Blabla aus Sibiu
Schon ‘was vom Sondergipfel in Sibiu gehört? Nein? Sie haben nichts verpasst. Denn von dem wohl überflüssigsten EU-Treffen seit dem Brexit kam nur Blabla.
Dabei war dieser Gipfel doch als Antwort auf den Brexit gedacht. Schaut her, wir stehen geschlossen und gehen Seit’ an Seit’ in eine glänzende Zukunft – so war es eigentlich geplant.
Doch dann haben London und Brüssel den Brexit vermasselt. Und die EU hat ihre Hausaufgaben verschlafen. Schon beim Sondergipfel in Bratislava im September 2016 gelobte sie, sich neu zu erfinden.
Doch der “Neustart”, der “Aufbruch” (Merkel) oder die “Renaissance” (Macron) lassen immer noch auf sich warten. Zwei Wochen vor der Europawahl stehen die EU-Chefs mit leeren Händen da.
Und was macht man in solch misslicher Lage? Man dichtet, man säuselt, man simuliert. Gipfelchef Donald Tusk ließ eigens eine “Erklärung von Sibiu” vorbereiten, mit zehn “Verpflichtungen”.
Die sind genauso vollmundig wie hohl. Man wolle “vereint durch dick und dünn gehen” und sich “in Notzeiten untereinander solidarisch zeigen“, heißt es da.
Auch der Schutz von Demokratie und Rechtsstaat und die Verteidigung des „European way of life“ zählen zu den zehn Verpflichtungen, die in Rumänien verkündet wurden.
Ausgerechnet in Rumänien – wo der Rechtsstaat jeden Tag weiter ausgehöhlt wird! Und der “European way of life” für die Mehrheit der verarmten Bevölkerung nur ein ferner Traum ist!
Allerdings wäre es falsch, Sibiu völlig abzutun. Denn bei diesem Treffen haben die EU-Granden auch versucht, die Europawahl vorwegzunehmen und die Spitzenkandidaten an die Kette zu legen.
Links, rechts, rechtsradikal – völlig egal!
Sie haben eine Zukunfts-Agenda entworfen, die die EU in den nächsten fünf Jahren binden soll – egal, wie die Mehrheitsverhältnisse im neuen Europaparlament sind. Links, rechts, rechtsradikal – völlig egal!
Und sie haben über ein Verfahren gesprochen, das die Spitzenkandidaten domestizieren und die Entscheidung über die Chefposten vorwegnehmen soll – das letzte Wort haben natürlich die Staats- und Regierungschefs…
Da darf man dann doch gespannt auf die Details sein, die in Sibiu hinter den Kulissen besprochen bzw. ausgekungelt wurden. Sie dürften allerdings wohl erst in den nächsten Tagen durchsickern…
Mehr zur Europawahl hier, aktuelle Wahlumfragen und Projektionen hier
Siehe zu diesem Thema auch mein E-Book “Der verhinderte Neustart”
Holly01
10. Mai 2019 @ 09:29
“Die sind genauso vollmundig wie hohl. Man wolle “vereint durch dick und dünn gehen” und sich “in Notzeiten untereinander solidarisch zeigen“, heißt es da.”
Haben die Griechen gelacht, als sie das unterschrieben haben?
Solidarisch.
Ja Pusteblume.
Nur wenn es nichts kostet und niemandem Vorteile bringt.
Hat Deutschland das auch unterschrieben? Schade um das Papier ….
vlg
Peter Nemschak
10. Mai 2019 @ 08:54
Die vorletzte Selbstverpflichtung, wobei Verpflichtung ein zu starkes Wort für diese Absichtserklärung ist, bedeutet den Willen, durch Investition in hard power (Wirtschaft, Militär) und soft power (Bildung, Kultur, Umweltschutz) zu den anderen Großmächten, so gut es halt in der Struktur eines Bundes souveräner Staaten möglich ist, aufschließen zu wollen, mit anderen Worten irgendwie weitermachen wie bisher. Haben Sie etwa mehr erwartet?
Kleopatra
10. Mai 2019 @ 05:47
Dass die „Spitzenkandidaten“ nicht verbindlich sind, ergibt sich aus den Verträgen, nach denen nun einmal der Rat mindestens soviel Recht hat, die Kommission zu bestimmen, wie das Parlament. Wenn das Parlament im Rahmen eines Machtgezerres erklärt, nur einen der „Spitzenkandidaten“ als Kommissionspräsident bestätigen zu wollen, hat der Rat genauso das Recht, auf seinem Standpunkt zu beharren. Die Verträge geben beiden die Möglichkeit. Außerdem ist es nicht sinnvoll, in einem nach Verhältniswahl gewählten Parlament zu postulieren, dass ein „Spitzenkandidat“ der stärksten einzelnen Partei einen Anspruch hat, Regierungschef zu werden – abgesehen davon, dass die KOmmision keine Regierung im klassischen Sinn ist.
Trotzdem ist es in der Tat absurd, wenige Wochen vor der Europawahl die großen Linien der Politik zu besprechen. Oder man kann auch sagen: es ist ehrlich und zeigt dem EP, wie unbedeutend es in Wirklichkeit ist.
Zur Erklärung von Sibiu: Was bedeutet die vorletzte Selbstverpflichtung, „in unsere Soft Power und Hard Power [zu] investieren und mit unseren internationalen Partnern zusammen[zu]arbeiten“?
ebo
10. Mai 2019 @ 10:11
Zur Frage nach der “Power”: Das heißt, dass Deutschland stärker aufrüsten soll, und dass die EU mehr Subventionen an die Rüstungskonzerne zahlen soll. Bei den “internationalen Partner”, würde ich vor allem an die Nato denken, weniger an Trump 🙂
Peter Nemschak
10. Mai 2019 @ 10:31
Gemessen an dem, was die Mitgliedsstaaten für Rüstung ausgeben, ist das Ergebnis enttäuschend. Will man mehr aus dem vorhandenen Budget herausholen, müssen zuerst die strategischen Ziele und Entscheidungsstrukturen für den Einsatzfall klar definiert werden. Mit Geld allein lässt sich das Problem nicht lösen.