“Berlin verfehlt Klimaziel” – Noch mehr Wackelkandidaten
Das deutsche Klimapaket hat in Brüssel keine Begeisterung ausgelöst. Schlimmer noch: es löste eigentlich gar keine Reaktion aus. Denn nicht nur Deutschland, sondern auch die EU droht, die Klimaziele von Paris zu verfehlen.
In Paris hatten sich die Unterzeichnerstaaten 2015 verpflichtet, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Die EU hat versprochen, bis 2030 mindestens vierzig Prozent weniger Treibhausgase auszustoßen als 1990.
Deutschland will nun handeln. Doch die Bundesregierung bezieht sich in ihrem Klimapaket – oder Päckchen? – nicht explizit auf die Pariser Klimaziele, sondern auf eigene, nationale Vorgaben und Vorhaben.
Da die meisten Maßnahmen erst in ein bis zwei Jahren in Kraft gesetzt werden, und das noch äußerst sanft, zweifeln viele Experten daran, dass “Paris” überhaupt noch erreichbar ist. Zitat:
„Um das Pariser Klimaschutzschutzabkommen einzuhalten, müssten wir bis 2035 in Deutschland klimaneutral werden und das Energiewendetempo mehr als verfünffachen“, sagt Volker Quaschning, Professor für Regenerative Energiesysteme an der HTW Berlin und engagiert bei Scientists for Future, Business Insider. “Doch mit dem Klimaschutzpaket hat Deutschland nicht ansatzweise die Chance, das zu schaffen.“
Quelle: Business Insider
Europaweit sieht es leider kaum besser aus. Bisher konnte sich die EU weder auf die Verschärfung des Klimaziels für 2030 einigen noch auf das Ziel, 2050 unterm Strich keine Treibhausgase mehr in die Atmosphäre blasen zu wollen.
Auf die neue Kommissionschefin von der Leyen kommt viel Arbeit zu. sie will ja schon in den ersten hundert Tagen nach ihrem Amtsantritt (geplant für November) ein eigenes Klimapaket vorlegen.
Das soll dann im 2. Halbjahr 2020 – also unter deutschem EU-Vorsitz – beschlossen werden. Von der Leyen ist also auf aktive Mithilfe von Kanzlerin Merkel und ihrer Regierung angewiesen.
Dumm nur, dass sie aus Berlin keine überzeugende Rückendeckung erhält. Sie braucht frischen Schub – und bekommt viel heiße Luft…
Siehe auch “Leyen kann nur so stark sein, wie Merkel sie läßt”
Watchlist
- Kommt eine Quote für Bootsflüchtlinge? Darüber beraten am Montag Deutschland und vier weitere EU-Länder auf Malta. Innenminister Seehofer hat sich bereit erklärt, ein Viertel der aus Seenot Geretteten nach Deutschland zu holen. Doch es gibt noch Probleme – u.a. bei der Frage, wo die Hilfsschiffe anlegen dürfen. Italien hat seine monatelange Blockade aufgehoben, doch nun sträubt sich plötzlich Frankreich… Mehr hier
- Wie steht Labour zum Brexit? Beim Parteitag in Brighton ringen die Genossen um eine klare Linie. Parteichef Corbyn will sich nicht festlegen, um weder die EU-Anhänger noch die Brexit-Befürworter zu vergraulen. Er steht jedoch unter Druck – von innerparteilichen Gegnern, aber auch durch Umfragen, die in den Keller gehen. Zuletzt ging auch noch ein enger Berater von der Stange – der Brexit scheint ganz UK zu zerreissen!?
Was fehlt
- Die Liste der Wackelkandidaten in der neuen EU-Kommission wird immer länger. Nach neuester Zählung sind nun bereits neun von 26 Kommissaren mit erheblichen Zweifeln belastet. Es gehe um finanzielles Fehlverhalten, Vergehen oder mögliche Interessenkonflikte, sagte der SPD-Europaabgeordnete Jens Geier. Von der Leyen müsse sich fragen lassen, ob ihr Stab die von den EU-Staaten Nominierten genau genug geprüft habe.
- Webers fortgesetzter Flirt mit den Grünen. Schon als Spitzenkandidat der EVP setzte der CSU-Politiker auf die Ökopartei, um Kommissionschef zu werden. Nun wirbt er für eine schwarzgrüne Koalition in Deutschland. Nur ein solches Bündnis könne die gesellschaftlichen Konflikte befrieden, so Weber. Und was ist mit EUropa? Auch im Europaparlament werden die Grünen gebraucht – denn die bisher übliche GroKo hat ihre Mehrheit verloren!
Kwasir
23. September 2019 @ 16:57
Wenn ich meinen Hayek richtig verstanden habe, hat er nicht die Naturgesetze in Frage gestellt, sondern nur an der Kompetenz des Verstandes des Einzelindividuums gezweifelt, bei komplexen Zusammenhängen sachgerecht im Einzelfall Entscheidungen zu fällen, die nicht fehlerhaft sind.
Es ist in der Tat die Natur mit ihren komplexen Gesetzlichkeiten, und nicht die vorgebliche Vernunft des Menschen, die die in Gang gekommenen epochalen Klimaveränderungen hervorbringt. Apokalypse als der Vorstellung vom ‘Weltuntergang’ ist rein anthropozentrisch gedacht. Der aus den Naturgesetzen entstandenen Erde ist es ziemlich egal, ob auf ihr menschliche oder sonstige Wesen herumwieselen. Die Erde ist auch als Wüste immer noch nicht ‘untergegangen’.
Bei den Klimamodellen handelt es sich nicht um schwer zu falsifizierende komplexe Theorien im Haykschen Sinne, sondern um faktisch messbare Fakten, also auch nicht um irgendwelche ideologisch verblendeten Endzeitphantasien.
Darauf kann man mit Fatalismus (es gab schon immer Klimaänderungen, da kann der Mensch gar nichts dafür) ) oder mit ‘kritischem Rationalismus’ – ur-liberale Werteauffasssungen respektierend (alle haben ein gleiches Recht auf Leben) – reagieren.
Bei den bisherigen Massnahmen der Politik, menschliches Verhalten “Co2 – Absorptions-kompatibel” zu gestalten/verändern, muss eher, wie es Hayek tut, an der Kompetenz des Einzelverstandes gezweifelt werden.
Was den Rückstand der anderen angeht (China, Indien et al.) so bleibt zu hoffen, dass sie es bleiben werden. Man möchte sich nicht vorstellen, wenn sie alle den Rückstand aufholen und auch, wie wir, 11 t CO2 /p.a. und Kopf in die Luft pusten wollten. Das Recht könnten sie beanspruchen.
Ich habe durchaus den Eindruck, dass zumindest die vielen Grünwähler dies schon richtig verstanden haben…für die anderen bleibt zumindest die Hayeksche Hoffnung, dass sie das ihnen bislang ‘Unbekannte’ als (für sie) ‘Neues’ erkennen und somit auch ihre Vernunft ‘fortschreiten’ kann. Im Moment ist der Lernfortschritt da noch suboptimal …
Ute Plass
23. September 2019 @ 11:15
“Das deutsche Klimapaket hat in Brüssel keine Begeisterung ausgelöst. Schlimmer noch: es löste eigentlich gar keine Reaktion aus.”
Oh, vielleicht hat folgende Einsicht Brüssel ergriffen:
“Wer vom Kapitalismus nicht reden will, sollte von Nachhaltigkeit schweigen” 😉
http://www.krisis.org/2019/lizenz-zum-klima-killen/
Kleopatra
23. September 2019 @ 08:23
Die Grünen werden im Europaparlament nur dann “gebraucht”, wenn man eine konstante Einteilung in “Gute” und “Böse” kultiviert und mit den bösen Schmuddelkindern nie spielen will. Tatsächlich hat die Bestätigung von UvdL als Kommissionspräsidentin gezeigt, dass im Europaparlament eine Mehrheitsbildung ohne bzw. gegen die Grünen sehr wohl möglich ist. Dass freilich in Deutschland die SPD so sehr auf dem absteigenden Ast ist, dass die CDU signalisiert, sie seien bereits als Koalitionsknechte überflüssig, ist eine Demütigung, die sich die deutsche Sozialdemokratie ehrlich verdient hat.
Peter Nemschak
23. September 2019 @ 10:42
Es ist kurzsichtig auf den Parteien der Mitte herumzutrampeln und ihren Abstieg als gerechte Srafe zu verstehen. Strafe wofür ? Immerhin sind sie nach wie vor Träger der liberalen pluralistischen Demokratie. Wenn die Klimaziele zu ambitioniert für die Europäer sind, wird man sie ändern. Das werden letztlich auch viele Grünwähler mittragen, wenn sie begreifen, wie weit große Entwicklungsländer wie China, Indien, Brasilien und Südafrika (Aufzählung unvollständig) im Rückstand sind. Statt ständig die Apokalypse zu bemühen, sei an F.A.Hayek erinnert. Bei Friedrich August von Hayek liest sich die Forderung so: „Der Mensch ist nicht Herr seines Schicksals und wird es nie sein: Gerade seine Vernunft schreitet immer dadurch fort, dass sie ihn ins Unbekannte und Unvorhergesehene weiterführt, wo er Neues lernt.“