Außenpolitik: Nun geben die Falken den Ton an
Bisher galten die EU-Außenpolitiker als gutwillige, aber lahme Tauben. Doch nun geben die Falken den Ton an – mit der „Sprache der Macht“ und neuen, weltweiten Sanktionen nach US-Vorbild.
„Wir wollen ein globales Sanktions-Regime aufbauen“, sagte der neue Außenbeauftragte Josep Borrell bei seinem ersten Treffen in Brüssel. Es gehe um ein europäisches Pendant zum „Magnitsky-Act“, den die USA bereits 2012 gegen Russland erlassen haben.
Der Auswärtige Dienst der EU wurde beauftragt, entsprechende Sanktionen auszuarbeiten. Im Mittelpunkt sollen Reiseverbote und das Einfrieren von Vermögen stehen. Damit will die Union künftig Politiker in aller Welt bestrafen, die sich gravierender Menschenrechtsverletzungen schuldig machen. Details nannte Borrell nicht.
Die EU diskutiert bereits seit Jahren über einen eigenen „Magnitsky-Act“. Dass er jetzt – kurz nach dem Start der neuen EU-Kommission – auf den Weg gebracht wird, ist kein Zufall. Denn sowohl Borrell als auch EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen haben sich für eine härtere Gangart in der Außenpolitik ausgesprochen.
„Wir müssen häufiger die Sprache der Macht sprechen – nicht um zu erobern, aber um einen Beitrag zu einer friedlicheren, wohlhabenderen und gerechteren Welt zu leisten“, hieß es in der Einladung zum Außenminister-Treffen am Montag. Gastgeber Borrell, ein spanischer Sozialist, griff damit eine Formulierung der deutschen CDU-Politikerin auf.
Von der Leyen hatte bereits in einer Rede zum 30. Jahrestag des Mauerfalls in Berlin gefordert, die EU müsse „die Sprache der Macht“ lernen und entschiedener gegen China oder Russland auftreten. Zudem hat sie eine „geopolitische Kommission“ angekündigt, in der Borrell als Vizepräsident eine zentrale Rolle spielen soll.
Bisher hat die EU in der Außenpolitik eine betont diplomatische und ausgleichende Rolle eingenommen. 2012 war sie dafür sogar mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden. Das norwegische Nobelkomitee würdigte damals den „erfolgreichen Kampf“ der EU-Politiker für Frieden, Versöhnung, Demokratie und Menschenrechte.
Doch nun sei eine neue Ära angebrochen, schrieb Borrell in seinem Brief an die EU-Außenminister. Die Welt erlebe die Wiedergeburt des geostrategischen Wettbewerbs, in dem sich vor allem China, Russland und die USA in einem großen Machtspiel gegenüberstünden.
Die EU habe nun die Wahl, ob sie Spieler oder lieber Spielfeld sein wolle, so Borrell. Die entscheidende Frage – welches Spiel hier eigentlich gespielt wird – stellte er nicht. Ist es das alte Spiel USA gegen Russland, sollen die Europäer eingespannt werden oder bestimmen sie selbst die Regeln?
Das würde ich schon gerne wissen. Vor allem, wenn es um „humanitäre“ Strafmaßnahmen geht. Zuletzt waren nämlich Zweifel an der Geschichte aufgekommen, auf der der „Magnitsky-Act“ und die amerikanischen Russland-Sanktionen beruhen…
Siehe auch „Die Sprache der Macht“ und „Die Friedensunion rüstet auf (ohne die Wähler zu fragen)“
Watchlist
Wird die Welthandelsorganisation WTO zur „Lame duck“? Eine ihrer wichtigsten Instanzen, die Streitschlichtung, droht auszufallen, weil die USA sich weigern, die WTO-Richter neu zu besetzen. Um Urteile fällen zu können, benötigt das WTO-Gericht mindestens drei Richter. Die Amtszeit von zwei der drei verbliebenen Richter endet aber am Dienstag. Die USA blockieren seit über zwei Jahren die Ernennung von neuem Personal. Die EU wirkt hilflos…
Was fehlt
- Europa startet Aufholjagd bei E-Auto-Batterien: EU-Kommission genehmigt Milliarden-Beihilfen – Handelsblatt
- Sanna Marin: Das ist die neue Hoffnung der finnischen Sozialdemokraten – Süddeutsche
- UK government to skip EU summit – Politico
- Mordfall Daphne Caruana Galizia: Aktivisten stürmen Amtssitz von Premier Muscat – SPON
- Luxembourg pushes EU to recognise Palestine – EU Observer
- EU-Asylbehörde beschattete Flüchtende in sozialen Medien – Netzpolitik
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margarete52
11. Dezember 2019 @ 13:05
„Wir wollen ein globales Sanktions-Regime aufbauen“
Na dann, herzlichen Glückwunsch zu diesem Plan, der aus dem Anfang des vorigen Jahrtausend zu stammen scheint. Inzwischen weiß jedes Kind, außer unseren gewählten Politclows, dass man mit Strafen nichts erreicht, außer Zwietracht. Woraus sich dann Krieg entwickeln kann, wenn man nicht doch noch rechtzeitig wieder die Sprache der Diplomatie entdeckt. So wie von unserem damaligen Kanzler Willi Brand praktiziert. Der würde, wenn er das heutige Elend mit bekommen würde, im Grab rotieren.
„Damit will die Union künftig Politiker in aller Welt bestrafen, die sich gravierender Menschenrechtsverletzungen schuldig machen.“
Das trifft nach Ansicht unserer neoliberalen Politchargen vorzugsweise auf sozialistische und/oder sozial ausgewogene Politiker zu. Oder aber auf Politiker die sich weigern ihre Länder vom „guten Westen“ mit seinen „westlichen Werten“ ausbeuten zu lassen. Denn der „gute Westen“ ist „legitimer Eigentümer“ und damit Nutznießer sämtlicher Bodenschätze unserer noch bewohnbaren Erde. Wenn nun „böse“ Regierungen sich weigern, die Bodenschätze die sich zufällig auf ihrem Territorium befinden, vom „guten Westen“ ausbeuten zu lassen, dann müssen sie bestraft werden. Oder aber man bedient sich des bei den USA besonders beliebten regime change. Unter Menschenrechtsverletzungen versteht der „gute Westen“ vorzugsweise Ausbeutungsverhinderung.
„Ursula von der Leyen hat sich für eine härtere Gangart in der Außenpolitik ausgesprochen“
Die Kriegsministerin der EU will anscheinend unbedingt dass von Deutschland wieder Krieg ausgeht. Unterstützt wird sie dabei tatkräftig von der neuen Kriegsministerin unserer gewählten Regierungspartei CDU, Frau Kramp-Karrenbauer. Die Frauen in der CDU scheinen sich durch besondere kriegsgeilheit auszuzeichnen.
„2012 war die EU mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden“
Kann man den widerrufen? Wäre sinnvoll, denn heute ist die EU alles andere als friedlich und diplomatisch.
„Die EU habe nun die Wahl, ob sie Spieler oder lieber Spielfeld sein wolle“
Wir Deutschen haben diese Wahl nicht wirklich. Denn wenn die EU mit der „Wiedergeburt des geostrategischen Wettbewerbs“ einen bewaffneten Konflikt vom Zaun bricht, dann sind wir hier in Deutschland nicht die Spieler sondern das Spielfeld. Zum Glück wird das dann nicht sehr lange dauern, denn einer der Mitspieler wird bestimmt auf den roten Knopf drücken. Ich wette, das werden die USA sein, da die weit genug vom Geschehen entfernt sind. War damals auch schon so…
Holly01
10. Dezember 2019 @ 13:26
Sanktionen sollen Schaden, wenn man sich selbes „Feinde“ ausruft und aus reiner Verzweiflung, aus Mangel an Gegner den „war on terror“ in die Welt bringt, dann muss keiner ernsthaft nach Begründungen gucken.
Die Briten gelten auch nur als glaubhaft, weil die Bundesregierung „Vertrauen“ hat.
Und wer könnte den USA oder den Briten schon misstrauen, das sind die Guten …
vlg
Adi Golbach
10. Dezember 2019 @ 10:59
>>Zuletzt waren nämlich Zweifel an der Geschichte aufgekommen, auf der der “Magnitsky-Act” und die amerikanischen Russland-Sanktionen beruhen…https://www.heise.de/tp/features/Aufklaerung-ueber-den-Magnitski-Fall-4080217.html.
Pjotr56
10. Dezember 2019 @ 10:06
Borell ist mit Sicherheit kein Sozialist, sondern eher einer, der sich auf dem Ticket „Sozialist“ die Taschen voll macht.
Echte Sozialisten praktizieren diplomatische Praktiken mit dem Ziel von Frieden und Völkerverständigung.
Zu den Rußland – Sanktionen:
„Ökonomen haben berechnet, wie viel Handel aufgrund der Sanktionen gegen Russland verloren geht und wie sich der Schaden verteilt. Am schlimmsten sind die Finanzsanktionen der USA. Russland und Deutschland tragen die Hauptlast. Die USA selbst sind kaum betroffen. … .“
Weiter:
http://norberthaering.de/de/2-uncategorised/1207-russland-sanktionen
Peter Nemschak
10. Dezember 2019 @ 08:44
Die EU gerät bei ihrem Versuch sich von der Juniorrolle hinter den USA zu lösen in die außenpolitische Pubertät, während manche in den USA bereits für eine realistische, was heißen soll zurückhaltende Außenpolitik plädieren. Sie sollte sich sinnvollerweise auf ihre Interessen konzentrieren statt ihre Werte kreuzzugsartig dem Rest der Welt aufzudrängen wie es die USA jahrzehntelang erfolglos getan und damit mehr Schaden als Nutzen für die Welt gestiftet haben. Die Menschenrechte sind nicht universell und absolut. Unterschiedliche Kulturen und Staaten haben jeweils unterschiedliche Vorstellungen von ihnen. Auch in der EU gibt es unterschiedliche Interpretationen, die im Konflikt mit dem real Möglichen stehen. Das Ringen um eine gemeinsame Migrations- und Asylpolitik ist sichtbares Zeichen dafür. In den USA haben die beiden Milliardäre Soros und Koch, der eine liberal, der andere erzkonservativ, gemeinsam den Think Tank Quincy Institute for Responsible Statecraft gegründet: „Nearly two hundred years ago, John Quincy Adams, while serving as U.S. Secretary of State, cautioned against the temptation of going abroad “in search of monsters to destroy.” Doing so, he foresaw, would mire the United States “beyond the point of extrication” in needless wars, thereby putting American liberty itself at risk.“ http://www.quincyinst.org. Die EU ist nach wie vor auf der Suche nach ihrer politischene Identität und dabei Fehler zu wiederholen, die andere vor ihr gemacht haben.