Aufstand gegen Uschi – Angst vor Wettrüsten

Politik kann so gemein sein: Nachdem Manfred Weber keine Mehrheit hinbekommen hat, muß jetzt auch Kanzlerin Merkels zweite Wahl für Brüssel, Ursula von der Leyen, zittern. Und alleine sehen, wie sie den drohenden Aufstand abwendet.

Es sollte der große Tag der europäischen Demokratie werden. Etwas mehr als einen Monat nach der Europawahl wählte das frisch konstituierte Europaparlament am Mittwoch in Straßburg seinen neuen Präsidenten.

Der italienische Sozialdemokrat David-Maria Sassoli wird das Abgeordnetenhaus für die nächsten zwei Jahre führen. Die deutsche Grüne Ska Keller, die als erste die Hand gehoben hatte, konnte sich nicht durchsetzen.

Doch die Wahl stand im Schatten einer ganz anderen Entscheidung, die am Vortag in Brüsseler Hinterzimmern gefallen war: Die deutsche CDU-Politikerin Ursula Von der Leyen soll nach dem Willen der Staats- und Regierungschefs zur nächsten EU-Kommissionschefin aufsteigen.

Und das Europaparlament soll diesen Vorschlag absegnen. Schon in zwei Wochen soll es so weit sein. Dann wählt das Parlament die nächste Kommissionsspitze.

Während der Europawahl hatten die Abgeordneten versprochen, dass dafür nur ein Spitzenkandidat infrage käme – was auch immer das ist (bis heute gibt es keine schlüssige Definition, die Grünen hatten zwei!)

Von der Leyen hat allerdings nicht einmal am Wahlkampf teilgenommen. Ihre Kandidatur wurde erst am Dienstag verkündet – von Kanzlerin Angela Merkel und den anderen 27 EU-Chefs.

Das führt zu Frust – und Widerstand. Manche träumen sogar von einem Aufstand. Doch wird es das Europaparlament tatsächlich wagen, VdL abzulehnen und so in einen Machtkampf mit den Regierungschefs einzusteigen?

Merkels einstiger Günstling Manfred Weber ist schon eingeknickt. Er ziehe seine Kandidatur zurück und beuge sich der Meinung seiner Partei, erklärte der gescheiterte Spitzenkandidat bereits am Dienstagabend in Straßburg.

Damit dürfte die konservative Europäische Volkspartei (EVP), der auch CDU und CSU angehören, dem Deal zustimmen, wenn auch zähneknirschend.

Um die letzten Widerstände bei ihren Parteifreunden zu überwinden, reiste Von der Leyen am Mittwoch nach Straßburg, wo sie sich am Nachmittag mit der EVP und den deutschen Europaabgeordneten traf.

Am Donnerstag ist sie in Brüssel, wo sie mit Kommissionschef Juncker und Ratspräsident Tusk spricht. In der kommenden Woche will die CDU-Politikerin auch mit den Grünen sprechen.  

Der härteste Brocken dürften aber die Sozialdemokraten sein. Sie drohen weiter damit, mit Nein zu stimmen. „Für die Europa-SPD ist klar: Frau von der Leyen bekommt unsere Stimmen für ihre Wahl als Präsidentin der Kommission nicht“, erklärte SPD-Mann Jens Geier am Mittwoch nach der Wahl des neuen Parlamentspräsidenten.

Die Genossen streben nun eine „progressive Allianz“ an, die die Pläne der Kanzlerin durchkreuzen soll. Ein solches Bündnis hatten die Sozialdemokraten allerdings auch schon nach der Europawahl angekündigt. Es ist bisher nicht zustande gekommen…

Watchlist

  • Zerbricht die Große Koalition über den Coup mit Uschi? Diese Frage hält Berlin in Atem, nachdem Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte, die Nominierung Von der Leyens sei ein möglicher Grund zum Verlassen der GroKo. In der Tat hätte die SPD Grund genug – schließlich hat Merkel nicht nur die Absprache zu den Spitzenkandidaten gebrochen, sondern auch den Koalitionsvertrag: „Aufbruch für Europa“ und so…
  • Kommt es zu einem neuen nuklearen Wettrüsten? Am Mittwoch hat Russland den Vertrag zum Verbot von atomaren Mittelstreckenwaffen offiziell ausgesetzt. Präsident Putin hat angekündigt, Russland werde nicht als erstes Land wieder Mittelstreckenwaffen aufstellen, warnte die USA aber, ihrerseits damit zu beginnen.

Was fehlt

  • Das Ende des Defizitverfahrens gegen Italien. Wie in diesem Blog schon vor einer Woche vorhergesagt, hat die EU-Kommission auf das bereits zweimal angekündigte Strafverfahren verzichtet. Zuvor hatte die Regierung in Rom ihren Budgetentwurf korrigiert, um das Defizit zu begrenzen. Unklar ist, wer sich durchgesetzt hat und ob die ökonomische Vernunft obsiegt. Die würde gebieten, etwas fürs Wachstum zu tun!
  • Der Jubel der Waffennarren über die Nominierung Von der Leyens. Nach der Bundeswehr darf sie nun auch die EU aufrüsten, was die Rüstungsindustrie, aber auch die Nato beglückt. Dabei kann VdL an ein Programm anknüpfen, das Brüssel noch kurz vor der Europawahl durchgedrückt hat. Mehr dazu hier.