Blick zurück im Zorn (2015 revisited)

Es ist ein Treppenwitz der Geschichte: Zur selben Zeit, da die EU die Griechenland-Krise für beendet erklärt, poppt die Flüchtlingskrise wieder hoch. Beide Krisen verweisen auf 2015, das Schicksalsjahr Europas. Ein Blick zurück im Zorn.

2015, das begann so hoffnungsvoll. Die neue EU-Kommission trat ihre Arbeit an, sie wollte Schluß manchen mit der fatalen Austeritätspolitik der Ära Barroso – und legte ein Investitionsprogramm auf. Brüssel wollte den Neustart wagen.

Auch in Athen gab es einen Neubeginn. Bei der Wahl waren die alten, korrupten Parteien weggefegt worden. Die linke,  proeuropäische “Syriza” übernahm die Macht. Ihr Chef Tsipras war 2014 Spitzenkandidat der Linken für die Europawahl.

Doch dann kamen zwei große Dämpfer. Das eine war ein Artikel im “Spiegel”, in dem die Bundesregierung signalisierte, dass ein Rauswurf Griechenlands aus dem Euro kein Beinbruch wäre. Ein EU-Land wurde zum Abschuss freigegeben.

Das andere waren die Meldungen aus dem östlichen Mittelmeer. Die Türkei hatte die Grenzen geöffnet und schickte immer mehr Syrer über die Ägäis nach Griechenland. Die Flüchtlingskrise begann – doch in Berlin schaute niemand hin.

Erst im August und September, auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise, handelte Kanzlerin Merkel. Einen Monat zuvor, im Juli, hätte sie Griechenland fast aus dem Euro geworfen.

Mit dem 3. Bailout schuf sie ein “historisches” Schuldenregime, das – wie wir heute wissen – mindestens bis 2060 anhält. Die Hoffnung der Linken wurde zerstört – nicht nur in Griechenland, sondern in ganz EUropa.

Was wäre eigentlich gewesen, wenn Merkel und die anderen EU-Politiker Sinn für Geopolitik und Strategie gehabt hätten? Warum hat niemand erkannt, dass die Lösung der Flüchtlingskrise wichtiger war als ein neuer Bailout?

Es hätte auch ganz anders kommen können

Man stelle sich das einmal vor: Die EU hätte den Streit um die griechischen Schulden zurückgestellt – und sich zuerst im die Lage in der Ägäis gekümmert. Die Westbalkanroute und der deutsche September wären uns erspart geblieben.

Statt mit Tsipras hätten sich die EUropäer mit dem türkischen Sultan Erdogan anlegen können – und ihn zwingen, die östliche Mittelmeerroute zu schließen. Merkels schändlicher Türkei-Deal wäre uns ebenfalls erspart geblieben.

Stattdessen verhalf Merkel dem Sultan Ende 2015 zur Wiederwahl – und sie zerstörte die Hoffnungen des “europäischen Frühlings” in Athen und in Brüssel. Damals galt das alternativlos, Merkel als weitsichtige EUropäerin.

Merkels Europapolitik hat kein Problem gelöst

Heute sehen wir, wohin ihre unglaublich kurzsichtige und engstirnig-deutsche Politik führt: Kein Problem ist gelöst, es ist alles nur noch viel schlimmer geworden. Nicht nur in EUropa, auch für Merkel…

Siehe auch “Historisch – wie Versailles?” (zu Griechenland) und “Merkel traut in der EU keiner mehr über den Weg” (zu Merkel)