Auch die EU liegt auf der Intensivstation
Nach dem Debakel in Italien und Spanien versucht die EU, verlorenes Terrain wettzumachen und sich quicklebendig zu präsentieren. Dabei liegt die tief zerstrittene “Union” selbst schon auf der Intensivstation.
Auf den ersten Blick ist alles in bester Ordnung. Jeden Tag kommt Kommissionschefin von der Leyen mit einer neuen Initiaitive in Sachen Coronavirus. Mal organisiert sie offene Grenzen für Saisonarbeiter, mal fordert sie Demokratie trotz Ausnahmezustand. Auch das Europaparlament und der Rat machen in “Business as usual”. Es sind zwar kaum noch EU-Abgeordnete in Brüssel, der letzte “echte” Ministerrat ist schon zwei Wochen her. Doch per Videokonferenz arbeiten die Institutionen weiter.
Alles wird gut, auch in der Krise ist die EU handlungsfähig, soll das signalisieren. Wer Zweifel hat, wird in die Ecke der “professionellen Doomsayer” und Kreml-Freunde gestellt. Einige Europaparlamentarier brandmarken Kritik als “Fake News”.
Egal, wir wagen trotzdem einen kritischen Blick. Was ist die EU? Erst einmal ein großer Binnenmarkt. Der war schon vor dieser Krise geschwächt – durch den Brexit. Nun ist er schwer getroffen – durch die nicht abgestimmten Grenzschließungen, vor allem in Deutschland.
Auch Schengen liegt am Boden, was kleine EU-Staaten wie Luxemburg mitten ins Herz trifft. Die EU-Kommission versucht zwar, wenigstens noch die LKWs fahren zu lassen und die Saisonarbeiter durchzuwinken. Doch sie behandelt nur die Symptome!
Der nächste Kern der EU, die Eurozone, ist von Crash und Kollaps bedroht. Das Einzige, was Brüssel dazu bisher eingefallen ist, ist die Aussetzung des Stabilitätspaktes. Über weitergehende Maßnahmen wie Coronabonds ist ein erbitterter Streit entbrannt, sogar in der EU-Kommission.
Auch die dritte Verteidigungslinie, das EU-Budget, hält nicht mehr lange. Für 2020 ist zwar noch Geld da. Doch es reicht schon nicht mehr, um in der Coronakrise einen Unterschied zu machen. Und die Finanzierung ab 2021 ist heftig umstritten, auch hier droht der Kollaps.
Wenn wir dann noch den Abbau von Demokratie und Rechtsstaat in Ungarn und Polen hinzunehmen und diagnostizieren, dass die EU mangelnde Abwehrkräfte hat – um es milde zu sagen – ist doch wohl klar, dass die Lage verdammt ernst ist, oder?
Nein, immer noch nicht? Na, dann schauen wir doch mal auf die Außenpolitik und die “geopolitische Kommisison”. Ohne die USA, die sich in dieser Krise wie ein Gegner verhalten, kriegt die EU offenbar gar nichts gebacken. Und das gilt nicht nur für Irak, Iran oder Syrien.
Italien, Spanien, Serbien und andere EU-Länder rufen lieber China, Russland und Kuba zu Hilfe, als sich auf Brüssel zu verlassen. All das zeigt, dass die EU selbst auf der Intensivstation liegt. Bleibt zu hoffen, dass nicht bald noch ein Beatmungsgerät benötigt wird…
Siehe auch “Der perfekte Sturm tobt an drei Fronten”
FD
1. April 2020 @ 13:08
Anfang 2020 „lost in EUrope“ – Ende 2020 „EUrope is lost“? Dieses Projekt haben einfach zu wenige geliebt, eben auch gerade in Europa selbst.
Claus Hiller
1. April 2020 @ 11:55
Ich lese: „Wenn wir dann noch den Abbau von Demokratie und Rechtsstaat in Ungarn und Polen hinzunehmen und diagnostizieren . .“.
Nun mag man ja die Entwicklungen in Ungarn und Polen aufgrund eigener Wertvorstellungen nicht gut finden, oder aber man sagt: „Der Souverän dort will es so, und so funktioniert Demokratie.“ Der Souverän hat die Regierung in beiden Ländern mit einer klaren Mehrheit ausgestattet und so stark legitimiert, dass man davon im EU-Politbüro, also dort, wo über vermeintlich „mangelnde Abwehrkräfte“ räsoniert, nur träumen kann.
Und nun zum Thema „Rechtsstaat“: Mir ist nicht bekannt, dass ein demokratisch zustande gekommenes Wahlergebnis in Ungarn oder Polen von den Regierungschefs als „unverzeihlich“ verunglimpft wurde und gemäß deren Anweseisung “das Ergebnis wieder rückgängig gemacht werden (muss)“ – und wurde! Wie jüngst in Deutschland. Also sollten alle wegen Ungarn und Polen, soweit es überhaupt noch interessiert, mal schön locker bleiben – und vor allem in diesen Tagen: Gesund!
ebo
1. April 2020 @ 12:21
Der Souverän hat nicht gesagt, dass das ungarische Parlament suspendiert werden soll. Auch die speziellen Wahlgesetze, die Orban seine Mehrheit verschafft haben, wurden nicht vom Volk in Auftrag gegeben.
Heindoofi
1. April 2020 @ 13:15
… “wurden nicht vom Volk in Auftrag gegeben” ….bei uns, den Guten ist das anders, hier werden nur Gesetze entschieden die auch vom Volk in Auftrag gegeben wurden ?? … sollte das ein Aprilscherz sein ??
ebo
1. April 2020 @ 13:33
Mir ist nicht bekannt, dass sich der Bundestag selbst entmachtet hätte, so wie das ungarische Parlament.
Heindoofi
1. April 2020 @ 14:32
Hallo ebo, ich gebe Ihnen recht, was in Ungarn passiert ist schei**, aber wir können auch nicht so tun als ob hier alle Gesetze “vom Volk in Auftrag gegeben wurden”, da viele davon auch nicht für sondern eher gegen das Volk beschlossen werden.
ebo
1. April 2020 @ 15:18
Da gebe ich Ihnen recht 🙂
Holly01
1. April 2020 @ 08:10
Ja ja, erst hatte die EU kein Glück und dann kam auch noch Pech dazu.
Alles so ekelig gleichzeitig.
Nicht so erstaunlich, wenn VTs und Untergangsszenarien da eine Absicht unterstellen.
vlg