Bidens gefährliche Fehler
Im Ukraine-Krieg verlässt sich die EU blind auf die USA. US-Präsident Biden sei ein Glücksfall, die transatlantischen Beziehungen seien enger denn je, heißt es in Brüssel. Dabei hat Biden fatale Fehler gemacht – zu Lasten Europas.
- Fehler Nummer eins: Biden hat den Krieg monatelang angekündigt – aber nichts getan, um ihn abzuwenden. Die verzweifelten Vermittlungsbemühungen von Präsident Macron und Kanzler Scholz wurden nicht oder nur halbherzig unterstützt. Die letzte Chance bei der Münchener Sicherheitskonferenz ließ der US-Präsident ungenutzt verstreichen.
- Fehler Nummer zwei: Biden ist seit Kriegsbeginn abgetaucht. Während Macron und Scholz weiter versuchen, einen Draht zu Kremlchef Putin zu halten, unternimmt Biden – nichts. Dabei hätte es nach dem Scheitern des russischen “Blitzkriegs” ein “Window of opportunity” für eine schnelle Beilegung des Konflikts gegeben.
- Fehler Nummer drei: Biden ignoriert das Risiko einer Eskalation bis hin zum Atomkrieg. In der Kubakrise haben die USA alles daran gesetzt, den Konflikt schnell zu entschärfen. Nun heizen sie ihn an – versäumen es aber, die Ereignisse unter Kontrolle zu halten und mögliche Mißverständnisse und Provokationen zu verhindern.
Das kann und darf so nicht weiter gehen.
Fast drei Monate nach Beginn des Krieges wäre es höchste Zeit, einen gemeinsamen Krisenstab mit Russland aufzubauen und die Abstimmung unter den Nato-Alliierten zu straffen, um das Eskalations-Risiko zu minimieren.
Stattdessen pumpt Biden die Ukraine mit immer mehr Waffen voll, prahlen die US-Geheimdienste mit (angeblichen) Großtaten in der Ukraine und dürfen Nato-Mitglieder wie Polen ungestraft Öl ins Feuer gießen.
Die EU-Kommission wird diesen gefährlichen Kurs nicht stoppen – sie ist ganz auf der Linie des Weißen Hauses. Von Macron und Scholz würde ich aber schon erwarten, dass sie Biden in die Pflicht nehmen und die USA auch mal öffentlich zu Zurückhaltung mahnen.
Schließlich tobt der Krieg in Europa – und ein Atomkrieg würde zuerst uns treffen, nicht in die Amerikaner…
Siehe auch “EUropa verliert im Stellvertreter-Krieg”. Interessant ist auch diese Presseschau zur Frage, was die EU tun kann, um den Krieg zu beenden.
P.S. Auch in den USA wird die Kritik an Bidens Kurs lauter. So warnt Th. Friedman in der “New York Times”, dass der Krieg immer gefährlicher werde. Biden wisse dies, unternehme aber nichts, um das Risiko zu begrenzen. Ähnlich äußert sich A. Tooze auf seiner Substack-Seite: “The question that must haunt us today is whether Lend Lease in 1941 set America on an inescapable path towards war.“
P.P.S. Immerhin haben die Verteidigungsminister der USA und Russlands miteinander gesprochen – zum ersten Mal seit Beginn des Krieges. “The Friday call was reportedly initiated by Austin and described as “professional” – lasting for about an hour, with a defense official saying the Pentagon hopes it “will serve as a springboard for future conversations.”
ceterum censeo
9. Juni 2022 @ 20:13
Dieser Krieg ist ein Bürgerkrieg in Russland. Wie 1918. present. Der Krieg, die eigene Logik, zwingt alle Russen überall, Stellung beziehen, wie in 1918-24
Es kommt die Zeit von zwei Leitwährungen. Das ist wichtiger als die Frage wer siegt in diesem Krieg
RichardRoe
19. Mai 2022 @ 08:21
ad 1) Der Krieg war ganz offensichtlich von USA und Ukrainern abgesprochen. Die Ukrainer wollen / müssen ja ihr gesamtes Staatsgebiet zurück haben. Sonst funktioniert der Plan nicht. Putin ist in eine Falle gelaufen. Um den Krieg zu vermeiden hätte ein gemeinsames Manöver der NATO zusammen mit ukr. Kräften auf ukrainischem Boden genügt. Das wurde mit Absicht vermieden und Putin musste / wollte glauben, dass der Westen wieder einmal nicht mehr Unterstützung für die Ukraine als ein paar bedauernde Worte hat. Wie 2014. Also ließ er sehr lange “Manöver” an den ukr. Grenzen ausführen und als sich so lange nix tat ließ er einmarschieren und stieß auf unvermutet heftigen Widerstand.
ad 2) Biden ist natürlich nicht abgetaucht, oder wie glauben Sie, sind die US$ 40 Mrd an Unterstützung für die Ukraine zustande gekommen? Weil der Präsident der USA geschlafen hat? Da musste Überzeugungsarbeit bei Demokraten und Republikanern geleistet werden, da mussten die Pläne offengelegt werden.
ad 3) Gschichterln. Es wurde den Russen mehrmals klar gemacht, dass der Einsatz von Nuklearwaffen in der Ukraine automatisch die gesamte NATO in Bewegung setzen würde und dass es eine gigantische nukleare Antwort des Westens geben würde. Die nukleare Anfangsdrohung kam aus Moskau und nicht aus Washington.
Russland will keinen Krisenstab, Russland will einen bedeutenden Teil der Ukraine, zumindest aber die Krim und den Donbass ins russ. Staatsgebiet eingliedern. Das wird nicht geschehen, doch Russland / Putin will nicht einsehen, dass der Krieg schon jetzt verloren ist. Russland hat bisher zumindest 28.300 Soldaten verloren, mehr als seinerzeit in Afghanistan. Etwa Mitte bis Ende Juni 2022 ist die Sache entschieden und vorbei, dann gilt die russ. Streitmacht als “aufgerieben”. Sollte Putin darauf warten bis der allerletzte russ. Soldat getötet oder verwundet ist, so dauert der Krieg eben bis Mitte Oktober.
Sie haben die unterschiedlichen Motivationen der Russen, der Ukraine, der Europäer und der USA offenbar nicht verstanden. Also kurz zum Mitschreiben:
Fakt: die Ukraine hat Erdgas im Donbass, etwa so viel wie Norwegen und Erdöl 120 km vor der Küste der Krim auf dem Festlandsockel.
* die Ukraine will in die EU und will ihr Gas und ihr Öl in den nächsten Jahren für die EU lieferbar machen. Dazu benötigt sie die Kontrolle über den Donbass und über die Krim. Unbedingt.
* Die Russen / Putin fürchten, dass niemand in Europa dann mehr russisches Gas und Öl kaufen wird. Deshalb sind sie einmarschiert. Schlicht, um den Gas+Öl-Konkurrenten Ukraine auszuschalten. 40% des russ. BIP bestehen aus dem Verkauf fossiler Brennstoffe, wenn das wegfällt, dann ist Russland pleite. Die Oligarchen-Wirtschaft lässt keine ordentlichen wirtschaftlichen Tätigkeiten zu. Sie werden bemerkt haben, dass in Russland eine Art “Oligarchen-Seuche” ausgebrochen ist. Putin lässt die noch im Inland befindlichen Oligarchen liquidieren, um das Land auf die Zeit “nachher” vorzubereiten.
* Die USA wollen die russ. konventionelle und nukleare Bedrohung weg haben – jedenfalls bevor noch der aktuell im Hintergrund köchelnde Konflikt mit der VR China heiß wird. Wenn der Ukraine-Krieg zu Ende ist, wird Russland mit den Kriegskosten und gewaltigen Reparationsforderungen konfrontiert werden. Darüber wird der IStGH entscheiden. Die Teilrepubliken der Russ. Föderation werden sagen, dass das ja nicht ihr Krieg war und werden Zahlungen verweigern. Die russ. Armee hat dann kein Drohpotential mehr. Die Russ. Föderation wird als Folge des Ukraine-Krieges zerfallen und Moskau hat keine Mittel mehr, das zu verhindern. Wie dann die De-Nuklearisierung Russlands stattfinden soll, ist mir ein Rätsel, vermutlich gibt es in Washington die Pläne.
* Die EU hat einen Staat mehr im Verbund, der gewaltigen Wiederaufbau benötigt! Das Geld dafür wird zumindest aus den derzeit beschlagnahmten russ. 450 Mrd bestehen, die gesamten Kosten, der IStGH entscheidet, werden wohl bei 1.500 Mrd oder mehr liegen. Es ist noch unklar, wie Russland den Rest bezahlen wird. Zahlreiche europ. Firmen werden beim Wiederaufbau eingebunden sein, es wird auf Jahre Konjunktur geben.
Sören Haber
16. Mai 2022 @ 20:20
Ganz offenbar ist Opa Joe zwischenzeitlich so grenzdebil, dass die Sprechpuppe (Parallele zu Baerbock) nur noch ab und zu gebrieft und vorgezeigt werden kann. Offenbar aber nicht mehr im Zusammenhang mit freier Rede und Russland.
Dennoch: was nützt es, wenn nur einzelne Kongressabgeordnete und ein einzelner Senator sich gegen die enorme und v.a. unkontrollierte finanzielle Unterstützung der Ukraine (und damit einschlägiger Konzern- und Lobbyinteressen) aussprechen? Ganz offensichtlich liegen die Interessen von Esel und Elefant woanders.
Erstaunlich, dass auch die Anhänger des “Größten und Besten Präsidenten aller Zeiten” (vulgo: Trump) die Korruptions-Geschehnisse um Opa Joe und seinen Clan u.a. im Sicherheitsbereich nicht aufgreifen und eine entsprechende Welle mit Donnerhall initieren.
Zevau
14. Mai 2022 @ 11:02
Zu Armin Christ: Zustimmung in allen Punkten. In der Aufzählung fehlt noch die kleine Ricarda. Es fehlt in der Politik an “Erwachsenen” mit Rückgrat und Haltung. Die alten weißen Männer + moralisches Verhalten + Verantwortungsübernahme sind aber nicht mehr gefragt.
Thomas Damrau
14. Mai 2022 @ 10:20
Interessenkonflikte allerorten.
1) Zwischen der EU und den USA, wie im Beitrag oben beschrieben.
2) Zwischen der EU und der Ukraine, wie im “ersten Brief” an Scholz beschreiben – und mehrfach von Harald Welzer unter heftigen Attacken der “feste druff”-Fraktion erläutert.
3) Zwischen den USA und der Ukraine – was in der öffentlichen Diskussion kaum vorkommt. Die Neuinszenierung des Drehbuchs “Wir lassen die UdSSR in Afghanistan verbluten” unter dem Titel “Wir lassen Russland in der Ukraine verbluten” kann genauso wenig im Interesse der Ukraine sein, wie es die Erstaufführung im Interesse Afghanistans war.
ebo
14. Mai 2022 @ 12:01
Das dritte Szenario – wir lassen Russland in der Ukraine verbluten – wird immer wahrscheinlicher. Wenn man darüber nachdenkt, kommt einem leicht der Gedanke, dass Bidens Fehler in Wahrheit keine Fehler waren – sondern Features einer amerikanischen Strategie…
RichardRoe
19. Mai 2022 @ 08:49
So ist es. Russland ist wirtschaftlich ein Zwerg (BIP kleiner als das Italiens, Kanadas oder Südkoreas!) und sollte sich so einen gewaltigen Krieg eigentlich gar nicht leisten können. Es geht den USA darum, die russ. nukleare Bedrohung ein für allemal weg zu bekommen, um dann den Konflikt mit der VR China ungehindert austragen zu können. Es geht um nichts weniger als letztlich um die Auflösung der Russischen Föderation! Dass bei diesem Krieg – falls er gewonnen wird – jeder was davon hat, das ist klar. Nutznießer sind die EU, die Ukraine und natürlich die USA. Verlierer sind Putins Russland und die VR China.
ebo
19. Mai 2022 @ 09:02
Das kann man auch anders sehen.
CIA-Veteran kritisiert US-Kurs gegenüber Russland: Wird nicht siegreich enden
european
19. Mai 2022 @ 12:38
@ebo
“Erklärtes Ziel der USA sei es, Russland zu „schwächen“. Daraus resultierten jedoch zwei Probleme: Zum einen profitiere Putins Propaganda von der Tatsache, dass es sich nicht bloß um eine Reaktion auf den Krieg in der Ukraine, sondern auch um eine Bedrohung Russlands handele.”
Es ist ja damit belegt, dass zumindest dieser Teil eben KEINE Putin-Propaganda ist. Vielmehr wird Putin damit bestätigt, dass er völlig richtig liegt. Das schlechteste, was man in einem Konflikt tun kann, ist der Gegenseite eine Steilvorlage nach der anderen zu liefern. 😉
ebo
19. Mai 2022 @ 12:45
Da würde ich differenzieren. Die Putin-Propaganda in Bezug auf die Ukraine ist falsch und scheitert mehr und mehr auch in Russland selbst. Seine Aussagen zur Bedrohung Russlands dagegen erweisen sich zunehmend als richtig – jedenfall aus russischer Perspektive. Hier in Brüssel wird natürlich alles völlig anders dargestellt, “wir” sind rein defensiv…
european
19. Mai 2022 @ 14:38
@ebo
So meinte ich das auch. Ich bezog mich auf die Bedrohung Russlands. Darauf hat Putin noch bis vor Beginn des Krieges immer wieder hingewiesen.
Armin Christ
14. Mai 2022 @ 08:57
Biden ? der gehört zum Eskalationssystem Clinton ! Die EU kommision ist voll da mit drin und unterstellt, daß Macron und Scholz wirklich Deeskalation wollen, dürfen die denn das, haben sie die Macht dazu ? und dann gibt es noch Baerbock, die schlimmste Agentin des Imperiums, samt Roberta und Antonia.
european
13. Mai 2022 @ 18:24
Fehler oder Absicht?
Ich glaube eher an letzteres. USA und NATO haben in den letzten Jahren/Jahrzehnten rund ums Mittelmeer Kriege geführt und für Unruhen und Destabilisierung in Europa geführt. Jetzt ist Europa dran, um dann China von beiden Seiten einzukreisen.