Aufbruch ins Ungefähre – Lenkt Italien ein?

Endlich wieder gute Nachrichten aus Brüssel: „Das ist ein Aufbruch für Europa“, sagte Finanzminister Scholz, nachdem sich die Eurogruppe auf Reformen geeinigt hatte. Doch die kommen erst in ein paar Jahren – wenn überhaupt.

Beispiel Eurobudget: Deutschland und Frankreich haben einen Plan, aber keine Mehrheit. Das letzte Wort hat nun der EU-Gipfel nächste Woche. Wenn der Europäische Rat zustimmt, gehen die Beratungen weiter. Deadline: 2021 – oder auch nie.

Beispiel Europäischer Währungsfonds: Der kommt vielleicht – oder auch nicht. Zwar wird der Euro-Rettungsfonds ESM aufgewertet. Doch er wird nur „eine Art Währungsfonds“ (Scholz). Bei künftigen Krisen will er weiter den IWF beteiligen.

Beispiel Banken-Backstop: Der ESM bekommt eine neue Kreditlinie für notleidende Banken. Die Rede ist von 60 Milliarden Euro, die der „Letztsicherung“ für die Bankenabwicklung dienen sollen. Allerdings soll das erst ab 2024 funktionieren!

Beispiel Einlagensicherung: Die Eurogruppe will eine neue Arbeitsgruppe einsetzen. Deutschland besteht aber darauf, dass auch (italienische) Staatsanleihen als Risikoanlagen gelten. Erst wenn Rom einwilligt, geht es weiter – also wahrscheinlich: nie.

Beispiel Digitalsteuer: Scholz legte in letzter Minute einen abgespeckten Kompromissvorschlag vor, der jedoch keine Mehrheit fand. Er sieht eine Drei-Prozent-Umsatzsteuer vor – aber nur auf Online-Werbeerlöse. Deadline: 2021 – oder nie.

Muss man noch erwähnen, dass Kanzlerin Merkel im Koalitionsvertrag viel mehr versprochen hatte? Der „Aufbruch für Europa“ sollte ein starkes Signal zur Europawahl senden. Jetzt wird er zum Flop – die Wähler müssen weiter auf Reformen warten…

Siehe auch meine Analyse für den Cicero: „Macrons Eigentor und Schäubles später Sieg“

WATCHLIST:

  • Im September hatte Kommissionschef Juncker eine internationale Rolle für den Euro gefordert. Nun will die EU-Behörde konkrete Pläne vorstellen. Skepsis ist angebracht: Im Streit um die Iran-Sanktionen der USA konnten sich weder die EU noch der Euro durchsetzen – im Gegenteil: Der Dollar triumphiert, EU-Firmen ziehen sich zurück. Damit sich das ändert, müsste Juncker Eurobonds und ein echtes Eurobudget vorschlagen – doch das erlaubt Kanzlerin Merkel nicht…

WAS FEHLT:

  • Die Budgetwende in Italien. Zwar hat Premier Conte angekündigt, einen neuen Entwurf vorzulegen, der sich den EU-Vorgaben von maximal 1,8 Prozent Neuverschuldung annähert. Doch in Brüssel war bis Dienstag Abend nichts angekommen. EU-Kommissar Moscovici fordert „glaubwürdige Zusagen“, im Gegenzug will er sich nicht mehr in die Steuerpolitik einmischen. Dabei hatte er bisher immer gefordert, Rom müsse umstrittene die Rentenreform beibehalten…