychologen Rainer Mausfeld:
„Hybris und Nemesis“
https://oe1.orf.at/programm/20240118/746495/Rainer-Mausfeld-Psychologe
ben
4. Februar 2024 @ 18:02
Die roten und grünen Kriegstreiber sind weiterhin aktiv. Die Rüstungslobby scheint wie die Pharmalobby eine große Bestechungskasse zu haben. Wo will er denn die 60 Tsd. Soldaten herbekommen, wenn der Ukraine jetzt schon immense Probleme hat, Menschen zu finden, die sich in den Tod schicken lassen. Das ist mal wieder dummes Säbelrasseln eines kriegslüsternen Schreibtischtäters. Erinnert mich an unsere gelb kriegslüsterne Lobby-Oma mit Parteibuch…