Aufgelesen: Wie Russland die Ukraine-Krise sieht
Folgt man westlichen Medien, so herrscht in Russland helle Freude über die US-Ukraine-Krise. Präsident Trump sei auf die Linie von Kremlchef Putin eingeschwenkt. In Moskau sehen das nicht alle so.
Russlands führender Experte für Außenpolitik, Dmitri Trenin, wurde in der Talkshow „Recht auf Wissen“ („Pravo Znat“) interviewt. Es ging um den Krieg in der Ukraine, die Beziehungen zu den USA und die neue Weltordnung. A. Sitenko faßt auf X zusammen:
Über den Krieg in der Ukraine: Russland hat das verstärkt, was schon immer Hand in Hand mit seiner speziellen militärischen Operation gegangen ist – eine spezielle diplomatische Operation. Russlands Ziel ist es, zu verhindern, dass die Ukraine nach dem Krieg wieder zu einer Sicherheitsbedrohung für 🇷🇺 wird. Dies sollte Moskaus Schritte bestimmen. Die Frage der Mitgliedschaft der Ukraine in der NATO war die Ursache des bewaffneten Konflikts. Was Trump bisher demonstriert, ist diplomatische Improvisation ohne klaren Plan. Das Zerwürfnis zwischen den USA und Europa ist kein klarer Vorteil für Russland, denn Europa arbeitet jetzt noch intensiver daran, ein Abkommen zu verhindern, das Russland begünstigen könnte. Europa will nicht, dass der Krieg endet, denn die Konsolidierung der Macht der europäischen Bürokratie beruht auf einer antirussischen Haltung in einer Kriegssituation. Die Ergebnisse der jüngsten Abstimmung in der UN-Vollversammlung verbessern die Position Russlands nicht, tragen aber dazu bei, seine spezielle diplomatische Operation voranzutreiben.
Zu den Beziehungen zu den USA: Die Verbesserung der Beziehungen zu den USA ist höchstwahrscheinlich nur vorübergehend (die Position der USA kann sich sehr schnell ändern), aber er wünscht sich, dass sie langfristig ist. Im Moment bringt uns die neue positive Dynamik ein paar Schritte weg vom Rand des Abgrunds (direkter Zusammenstoß zwischen Russland und dem Westen), dem wir im Herbst 2024 sehr nahe gekommen sind.
Zur Multipolarität: Die USA haben bereits eine multipolare Welt anerkannt. Der einzige Akteur, der sie nicht anerkennt, ist die EU. Die multipolare Welt ist eine Welt der Rivalität zwischen Großmächten – den USA, Russland und China, mit Indien auf dem Weg dorthin (diese Sichtweise widerspricht den Erklärungen auf den BRICS-Gipfeln). Wir sind jetzt von einem Kampf um eine multipolare Welt zu einem Kampf innerhalb einer multipolaren Welt übergegangen. Die Länder werden miteinander kooperieren, aber die Zusammenarbeit wird ein Produkt der Rivalität sein. Die gesamte Geschichte der Menschheit seit der Aufteilung der Menschheit in Nationen beweist dies.
Zu China: Es wird keine chinesische Hegemonie in der Welt geben. Chinas außenpolitische Doktrin zielt nicht darauf ab, die ganze Welt zu beherrschen. In dieser Hinsicht unterscheidet sich Chinas Ansatz stark von dem des Westens. Es wird keinen russisch-amerikanischen Block gegen China geben. Das käme für Russland einem Selbstmord gleich. Es gibt und wird Probleme in den Beziehungen zwischen Russland und China geben, aber sie werden alle auf diplomatischem Wege gelöst werden.
Aus dem Englischen übersetzt mit DeepL.com
Helmut Höft
4. März 2025 @ 17:14
“Die Russen” sehen das klar: “What Trump is demonstrating so far is diplomatic improvisation, with no clear plan.”
Und:
“Europa will nicht, dass der Krieg endet, denn die Konsolidierung der Macht der europäischen Bürokratie beruht auf einer antirussischen Haltung in einer Kriegssituation.” Wir wollen Stalingrad wieder haben!!
Michael
4. März 2025 @ 08:04
Aus Moskau zu vernehmen: die EU ist uneinig in sich selbst und betreibt wg. Ukrainekonflikt mehrheitlich eine anti-Trump Politik, auch mehrheitlich gegen die globale Mehrheit von BRICS+ und Globalem Süden gerichtet! Überraschend! Klingt als wäre das westliche Europa größtenteils eine ideologischen Massenpsychose zum Opfer gefallen welche jetzt ganz konkret deren Politik scheitern lässt! Erstaunlich!
Guido B.
3. März 2025 @ 17:42
Wo Trenin/Sitenko recht hat: EUropa braucht das Feindbild Russland, um die europäische Rüstungsindustrie mit Milliarden zuzuscheißen in der Gewissheit, damit die Konjunktur zu stimulieren. Natürlich braucht es für die Materialtransporte an die Ostfront auch eine robuste Infrastruktur, was dem (schuldenfinanzierten) BIP-Wachstum ebenfalls zuträglich ist. Der Worst Case für Rheinmetall & Co. wäre jetzt, wenn Trump EUropa einen Frieden mit Russland aufzwingen würde. Gott bewahre! So weit kommts noch, dass uns die autokratischen Amis das Kriegsgeschäft versauen! Die Russen sind ja sowieso schon mitten in der Agonie. Wenn die Große Bewaffnung vorbei ist, ist der Feind ruiniert und gut ist!
Skyjumper
3. März 2025 @ 19:22
Vielleicht interpretiere ich den Satz folgenden Satz nur deshalb so weil es meiner Erwartung entspricht, aber:
„ Europa will nicht, dass der Krieg endet, denn die Konsolidierung der Macht der europäischen Bürokratie beruht auf einer antirussischen Haltung in einer Kriegssituation“
besagt für mich, dass die EU den Krieg als „Mutter aller Krisen“ braucht um die Staatsbildung der EU voranzutreiben. Es werden nahezu zwangsweise im Zuge der Bewaffnung weitere Macht-Kompetenzen nach Brüssel wandern.
Europa mag hinterher vielleicht (wahrscheinlich) eine wirtschaftliche und soziale Trümmerwüste sein – aber Brüssel wird auf jeden Fall mächtiger geworden sein.
KK
3. März 2025 @ 19:30
“EUropa braucht das Feindbild Russland, um die europäische Rüstungsindustrie mit Milliarden zuzuscheißen…”
Ich vermute hierin nur einen Nebeneffekt – tatsächlich geht es mE in erster Linie darum, die sich immer weiter entfernenden Partikularinteressen der 27 Mitgliedsstaaten durch einen gemeinsamen Feind zu überdecken und so den ganzen Haufen überhaupt zusammenzuhalten. Das Beispiel BREXIT könnte sonst Schule machen…
Das UK ist da ein Sonderfall, denn London hat es meiner Vermutung nach besonders in Wirtschaftsfragen dann doch lieber mit einem Ansprechpartner Brüssel zu tun als mit 27 Einzelstaaten alles seperat verhandeln zu müssen… somit wäre ein Zerfall der EU auch nicht wirklich im britischen Interesse. Und zimperlich, was das Führen von Kriegen angeht, war das UK ja sowieso nie – die wären von einer Ostfront zudem ja auch weit weg.