Bei diesem Budgetstreit werden alle verlieren
Klimaschutz, Grenzschutz, Künstliche Intelligenz: Die EU bekommt immer neue Aufgaben, doch nicht mehr Geld. Das kann nicht gut gehen. Beim Budgetgipfel am Donnerstag wird es nur Verlierer geben, es droht sogar ein Eklat.
Drei Wochen nach dem Brexit ist in der EU ein heftiger Verteilungskampf entbrannt. Es geht um das Loch, das der britische Austritt in das EU-Budget reißt.
Es geht aber auch um neue Prioritäten wie den Kampf gegen die Klimakrise und die Digitalisierung der Wirtschaft.
Beim Sondergipfel am Donnerstag in Brüssel stehen die Zeichen auf Sturm – das Europaparlament droht mit Ablehnung.
„Wir sind noch weit von einem akzeptablen Vorschlag entfernt“, sagte Parlamentspräsident David Sassoli.
Der Entwurf von Ratspräsident Charles Michel liege um 230 Milliarden Euro unter dem, was nötig sei. Michel hatte vorgeschlagen, für 2021 bis 2027 insgesamt 1,0948 Billionen Euro bereitzustellen.
Das entspricht 1,074 Prozent der Wirtschaftsleistung, das Parlament fordert 1,3 Prozent.
Doch Deutschland und andere Nettozahler bestehen auf einem strikten Sparkurs. Sie wollen den EU-Beitrag auf 1,0 Prozent begrenzen und außerdem den Rabatt behalten, der nach dem Brexit eigentlich abgeschafft werden sollte.
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Die deutsche Haltung sorgt für Ärger im EU-Parlament. Denn Kanzlerin Angela Merkel hatte im Koalitionsvertrag einen höheren deutschen Beitrag versprochen.
Merkel legt sich aber auch mit Macron an. Denn sie will die Agrarsubventionen kürzen, von denen besonders Frankreich profitiert. Bei den Eigenmitteln, die Macron für die EU fordert, steht sie dagegen auf der Bremse.
Damit zeichnet sich eine deutsch-französische Schlacht an mehreren Fronten ab. Der Gipfel-Streit dürfte sich nicht nur um die Höhe des Budgets für die kommenden sieben Jahre drehen, sondern auch um Eigenmittel und Rabatte.
Doch nicht nur Deutschland und Frankreich liegen über kreuz. Ein Verteilungskampf tobt auch zwischen West und Ost, Nord und Süd.
Die Osteuropäer wehren sich dagegen, dass EU-Hilfen künftig an Rechtsstaatlichkeit und Demokratie gebunden werden, wie dies Berlin und Paris fordern.
Die Südeuropäer wollen Kürzungen bei den Strukturhilfen verhindern. Damit werde der soziale Zusammenhalt geschwächt, heißt es bei den „Freunden der Kohäsion“.
Bei dieser Gefechtslage können eigentlich nur alle verlieren. Nach dem Brexit denkt jeder nur noch an sich – der Gemeinschaftsgedanke ist verflogen…
Siehe auch „Aufstand gegen Merkels Sparkurs“ und „Geiz ist geil? Unbequeme Fakten zum EU-Budget“
Watchlist
Wird Julian Assange von Großbritannien an die USA ausgeliefert? Um diese Frage geht es bei einer Anhörung, die am 24. Februar in London beginnen soll. Am Donnerstag gibt nun der neue französische Anwalt des Wikileaks-Gründers eine Pressekonferenz. Mittlerweile hat sich eine breite Solidaritäts-Bewegung mit Assange formiert – nur die EU tut immer noch so, als ginge sie das alles nichts an…
Was fehlt
- Erweiterung I: Albania president calls on people to topple the government – Die Linksregierung habe Verbindungen zum organisierten Verbrechen, so der Präsident. Und mit diesem Land wollen Merkel und von der Leyen schnellstmöglich EU-Beitrittsgespräche aufnehmen…
- Erweiterung II: North Macedonia warns EU on ‚dirtiest ever‘ election – Auch das klingt nicht nach großer Beitrittsreife…
- EVP: Orbán verlangt von EVP Öffnung nach rechts – Das kommt davon, wenn man sich nicht entscheiden kann, Fidesz auszuschließen…
- Digitalpolitik I: Die EU hält nichts von Zuckerbergs Regulierungs-Vorschlägen – Das sieht nach einem langen Kampf mit Facebook aus!
- Digitalpolitik II: Diese Regeln plant die EU für Daten und Algorithmen – Daten werden wichtig, der Datenschutz hingegen kommt kaum noch vor – mehr dazu hier
Baer
20. Februar 2020 @ 08:58
Pessimismus ist in der Tat ein schlechter Ratgeber,aber die Realität lehrt doch etwas anderes.
Der Schwachsinn mit dem Klimaschutz könnte viel Geld sparen,denn diese Lügen sind nun hinlänglich entlarvt,trotzdem will Flinten Uschi Billionen verschleudern.
Die Nato ist eine Völkerrechts widrige Organisation und gehört abgeschafft, denn die sogenannte Bedrohung durch Russland könnte mit Kooperationen ausgeschlossen werden.
Ein Ost-West Bündnis würde den Hegemon in die Schranken weisen.
Aus Syrien und Libyen sollten wir uns heraus halten,außer humanitär.
Kleopatra
20. Februar 2020 @ 08:49
Theatralische Darstellung von Gegensätzen gehört zu Verhandlungen und ist nur mit Einschränkungenn ernst gemeint. Eines sollte allerdings das Parlament nicht vergessen: Das Parlament hat keine Möglichkeit, die Macht der Mitgliedstaaten zu beschneiden; hingegen hätten die Mitgliedstaaten mindestens theoretisch die Möglichkeit, das Parlament mit einem Federstrich abzuschaffen (sie sind, wie es so schön heißt, „die souveränen Herren der Verträge“, könnten sich also jederzeit auf neue Verträge einigen, die das Parlament in seiner bisherigen Form nicht mehr vorsehen).
An der Bedeutung der gemeinsamen Argrarpolitik kann nichts Wesentliches geändert werden. Unproduktiv ist es, wie in der deutschen Presse gern gemacht, EU-Mittel als politische Druckmittel einsetzen zu wollen („Rechtsstaatsprinzip“); denn EU-Hilfen dienen dazu, wirtschaftliche Ungleichgewichte auszugleichen, und da es für alle gewährten Hilfen gute Gründe gibt (will ich jedenfalls hoffen), wären Kürzungen als Druckmittel nicht sehr sinnvoll. Jedes Prestigeprojekt wie „Green Deal“ ist eigentlich nur Futter für die Presse. Das Wichtigste, was die EU macht, bleibt sich gleich, und die Agrarmittel sind m.W. sogar der Mitentscheidung des Parlaments entzogen. Pandemien wie gegenwärtig lassen es außerdem sinnvoll erscheinen, wenn jede Region mindestens prinzipiell in der Lage ist, sich selbst mit Nahrungsmitteln zu versorgenund nicht permanent auf Einfuhren angewiesen zu sein.
Peter Nemschak
20. Februar 2020 @ 09:00
Man kann EU-Mittel sehr wohl an den nicht-korruptiven Einsatz dieser Mittel binden und entsprechende Kontrollen vorsehen. Dass sich korrupte Staaten offen zur Korruption bekennen werden, erscheint mir unwahrscheinlich. Allein aus Futterneid werden sich die Mitgliedsstaaten diesbezüglich gegenseitig beobachten.
ebo
20. Februar 2020 @ 09:17
Richtig, die Nutzung von EU-Mitteln sollte besser an den Kampf gegen Korruption und Missbrauch geknüpft werden. Der Rechtsstaat ist ein anderes Thema. Wer gegen Rechtsstaat und Dmokratie verstößt, dessen Stimmrecht muß eingedchränkt werden – denn andernfalls gibt es keine Garantie mehr dafür, dass EU-Entscheidungen auf legale und legitime Weise zustande kommen.
Kleopatra
21. Februar 2020 @ 08:42
Die Verfolgung von Korruption etc. einschließlich der Möglichkeit, Fördermittel zurückzufordern, ist bereits institutionalisiert (Stichwort OLAF). Problematisch an der gegenwärtigen Diskussion scheint mir auch die Vermischung mit der Gesamtdiskussion des Haushalts (denn so wird die Frage, wieviel Geld man hineinstecken will, mit der sehr anderen Frage, wie streng man bei Problemen vorgehen will und wie man die entsprechenden Beschlüsse fasst, vermischt). Rechtsstaatsprinzip oder Kampf gegen Korruption sollten doch, wenn alles nach Wunsch geht, überhaupt keine Einsparungen bringen – nur ausgedehnte Verstöße gegen die gewünschten Prinzipien würden für die Nettozahler eine Einsparung ergeben.
ebo
21. Februar 2020 @ 08:47
Richtig, aber OLAF geht nur gegen Einzelfälle vor, und meist viel zu spät. Doch was ist mit Ländern wie Rumänien, Bulgarien und demnächst vielleicht Albanien, wo Korruption zur Tagesordnung gehört? Was mit Politikern wie Orban oder Babis, die beschuldigt werden, sich EU-Gelder in die eigene Tasche zu stecken?
Peter Nemschak
20. Februar 2020 @ 08:27
Das ist normal bei Budgetverhandlungen. Dass das EU-Parlament für die größte Budgetvariante optiert, liegt in der Machtmechanik. Das Parlament als supranationale Institution strebt nach mehr Einfluss. Im Grunde ist es egal, ob 1,02….oder 1,3 %. Entscheidend ist die Prioritätensetzung bei den Ausgaben und, ob die EU in nennenswertem Umfang zusätzliche Eigenmittel erschließen kann, um sich von den Mitgliedsbeiträgen unabhängiger zu machen, weiters, ob die Mitgliedsländer mehr für ihre Verteidigung ausgeben wollen. Deutschland sollte dabei das UK ersetzen, ist aber rüstungsfaul. Derzeit ist die EU unfähig in Syrien und Libyen eine nennenswerte Rolle zu spielen. Es fehlen einfach die militärischen Ressourcen, um eine Flugverbotszone durchzusetzen und auch die Bereitschaft Bodentruppen einzusetzen, um dem Waffenembargo Geltung zu verschaffen. Die NATO ist zerstritten, die EU hat ihr nichts Gleichwertiges entgegenzusetzen. Man könnte die Liste beliebig fortsetzen, um auf den Boden der Realität zurückzukehren. Dennoch sollte man nicht in Pessimismus verfallen.