Belarus, Türkei: Was Maas verschweigt
Das Krisentreffen der EU-Außenminister zu Belarus und der Türkei verlief nicht so harmonisch, wie es Außenminister Maas suggeriert. Sogar das wichtigste Ergebnis – neue Sanktionen gegen Belarus – ist umstritten.
„EU bringt Sanktionen gegen Belarus auf den Weg“, meldete dpa nach der Videokonferenz am Freitag. „Wir verteidigen unsere Werte auch jenseits unserer Außengrenze“, die EU habe Geschlossenheit demonstriert, erklärte Maas am Sonntag per Twitter.
Wir haben als EU zu #Belarus Geschlossenheit demonstriert und deutlich klargestellt, dass wir das Wahlergebnis dort so nicht anerkennen. Alle Mitgliedsstaaten sind sich einig, neue Sanktionen auf den Weg zu bringen. Wir verteidigen unsere Werte auch jenseits unserer Außengrenze.
— Heiko Maas 🇪🇺 (@HeikoMaas) August 16, 2020
Doch das stimmt so nicht. Folgt man griechischen, französischen und britischen Berichten, so gab es vor der Einigung auf Sanktionen massiven Streit über die Frage, ob die EU auch Strafmaßnahmen gegen die Türkei einleiten oder androhen sollte – wegen der Gasbohrungen im Mittelmeer.
Dies hat Griechenland gefordert, konnte sich aber nicht durchsetzen. Als Reaktion habe Athen letztlich auch nicht die Sanktionen gegen Belarus mitgetragen, berichtet T. Nuttall vom „Economist“. Die EU habe sich auch nicht auf ein gemeinsames Statement zu Belarus einigen können.
Tatsächlich gibt es keinen formellen Beschluß, sondern nur eine Zusammenfassung des Außenbeauftragten Borrell. Das passiert immer, wenn sich die EU nicht einig ist, dies nach außen aber nicht kenntlich machen will. In der Frage der Sanktionen ist genau dies passiert.
Streng genommen hat die EU denn auch keine Strafmaßnahmen gegen Belarus beschlossen, sondern nur einen Prüfauftrag an Borrell und seinen Stab erteilt. Sie tritt auch nicht geschlossen für einen „Dialog“ mit Erdogan ein, wie dies Maas und Borrell darstellen.
Vielmehr sind die Mittel der Türkei-Politik extrem umstritten. Sie reichen von Appeasement à la Maas bis hin zu militärischem Druck, wie ihn Frankreichs Präsident Macron praktiziert. Dass die Bundesregierung Macrons Kurs nur „zur Kenntnis“ nahm, sorgte übrigens in Paris für Irritationen.
Um den Streit beizulegen, reist Merkel in der kommenden Woche auf Macrons Sommersitz nach Südfrankreich. Auch das zeigt, wie groß die Spannungen sind – und wie wenig die Außenminister geschafft haben…
Siehe auch „Macron steht Athen bei – mit Kanonenbooten“ und „Schlingerkurs mit Lukaschenko“
P.S. Die geplanten EU-Sanktionen gegen Belarus werden von der Demokratiebewegung nicht mitgetragen. Sie könnten ihr sogar schaden, fürchten Oppositionelle in Minsk. Mehr hier
Holly01
17. August 2020 @ 10:16
Beim mdr gab es keine OSZE Beobachter:
“ https://www.mdr.de/nachrichten/osteuropa/politik/belarus-praesidentschaftswahl-minsk-opposition-100.html “
bei der Zeit wird einer dieser nicht vorhandenen zitiert:
“ https://www.zeit.de/politik/ausland/2010-12/weissrussland-minsk-demonstration-2/seite-2 “
Zitat:
“ Georg Schirmbeck. „Die Vorwürfe der Opposition, Lukaschenko habe Wahlbetrug begangen, kann ich – so leid es mir tut – so nicht bestätigen“. “
Ja schade auch ;-P
Ich hätte was gefunden ….
vlg
Ernst
17. August 2020 @ 09:46
Die Russen Phobie der Europäer hat schon sehr kranke Formen angenommen. Obwohl es hier ganz klare Unterschiede gibt zwischen Bevölkerungsmeinung und der Transatlantisch treuen Teil der Politiker/Journalisten. Es ist klares Profitdenken für eigene Tasche in der Ethik schon lange verloren ging. Manchmal verstehe ich Donald Trump mit „fake news“ denn weglassen oder Sätze aus dem Kontext genommen ist auch gelogen. Das sehen wir mit Weißrussland, Ukraine und der Türkei.
wolfgang Cejda
17. August 2020 @ 08:40
Sei es Guaido, sei es Assad, sei es dieser pseudo Held ERDO, sei es Weißrussland oder Belarus – egal – !!!, die EU Vorderen sind immer gegen den Trend der Zeit und damit gegen die Earth Allianz. Was mich der Ansicht nähert: sie scheinen kopflos und in sich uneinig vor einer Klippe zu stehen, nachzudenken, ob Selbstmord oder Reignation eine Lösung wäre. Auch das EU Volk trägt ihre Entscheidungen mehrheitlich nicht mit.. aber das hat diese Vorderen noch nie interessiert. Die Rechnung kommt in Bälde.
Alexander
17. August 2020 @ 05:48
Hier Ausführungen von ntv:
https://www.n-tv.de/politik/Warum-nun-von-Belarus-die-Rede-ist-article21962955.html
Dass auf dem globalen Schachbrett ein Feld leichter „dem Westen“ zugeschlagen werden kann, wenn schon sprachlich der Eindruck vermieden wird, dass es untrennbar an die Seite Russlands gehört, ist wahrscheinlich wieder nur so eine absurde Verschwörungstheorie …
Holly01
17. August 2020 @ 09:27
Die Türkei stellt die Nachkriegsordnung mit den Erdgas-Probebohrungen offen in Frage.
Der Minsk Vertrag wird relativ offen einer (in der Wirkung) Teilung der Ukraine geopfert.
Weissrussland fällt auf die Reußen und damit auf die Reus zurück und ist plötzlich ein deutsches Brudervolk.
Bestimmt nur Zufall, dass Deutschland gute Rüstungsgeschäfte mit der Türkei macht.
Alles Zufall. Niemand plant eine Mauer zu bauen ähm, sry … die Nachkriegsordnung in Frage zu stellen ….
Da versammeln sich ganz und gar spontan tausende Menschen, um … ja die wollten alle nur mal raus und ein Eis essen ….
Ne, das erfordert keine Logistik. Das ist ein gemeinsamer, in den Menschen verankerter Wunsch.
Wenn die EU den Russen für den Fall einer erfolgreichen friedliche, demokratischen Revolution die Aufnahme in die EU und den Euro garantiert, dann „beugt sich Putin dem Druck der Straße und tritt zurück“, bevor die in Brüssel die Presse komplett informieren können….
Wir haben eine existenzielle Systemkrise……. da passieren sonderbare Dinge.
vlg
Dirk
16. August 2020 @ 11:36
Mal ne blöde Frage: Warum verwenden plötzlich alle das Wort „Belarus“ anstelle von „Weißrussland“? Das hat im deutschen Sprachgebrauch bis vor wenigen Tagen noch nicht existiert.
Holly01
16. August 2020 @ 13:08
Das Wort kennzeichnet den Kontext, also das Narrativ.
Wer “Belarus” schreibt kann sich sparen darauf hinzuweisen, das er das Regime doof, die Wahlen für unfair und die Demonstranten als die “Guten” betrachtet.
Das steckt da als Position alles mit drin.
Wer die Sprache kontrolliert, hat die Deutungshoheit ….
vlg
Peter Nemschak
16. August 2020 @ 13:44
Belarus ist kürzer und bequemer auszusprechen als Weißrussland.
Holly01
16. August 2020 @ 23:19
Ja ja und wieder macht sich ein Land auf, um im Schoße der demokratischen Nationen seinen Platz einzunehmen ……
Eine neue Erfolgsgeschichte.
vlg
Heinz Meier
17. August 2020 @ 09:53
Pit Nemi,
das ist eine gute Erklärung und überall anwendbar.