Auch der Euro soll deutsch sprechen
Das hat gerade noch gefehlt: 2019 soll Bundesbank-Chef Weidmann die Leitung der EZB übernehmen. Das ist Merkels und Schäubles größter Wunsch, schreibt der “Spiegel”. Auch der Euro soll deutsch sprechen.
Aus Sicht der (aktuellen) Bundesregierung ist das durchaus nachvollziehbar. Derzeit leitet der Italiener Draghi die EZB, zuvor war es der Franzose Trichet. Jetzt sind wir mal dran, heißt es in Berlin.
Wenn es so kommen sollte, wären aber fast alle Schlüsselposten der Geld- und Finanzpolitik mit Deutschen besetzt. Hier eine vorläufige, nicht vollständige Liste der deutschen Experten und Politiker:
- EU-Budgetkommissar: G. Oettinger (gerade ernannt)
- Eurorettungsfonds ESM: K. Regling (gerade verlängert)
- Europäische Investitionsbank EIB: W. Hoyer (gesetzt)
- EU-Bankenabwicklungsfonds: E. König (auch neu in Brüssel)
- Eurogruppe: W. Schäuble – pardon: J. Dijsselbloem, spricht aber auch deutsch (soll verlängert werden)
Man darf gespannt sein, was Franzosen und Italiener zu dieser deutschen Dominanz in einem Schlüsselbereich sagen. “Le Monde” mokiert sich schon darüber, dass Berlin in Brüssel den Ton angibt.
Das sei zwar auch der Schwäche Frankreichs geschuldet, schreibt das Pariser Blatt. Doch Präsident Macron wolle nun ein neues deutsch-französisches “Gleichgewicht” schaffen.
Na dann: bonne chance! Weidmann dürfte der erste Test werden…
GS
20. Mai 2017 @ 18:57
Klaro, gute Ideen da. Lasst uns alle dem südeuropäischen Modell folgen. Die wissen ja, wie Wirtschaft und Innovation geht.
Oudejans
20. Mai 2017 @ 16:20
Die FAZ hat den Schuß gehört und veröffentlicht ein längeres Stück von Martin Hellwig:
„Dass Martin Wolfs Formulierung von der Eurozone als „Greater Germany“ Anklänge an „Großdeutschland“ enthält, ist vermutlich kein Zufall. Die Deutschen mögen das als absurd von sich weisen, aber darauf kommt es nicht an.“
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/sorge-um-umwandlung-der-eurozone-15014236.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2
Kleopatra
20. Mai 2017 @ 13:34
Einige der genannten Institutionen berechnen Mitwirkungsrechte nach dem Anteil am Grundkapital, etwa der Eurorettungsfonds. Solange das so ist und auch das getragene Risiko sich danach berechnet, ist es logisch, dass der größte Kapitaleigner auch an der Spitze mitreden will.
Zum Dominiertwerden gehören zwei: einer, der dominiert, und einer, der sich dominieren lässt. Wenn die anderen Euro-Länder bereit gewesen wären, einen Staatsbankrott Griechenlands schon 2010 in Kauf zu nehmen, hätte es zu gewissen problöematischen Entwicklungen nicht kommen können. Alle anderen Lösungen setzten aber entweder eine Änderung der Verträge oder ein Abweichen von ihrem Wortlaut voraus, und in diesem Fall muss die inoffizielle Zustimmung aller Beteiligten erreicht werden, aber bei einer solchen inoffiziellen Regelung sind die realen Machtverhältnisse noch wirksamer als bei Regelungen im Rahmen des formellen Rechts.
GS
20. Mai 2017 @ 13:09
Alles ist besser als Draghi.
ebo
20. Mai 2017 @ 13:12
Nö. Draghi hat den Euro gerettet, Weidmann könnte ihn versenken.
Peter Nemschak
20. Mai 2017 @ 13:20
Warum versenken? Die Qualität einer Währung wird nicht durch die Anzahl ihrer Mitgliedsländer bestimmt, eher durch die Homogenität des Wirtschaftsraums für den sie gesetzliches Zahlungsmittel ist (optimaler Währungsraum). Draghi hat zu Lasten des Nordens (Enteignung der Sparer) zu lange den Süden subventioniert und den Reformdruck auf die Länder des europäischen Südens verringert.
Ein Europäer
20. Mai 2017 @ 14:26
Hallo ebo, das ist die halbe Wahrheit ! Ich muss dazu adden, Amerikas Ex-Finanzminister Timothy Geithner hat die Eurozone gerettet, das ist kein Ironie. Die Betonköpfe in der Eurogruppe und auf EU-Ebene waren kurz davor die Mutter aller Finanzkrisen auszulösen.
Mein Dank an Herr Geithner.
GS
20. Mai 2017 @ 18:55
Ja, und die EZB ist jetzt der größte Gläubiger der Staaten. Toll gemacht, Mario. Schön wäre es, wenn der Weidmann den Euro endlich versenkt. Ich glaube aber nicht, dass er dazu die Eier hat.
Peter Nemschak
20. Mai 2017 @ 12:58
Solange der EURO keine Zwangsveranstaltung für alle bleibt, kann er ruhig deutsch sprechen. Entscheidend für eine freie Gesellschaft sind Wahlmöglichkeiten. Das gilt für Individuen wie für Staaten.