Biontech hat ein Problem (II)

Die Wirkung der Corona-Impfstoffe lässt früher nach als erwartet. Auch das von der EU bevorzugte Vakzin von Biontech hat die Erwartungen enttäuscht. Dennoch gilt das deutsche Produkt als Hoffnungsträger – für den „Booster“.

Die ersten Warnungen kamen im Sommer. Die Wirkung der Corona-Impfstoffe lasse früher nach als erwartet, auch der Klassenbeste von Biontech habe ein Problem, hieß es in Fachkreisen, nachdem Impf-Weltmeister Israel Alarm geschlagen hatte.

Doch Kanzlerin Merkel und EU-Kommissionschefin von der Leyen focht das nicht an. Gemeinsam hatten sie die umstrittene europäische Impfstrategie ausgekungelt, gemeinsam hielten sie dem deutschen Unternehmen die Stange.

Bei einem Besuch im Biontech-Werk in Marburg lobte Merkel den Hersteller als “Markenzeichen für Deutschland”. „Wenn man die Produkte sieht, dann sehen sie gar nicht so spektakulär aus. Dafür ist aber die Wirkung spektakulär”, so Merkel.

Biontech habe einen schnellen Ausweg aus der Pandemie gefunden, fügte sie hinzu.

Wirklich?, fragten wir schon am 20. August.

Drei Monate später ist klar, dass auch Biontech patzt. Erst kamen die Berichte über Pfusch in der Forschung. Nun kommen die Meldungen über Impfdurchbrüche. Es werden immer mehr, die Einschläge kommen immer näher.

„Europa wird in die Herdenimmunität im Juli, spätestens im August ‚reinkommen.“

BionTech-Chef Ugur Sahin im April 2021

Die Wirkung der Impfstoffe lasse früher nach als erwartet, sagen dieselben Virologen, die sie früher angepriesen haben. „Das hätte ich nicht erwartet, es haben auch nur wenige vorausgesehen“, räumt der CDU-Gesundheitsexperte P. Liese ein.

Johnson & Johnson könne man völlig vergessen, so Liese. AstraZeneca müsse schon nach vier Monaten aufgefrischt werden, aber auch Biontech biete kaum mehr als sechs Monate den versprochenen Schutz.

Ähnlich sehen es die meisten deutschen Experten. Lieses Kollege K. Lauterbach räumt das Versagen neuerdings ebenso ein wie der Virologe A. Kekulé. Den Geimpften habe man ein „falsches Versprechen“ gegeben.

Die Folgen zeigen sich schon jetzt in Ländern wie den Niederlanden, Island oder Gibraltar. Trotz hoher Impfquote – in Gibraltar sogar mehr als 100 Prozent (mit Pendlern) – schlägt die vierte Welle auch dort brutal zu.

Offenbar ist es eben nicht nur eine „Pandemie der Ungeimpften“, sondern auch ein Problem der Geimpften, bei denen die Wirkung nachlässt – ohne dass sich die Betroffenen dessen bewußt wären.

Und es ist ein Problem für Biontech. Das Unternehmen hat Pionierarbeit geleistet, keine Frage. Doch sein hochgelobtes Vakzin ist nicht optimal an die Delta-Variante angepasst, es ist von der Entwicklung überholt.

„Der Impfstoff war nicht gezielt für die Delta-Variante gemacht, sondern für ein Virus, das heute gar nicht mehr zirkuliert“, so der Virologe Ch. Drosten. Deshalb müsse man improvisieren.

Der Pfizer-Chef ist sich nicht sicher

Pfizer-Chef A. Bourla empfiehlt nun regelmäßige Auffrischungs-Impfungen. Doch wie lange der „Booster“ anhält, kann auch er nicht sagen. Man müsse das noch einige Monate beobachten, so Bourla.

Ähnlich äußerte sich die EU-Arzneimittelagentur EMA: Für eine allgemeine Empfehlung fehlten belastbare Daten. Die EU-Experten verweisen auf den Hersteller, doch der hält sich bedeckt.

Dennoch gilt Biontech als Hoffnungsträger – ein EU-Land nach dem anderen fordert zum „boostern“ auf. Man habe keine Zeit, um auf Daten zu warten, heißt es – in Israel sei es ja auch gut gegangen.

Wie sieht es mit der Haftung aus?

Doch was, wenn Biontech die Hoffnung erneut enttäuscht? Bisher verfügt das Vakzin nur über eine bedingte Markt-Zulassung. Wäre es nicht höchste Zeit, sie zu überprüfen und das Vakzin nachzubessern?

Und wie sieht es mit der Haftung aus? Wenn jemand trotz „vollständiger“ (doppelter) Biontech-Spritze schwer erkrankt oder gar stirbt, kann dann der Hersteller haftbar gemacht werden? Wenn nein, warum nicht?

Bisher wagt niemand, diese Fragen zu stellen. Biontech sei nicht das Problem, sondern die Lösung, heißt es in Brüssel und Berlin. Mit AstraZeneca und anderen Präparaten ist man nicht so respektvoll umgegangen…

Siehe auch „Biontech hat ein Problem“ (vom 20.08.21) Mehr zur Coronakrise hier

P.S. Obwohl er Biontech favorisiert, hat Noch-Gesundheitsminister Spahn das Vakzin nun rationiert. Dies führt zu neuem Frust bei Ärzten und Patienten, auf Twitter läuft der nächste Shitstorm. In Berlin weiß die linke Hand nicht mehr, was die rechte macht…

P.P.S. Nicht nur die EU, sondern auch die USA üben sich in Geheimniskrämerei, wenn es um das Biontech/Pfizer-Vakzin geht. Die Daten, die der Zulassung zugrunde liegen, sollen für 55 Jahre geheim gehalten werden, meldet Reuters. Geklagt hatten Professoren und Forscher von Harvard und Yale – nicht gerade die typischen „Querdenker“ …