Außenminister setzen auf Abschottung
Die EU will nach dem Libyen-Gipfel in Berlin nicht selbst für die Befriedung des Landes sorgen. Das sei Aufgabe der Uno, hieß es bei einem Außenminister-Treffen. Viel lieber kümmert man sich um die Abschottung vor Boots-Flüchtlingen.
Die Europäische Union will vorerst keine Soldaten nach Libyen schicken, denkt aber über eine Wiederbelebung der Marinemission „Sophia“ vor der libyschen Küste nach.
Dies sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell beim Treffen der Außenminister in Brüssel. Er griff damit einen Vorschlag von Außenminister Heiko Maas auf.
Schon kurz nach dem Libyen-Gipfel hatte Maas gefordert, „Sophia“ zu reaktivieren. Der EU-Einsatz war 2019 auf Druck des damaligen, rechtsradikalen italienischen Innenministers Matteo Salvini eingestellt worden.
Allerdings dient „Sophia“ nicht vorrangig der Seenotrettung. Vielmehr geht es darum, den Waffenhandel zu unterbinden und Schleusern das Handwerk zu legen – um die Zahl der Boat People zu verringern.
Dieses Ziel verfolgt auch die libysche Küstenwache. Sie wird von der EU unterstützt, steht jedoch in der Kritik, weil sie Flüchtlinge zurück in lebensgefährliche libysche Lager bringt.
Mit einer neuen europäischen Marinemission könnten Flüchtlinge wieder auf sicherem Weg nach Europa kommen. Allerdings ist die Verteilung der Migranten auf die EU-Länder weiter umstritten.
Ein Vorstoß von Bundesinnenminister Horst Seehofer ist im Herbst im Sande verlaufen. Die neue EU-Kommission hat zwar neue Initiativen versprochen, bisher aber nicht geliefert.
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Italiens Außenminister Luigi Di Maio forderte nun, die EU solle sich künftig auf die Waffenkontrolle konzentrieren. Auf dieses Ziel solle auch eine mögliche neue „Sophia“-Mission zugeschnitten werden.
Wenn sich Di Maio durchsetzt, dann wird “Sophia” keine Menschen in Seenot retten, nicht einmal gelegentlich. Im Vordergrund stünde dann die Abschottung der Seegrenze zu Italien, über die viele Flüchtlinge nach Europa kommen.
Libyen wäre damit kaum geholfen. Aber wundert das noch jemanden? Schließlich verfolgte ja auch Kanzlerin Merkel mit ihrem Libyen-Gipfel nicht zuletzt das Ziel, eine neue Flüchtlingswelle aus Nordafrika zu verhindern…
Siehe auch “Libyen: Von einem Durchbruch spricht nur Berlin”
Watchlist
Wie teuer wird der “European Green Deal”, und müssen dafür die strikten EU-Defizitregeln gelockert werden, wie es Wirtschaftskommissar Gentiloni erwägt? Darüber sprechen die EU-Finanzminister am Dienstag in Brüssel. Außerdem geht es um die Digitalsteuer, die Bundesfinanzminister Olaf Scholz 2018 blockiert hat. wie es dazu kam, hat “Netzpolitik” recherchiert, mehr dazu hier
Was fehlt
- Verkehrspolitik “Wie Klassenfahrt”: EU-Abgeordnete im ersten Nachtzug nach Brüssel – Kurier
- Außenpolitik Iran says it will quit global nuclear treaty if case goes to U.N. – Reuters
- Handelspolitik Belgian region threatens to block EU-Mercosur trade deal – EU Observer
- Brexit EU threatens fines or trade sanctions if UK reneges on Brexit deal – Politico
- Katalonien Separatistenführer Oriol Junqueras klagt gegen EU-Parlament – Spiegel
Peter Nemschak
21. Januar 2020 @ 15:33
Bei der Befriedung Libyens wäre eine enge Zusammenarbeit mit der Afrikanischen Union (AU) und der Arabischen Liga geboten, welche militärisch die Hauptlast tragen müssten, da europäische Soldaten in Afrika aus historischen Gründen nicht gerne gesehen werden. Eine politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der AU hätte langfristig für die EU die Perspektive, die europäische Wirtschaftsunion auszudehnen und damit Einfluss auf einen stark wachsenden Raum zu gewinnen. Interessant unter der besagten Resolution 1973: Recalling the condemnation by the League of Arab States, the African Union,
and the Secretary General of the Organization of the Islamic Conference of the
serious violations of human rights and international humanitarian law that have been
and are being committed in the Libyan Arab Jamahiriya, ” sowie “Recognizes the important role of the League of Arab States in matters
relating to the maintenance of international peace and security in the region, and
bearing in mind Chapter VIII of the Charter of the United Nations, requests the
Member States of the League of Arab States to cooperate with other Member States
in the implementation of paragraph 4;
ebo
21. Januar 2020 @ 23:08
Das höre ich in Brüssel auch immer wieder. Allein, mir fehlt der Glaube. Was hat die EU, was die AU bisher in Libyen geleistet? Der Gipfel in Berlin war auch keine EU-Veranstaltung. Und es war nicht einmal das AU-Mitglied Tunesien eingeladen…
Peter Nemschak
21. Januar 2020 @ 10:37
Die Resolution 1973 des UNSC wurde am 17.3. 2011 mit 10 Pro und ohne Gegenstimme bei 5 Enthaltungen angenommen und war die Grundlage für das militärische Eingreifen von NATO/EU unter dem von der Weltgemeinschaft anerkannten aber umstrittenen Konzept Responsibility to Protect, das schließlich zum Sturz von Quadafi führte. Deutschland, das sich der Stimme enthielt, begrüßte die Intervention als sie bereits lief. Russland, China, Indien und Brasilien enthielten sich der Stimme. Kaum dass die militärische Aktion angelaufen war, wurde sie bereits von Russland und China als Überschreitung des Mandats des UNSC als Eingriff des Westens in die Souveränität Libyens kritisiert.
Peter Nemschak
21. Januar 2020 @ 07:38
Die EU ist ein gebranntes Kind seit der Resolution 1973 des UNSC. Die 5 Enthaltungen, darunter die Vetomächte Russland und China, sind der NATO/EU rasch auf den Kopf gefallen. Die Abschottung von unkontrollierter Migration liegt im Interesse der europäischen Bürger. Da helfen auch diverse Flüchtlingskonventionen nicht weiter. Sie gehören längst modifiziert und an die heutigen Erfordernisse angepasst. Diese heißen: nur so viel Asyl anbieten als wir verdauen können und wollen, wobei die Kriterien Arbeitsmarkt, Wohnungsmarkt und Bildungskapazitäten die entscheidende Rolle spielen. Mit Humanitätsheuchelei kommen wir nicht weiter und überlassen anderen, die ihre Interessen verfolgen, das Feld.
ebo
21. Januar 2020 @ 10:00
1973 gab es weder die EU noch eine gemeinsame Aussenpolitik