Auf Anti-China-Kurs, Eskalation in Nahost – und Rechtsruck geht weiter
Die Watchlist EUropa vom 05. Oktober 2024 – heute mit der Wochenchronik.
Deutsche Hersteller verkaufen 100 Mal so viele Autos in China wie chinesische Produzenten in Deutschland. Dies sagt der Verband der deutschen Automobilindustrie VDA, der es eigentlich wissen müsste. Dennoch wird die Gefahr einer “gelben Autoschwemme” heraufbeschworen.
Die Panikmache wirkt: Am Freitag haben die EU-Staaten grünes Licht für die Einführung von Strafzöllen gegen E-Autos made in China gegeben. Eine Mehrheit dafür gab es zwar nicht, aber auch keine dagegen. Deshalb kann Kommissionschefin von der Leyen nun ihren Anti-China-Kurs durchziehen.
Offiziell geht es nur darum, unfaire Subventionen für chinesische Produzenten auszugleichen. Doch die deutsche und europäische Autoindustrie wird auch subventioniert. Für die Batteriezellenfabrik von Northvolt hat die EU-Kommission deutsche Subventionen in Höhe von 900 Millionen Euro gebilligt.
Es geht um Geopolitik, nicht um Handel
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In Wahrheit folgt von der Leyen dem Anti-China-Kurs der USA. Es geht ihr um Geopolitik, nicht um einen fairen Handel. Sonst hätte man ja die dafür zuständige WTO anrufen können. Erst kam die “Derisking”-Strategie zur Verringerung von Abhängigkeiten, nun zündet VDL die zweite Stufe.
Das Bittere ist, dass die EU damit an dem Ast sägt, auf dem sie selbst sitzt. Der größte Teil des Warenhandels erfolgt mittlerweile mit den BRICS-Staaten, der wichtigste ist China. Zudem schadet sie der Autoindustrie, die gegen die Strafzölle war und z.T. selbst von den Aufschlägen betroffen ist!
Dabei hatte von der Leyen eine aktive europäische Industriepolitik versprochen. Doch nun wird alles der Geopolitik und den transatlantischen Seilschaften untergeordnet. Die Strafzölle sollen im November in Kraft treten, rechtzeitig zur US-Präsidentschaftswahl. Was für ein Zufall…
Mehr dazu hier. Siehe auch mein großes taz-Interview mit dem Chef des Handelsausschusses im EU-Parlament “Die USA haben eine China-Phobie”
Was war noch? Der Rechtsruck in EUropa geht weiter. Bei der Wahl in Österreich ist die rechtsradikale FPÖ auf Platz eins gekommen. Sie fordert eine “Festung Österreich” und “Remigration” und könnte eine Regierung mit der konservativen ÖVP bilden – denn in Wien gibt es keine “Brandmauer”.
Die Eskalation in Nahost geht auch weiter. Nach einem angeblich “begrenzten” Einmarsch im Libanon hat Israel große Teile von Beirut in Schutt und Asche gelegt und Hisbollah-Führer Nasrallah mit 80 Bomben eliminiert, obwohl – oder weil – er sich für eine Waffenruhe ausgesprochen hatte.
Darauf antwortet Iran mit Luftschlägen, die u.a. einen israelischen Militärflughafen trafen. Damit soll es gut sein, heißt es in Teheran. Doch nun bereitet Israel – mit den USA – die nächste Vergeltung vor. Wenn iranische Ölhafen angegriffen werden, könnte eine neue Ölkrise drohen…
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european
6. Oktober 2024 @ 21:35
Das Beste kommt wohl noch. Jetzt packt sie die Peitsche aus,
https://www.politico.eu/article/european-commission-budget-economic-reforms-conditions-power-grab/
“Some 530 programs currently in place for each EU country will be lumped into a single national cash pot, which will determine spending in sectors ranging from farm subsidies to social housing, according to the text.
The document states that countries will have to address the gender gap to receive money for social housing or promote organic farming to access agricultural funding ― a move that is likely to stir dissent among farmers who rely on EU subsidies.”
Erst Gender Gap, dann Geld für Sozialwohnungen? Ernsthaft?
Aber der Bericht kommt auch gleich zum Kern des Problems:
“The Commission document signals that Ukraine’s accession to the EU and the gradual repayment of more than €300 billion of post-Covid debt might push the next budget beyond the current threshold.”
Sehr schön auch dies hier: “You could expect this [internal document] to come from a think tank; not from the European Commission,” said an EU official who, like others, was granted anonymity to speak freely about private discussions.”
Man sollte die Beraterkosten checken. Vermutlich gehen die gerade durch die Decke. Auf ihrem Mist ist das bestimmt nicht gewachsen. 😉
130 Regionen haben schon Einspruch erhoben.
ebo
6. Oktober 2024 @ 22:28
Das ist ein Versuchsballon. Von der Leyen kann das nicht allein entscheiden.
KK
7. Oktober 2024 @ 00:15
„Man sollte die Beraterkosten checken.“
Vor allem sollte man die Gehaltslisten der Beraterfirmen hinsichtlich familiärer Bindungen zur Familie der Kommissionspräsidentin checken – waren damals im Verteidigungshaushalt nicht Beraterfirmen recht großzügig bedacht, in denen Erbgut der Ministerin beschäftigt war, oder erinnere ich das falsch?
Helmut Höft
6. Oktober 2024 @ 20:50
https://de.wikipedia.org/wiki/Godwin%E2%80%99s_law Das neue Godwin-Gesetz: Kritik an Israel bzw. der Politik der dort tätigen Politniks = Antisemitismus!
Jede Kritik an Israel ist Antisemitismus, sind dann die in Israel protestierenden Bürger ebenfalls Antisemiten? Das ist Absicht so …so ist keine Politik möglich … die Politik verunmöglicht Politik und alle anderen schauen zu??!! mC
european
6. Oktober 2024 @ 10:32
Bezüglich China ist immer aufschlussreich, die Business-Seite China-Briefing zu lesen.
Zum einen liest man dort einen sehr interessanten Artikel über die Intensivierung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen China und Griechenland, die seit der teilweisen Eigentümerschaft des Hafens von Piräus nach der Finanzkrise kontinuierlich ausgebaut wird mit zunehmenden Exportmöglichkeiten für griechische Produkte und Ausbau des Tourismus.
https://www.china-briefing.com/news/china-greece-economic-relations-trade-and-investment-highlights/
Weiterhin findet sich dort ein Artikel über die Beziehungen zwischen China und der EU nach der Wahl, die man seitens China sehr kritisch betrachtet und sogar vorsorglich die Exportzahlen von chinesischen Elektroautos freiwillig reduziert hat. Interessant aber ist im weiteren, wie einzelne EU-Länder individuell ihre Beziehungen mit China weiter ausbauen, sprich man geht an der EU-Autorität ganz einfach vorbei. Von Irland ist schon länger bekannt, dass die Beziehungen ausgebaut wurden bis hin zu Visafreiheit. Aber hier liest man auch von vielen anderen Ländern, Spanien, Norwegen, Finnland, Italien und andere.
https://www.china-briefing.com/news/eu-china-relations-after-the-2024-european-elections-a-timeline/
Die Behörde EU untergräbt ihre eigene Relevanz, was im Augenblick schon fast wie eine gute Nachricht erscheint. Man kann nicht einerseits wieder Austerität verhängen, Staaten in den Investitionen strangulieren, und gleichzeitig den Handel einschränken. Wo soll es denn herkommen? Man erreicht eben nur, dass die einzelnen Länder sich neue Möglichkeiten jenseits des Blocks selber suchen (müssen).
Das System Vonderleyen delegitimiert sich selbst. Nicht so spektakulär wie beim Brexit, aber die Länder entdecken ihre souveräne Handlungsweise neu.
KK
6. Oktober 2024 @ 13:01
„Man kann nicht einerseits wieder Austerität verhängen, Staaten in den Investitionen strangulieren…“
…und gleichzeitig das Nichtmitglied (!) Ukraine mit immer noch mehr Milliarden vollpumpen!
Kleopatra
5. Oktober 2024 @ 16:24
Sind die Interessen der deutschen und der „europäischen“ Autoindustrie wirklich gleichlaufend, wie Sie darstellen, oder unterscheiden sie sich möglicherweise deutlich? Gibt es überhaupt eine „europäische Autoindustrie“ mit ungefähr einheitlicher Interessenlage? Was sagt etwa die französische zu den Zöllen?
KK
5. Oktober 2024 @ 17:22
Nun, die Interessen gehen ja eigentlich in Richtung Klimarettung und Verbannung der Verbrenner aus dem Strassenbild – wie soll das klappen, wenn man die billig(st)en Elektroautos künstlich massiv verteuert?
ebo
5. Oktober 2024 @ 17:43
Frankreich hat die Zölle gefordert, um die eigene Autoindustrie zu schützen, die auch günstige E-Autos im Angebot hat und in China nicht so stark aufgestellt ist. In Italien sieht es ähnlich aus. Der europäische Industrieverband ACEA hat die Zölle nur “zur Kenntnis” genommen, sich aber weder dafür noch dagegen geäußert – typisch für EU-weite Verbände, die immer nur den kleinsten gemeinsamen Nenner vertreten.
Das Kernproblem ist abe, dass die neue Zölle nicht nur chinesische Exporteure treffen. Deutsche und europäische Hersteller, die aus China heraus in die EU exportieren, werden sogar mit höheren Zöllen belastet als einzelne Wettbewerber aus China und den USA. Für Tesla hat die EU-Kommission den Zusatzzoll auf dessen Elektroauto-Importe aus China sogar extra auf 9 Prozent gesenkt. Zufall?
KK
5. Oktober 2024 @ 18:51
Naja, “günstig” sind auch die französischen und italienischen reinen E-Autos nicht, die sind nämlich in erster Linie klein und haben vergleichsweise wenig Reichweite – das sind vorwiegend als Stadt- und Zweitfahrzeuge konzipierte Klein(st)wagen (der Fiat 500e zB mit bei guten Bedingungen maximal 190km Reichweite kostet – laut ADAC – mindestens 30.000€).
Der günstige Dacia Spring wird in China gebaut, Fahrsicherheit und Reichweite am untersten Level; in EUropa montierte E-Autos sind deutlich teurer, aber nicht unbedingt sicherer – und wer Reichweite braucht, zahlt deutlich mehr. Und wie lange so eine Karre hält, bevor das Teuerste – die Batterien – den Geist ganz aufgeben, steht auch in den Sternen. Nach einigen Jahren sollte jedenfalls mit deutlichem Kapazitätsverlust gerechnet werden.
Selbst Milchmädchen können rechnen… und kaufen Verbrenner.
ebo
5. Oktober 2024 @ 19:01
Allerdings habe ich heute gelesen, dass der günstigste VW Golf mittlerweile auch schon 30 TEUR kostet 🙂
Skyjumper
5. Oktober 2024 @ 22:41
Dass der günstigtes VW Golf (als Verbrenner) nun rund 30 K€ kosten soll ist natürlich auch einer aktiven Preispolitik bei VW geschuldet, welche den Kostenabstand zwischen Verbrennern und E-Modellen verringern soll. Ist also zumindest in Teilen wohl künstlich geschaffen.
Was uns hier in Europa bewußt vorenthalten wird sind wirklich preiswerte Modelle. Ich hatte anläßlich der Produktionseinstellung des „Nano“ der indischen Firma Tata gut gestaunt:
Rund 3.500,- € wären fällig gewesen für einen „Nano“ mit sämtlichen Extras und den entsprechenden Anpassungen an eur. Zulassungsanforderungen. Kein Kunststück, Indien halt, dachte ich zunächst – bis ich auf die Zuliefererliste guckt: u.a. Bosch – BASF – ZF Friedrichshafen. Es ginge also durchaus, wenn man denn wollte.
KK
6. Oktober 2024 @ 00:04
Das Problem ist ja, dass sich der Verkauf günstiger Autos generell in EUropa nicht mehr rechnet, weil soviel teurer Schnickschnack zwingend eingebaut werden MUSS. Für das eigentliche Fahrzeug bleibt da nicht mehr viel Luft… der ganze Schnickschnack macht bei einer gehobenen Mittelklasse den Braten nicht fett, bei einem Kleinwagen hingegen sind das Kostentreiber. Als ich vor einigen Jahren (!) mal geschaut hatte, gab es überhaupt nur noch 5 Modelle mit einem Einstiegspreis unter 15 Kilo€, und drei hatten so schlechte Crash-Test-Ergebnisse, dass in dem Vergleich vom Kauf ausdrücklich abgeraten wurde. Der Dacia Spring ist wohl diesbezüglich auch nicht besser.
Das nennt man dann wohl im Falle eines Unfalls „natürliche Auslese“…
Kleopatra
6. Oktober 2024 @ 08:58
Vielen Dank für die Differenzierung. Nach meiner Erinnerung treffen seit vielen Jahren einheitliche EU-Umweltvorschriften die französische Autoindustrie (Schwerpunkt auf erschwinglichen Kleinwagen) und die deutsche (Fokus auf hochpreisigen bzw.Luxusautos) jeweils unterschiedlich, und es hätte mich sehr gewundert, wenn das bei E-Auto anders gewesen wäre. Das bedeutet natürlich, dass letztlich EU-Regelungen Kompromisse zwischen unterschiedlichen Interessen sein müssen und Diskussionen über abstrakte Prinzipien, egal ob Umweltschutz oder Freihandel, irreführend sind.