Merkels doppeltes Spiel
Das war’s dann wohl mit dem „deutsch-französischen Motor“: Kurz vor dem EU-Gipfel haben Berliner Regierungskreise bestätigt, dass Kanzlerin Merkel die Anti-Macron-Initiative aus Nordeuropa unterstützt.
Zuvor war durchgesickert, dass Merkels rechte Hand – der ehemalige Kanzleramtschef Altmaier – an zwei von drei Treffen der Gruppe um den niederländischen Regierungschef Rutte teilgenommen hat.
Diese Gruppe spricht sich gegen eine Vertiefung der Währungsunion aus, wie sie Macron anstrebt. Zudem ist sie gegen höhere EU-Beiträge, wie sie die GroKo im Koalitionsvertrag angekündigt hat.
„Wir sind immer gerne dabei, wenn über die Zukunft der Union gesprochen wird“, heißt es in den Kreisen. Das nordeuropäische Nein zu „mehr Europa“ sei ein „positiver Beitrag zur aktuellen Debatte.“
Merkel möchte sich nun als Vermittlerin positionieren – zwischen den Hardlinern aus Holland und dem französischen Staatschef. Es gebe kein deutsch-franzöisches Monopol, heißt es zur Begründung.
In Wahrheit möchte Merkel Macron ausbremsen und den für Deutschland günstigen Status Quo in der EU konservieren. Sie spielt ein doppeltes Spiel, das die geplante EU-Reform bremst.
Das führt schon jetzt dazu, dass beim EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag keinerlei konkreten Fortschritte mehr erwartet werden. Die „Leader’s Agenda“ führt nirgendwo mehr hin.
Immerhin ist es Macron noch gelungen, zwei Themen auf die Tagesordnung zu setzen: eine neue EU-Steuer auf Digitalkonzerne – und einen Euro-Gipfel, bei dem über die Zukunft der Währungsunion diskutiert wird.
Natürlich steht Berlin auch hier auf der Bremse, Beschlüsse werden nicht erwartet…
Siehe auch „Die Anti-Macron-Agenda“ und „So endet der Aufbruch für Europa“
Andreas
22. März 2018 @ 23:20
das Traurige daran ist, dass diese Spielchen so abgekartet und dümmlich sind…
dass sie gar nicht mehr abgekartet sein können…sondern von allen Machtjunkies so gewollt…und Macron…. pfff… ist doch dieselbe Liga…
einfach widerlich
Kleopatra
22. März 2018 @ 21:36
Es gibt mindestens eine seit langem vertretene deutsche Linie, nämlich: ja nichts tun, was eine Vertragsänderung notwendig macht. Denn man geht davon aus, dass die mindestens im einen oder anderen Land, wo sie eine Volksabstimmung erfordert, hinuntergenehmigt wird. Das ist freilich eine Formalie; aber es gibt mindestens einen ausgesprochen bedenklichen Punkt bei Macron, nämlich seine Fixierung auf Westeuropa.
Ist Ihrer Meinung nach eigentlich jemals ein Koalitionsvertrag auch nur so viel wert gewesen wie das Papier, auf dem er geschrieben war? Ich denke, realistischerweise ist der Umstand, dass die „europapolitischen“ Teile des Koalitionsvertrags nicht ernstgenommen werden, symptomatisch dafür, wie wenig die EU unsere Landsleute in Wirklichkeit interessiert.
Kleopatra
22. März 2018 @ 09:48
Tja. Aus der Distanz betrachtet ist niemand – kein Mensch und kein Land – verpflichtet, Macrons Ideen zu unterstützen. So gut wie er das Recht hat, eine Rede zu halten, ohne sie sich vorher von der deutschen Regierung genehmigen zu lassen, ist die deutsche Regierung berechtigt, ihn nicht zu unterstützen. Im Übrigen halte ich von Leuten, die eine eigene Partei aufbauen und diese wie ein Wirtschaftsunternehmen führen (und das hat E.M. mit „En Marche“ gemacht) wenig bis gar nichts.
ebo
22. März 2018 @ 09:58
Niemand ist verpflichtet, Macrons Vorschläge aufzunehmen oder zu unterstützen, richtig. Doch Frau Merkel hat genau dies in ihren Koalitionsvertrag geschrieben, unter der Überschrift „Aufbruch für Europa“. Und dann kommt sie nach Paris und sagt, sie hätte leider keine Zeit gehabt, sich vorzubereiten? In Wahrheit spielt sie ein doppeltes Spiel und will sich alle Optionen offen halten, wie immer. Die GroKo startet mit einem europapolitischen Betrug.
doc030
22. März 2018 @ 12:43
“Aufbruch für Europa” bedeutet doch nicht automatisch, Macrons Vorschläge 1:1 zu übernehmen!? Diese Logik verstehe ich nicht…
ebo
22. März 2018 @ 12:47
Natürlich nicht. Aber wie glaubwürdig ist es denn, im März zu behaupten, man habe keine Antwort auf Macrons Vorschläge von September? Und welche Pläne für den „Aufbruch“ hat Merkel denn bisher vorgelegt?
Peter Nemschak
21. März 2018 @ 12:44
Nicht alles, was Macron vorschlägt, ist notwendigerweise in europäischem oder deutschen Interesse. Ein rechtsliberaler Zugang zu Europa hat im Unterschied zu einem sozialdemokratischen durchaus Charme, weil er in erster Linie auf Selbstverantwortung statt Atomisierung der Verantwortung der Mitgliedsländer aufbaut. Subsidiarität steht dabei im Vordergrund.