Austerity blame game

Nur drei Tage nach dem verheerenden EU-Sozialbericht schieben sich die EU-Chefs gegenseitig die Schuld in die Schuhe. Barroso, Juncker und Rehn wollen plötzlich nicht mehr für die Austeritätspolitik zuständig sein. Auch EZB-Chef Draghi weist die Verantwortung für die Misere weit von sich. Alle Blicke richten sich auf Berlin – wird Merkel zur Buhfrau?

Als erster kam Kommissionschef Barroso aus der Deckung. Die EU sei nicht schuld an der Austeritätspolitik, das sei allein Sache der betroffenen Länder, sagte der Portugiese. Als Beweis verwies er auf Großbritannien, das auch harte Kürzungen vornimmt, obwohl es nicht im Euro ist.

Dann schlug EZB-CHef Draghi zu. Trotz der Rezession in Europa sei nicht mit weiteren Zinssenkungen zu rechen, sagte er am Donnerstag in Frankfurt. Die Lage an den Finanzmärkten habe sich entspannt, nun sei wieder die Politik an der Reihe.

Ähnlich äußerte sich Währungskommissar Rehn im „Handelsblatt“. Es sei zwar schlimm, dass es so viele Arbeitslose in Spanien und Griechenland gebe, doch das sei nicht seine Schuld, irgendwann würden die Strukturreformen schon wirken.

Die Herren machen es sich zu leicht

So richtig in Fahrt kam das „Blame game“ aber erst mit Eurogruppenchef Juncker. Bei seiner Abschiedsrede im Europaparlament beschuldigte er Kanzlerin Merkel, wichtige Schritte zur Lösung der Krise verhindert zu haben (siehe „Juncker rechnet mit Merkel ab“).

Ohne Namensnennung nannte er Beispiele für die verfehlte Austeritätspolitik. So habe die Eurogruppe die Spardiktate der Troika zu oft abgenickt, ohne die sozialen Folgen zu bedenken. Den Schwächsten würden die größten Lasten auferlegt, zugleich profitierten einige Länder von der Kapitalflucht aus dem Süden.

Die Eurozone brauche Mindestlöhne, sagte er mit Blick auf die Blockadehaltung in Berlin. Die luxemburgischen Grünen würden gegen den Fiskalpakt stimmen, weil sie ihn für ein „deutsches Diktat“ hielten, warnte Juncker.

Natürlich machen es sich die Herren etwas leicht. Schließlich haben sie alle Beschlüsse mitgetragen und das Sparkorsett gemeinsam immer enger geschnürt. Deutschland agierte nicht allein, sondern mit Unterstützung aus Frankreich (in der Ära Sarkozy), den Niederlanden, Finnland und der EZB.

Der Spar-Konsens in der Troika ist zerbrochen

Doch mittlerweile bahnt sich ein Umdenken an. Der IWF rückt bereits offen vom Sparkurs ab, die EU-Kommission will künftig flexibler sein, und die EZB zieht den Kopf ein. Damit ist der Austeritäts-Konsens in der Troika zerbrochen.

Letztlich wird er nun noch von der Bundesregierung getragen. Die große Frage ist nun, ob Kanzlerin Merkel und Finanzminister Schäuble stur an ihrem verheerenden Kurs festhalten. Dann könnten sie kurz vor der Bundestagswahl auf die europäische Anklagebank geraten.

Aber vielleicht kommt es ja doch noch zu einer Wende, wie ich sie bereits in diesem Blog prognostiziert habe? Wenn es Merkel wahltaktisch nützt, ist bekanntlich nichts auszuschließen…