Adieu, l’Euro!?
In Frankreich wächst nicht nur der Unmut über die Regierung. Die Franzosen wenden sich auch von der EU und vom Euro ab. Eine neue Studie der Großbank Natixis gibt den Kritikern Recht: Der Euro nutzt vor allem Deutschland, ohne Finanztransfers kann er nicht überleben.
In Brüssel und Berlin denkt man immer noch, das größte Problem in Frankreich sei Präsident Hollande – und die starke Front National. Sorgen macht vor allem die Europawahl, wo die FN triumphieren könnte.
Dass auch etwas an der EU und am Euro nicht stimmen könnte, darauf kommen nur wenige. Schließlich hat man sich gerade im “deutschen Europa” eingerichtet, in dem alles nach Kanzlerin Merkels Pfeife tanzt.
Dabei kommen immer mehr Franzosen zu einem anderen Ergebnis. Seit dem verlorenen EU-Verfassungsreferendeum 2005, das von Berlin und Brüssel einfach übergangen und verdrängt wurde, wächst die Kritik an Europa.
Und zwar auch im intellektuellen Lager. Erst war es “nur” der frühere Mitterrand-Berater J. Attali, der die EU-Kommission und ihre bürokratische neue “Wirtschaftsregierung” zum “schlimmsten Feind Europas” erklärte.
Dann sah der Strategieforscher F. Heisbourg das “Ende des europäischen Traums” gekommen. Der Euro müsse aufgelöst werden, Deutschland und Frankreich sollten zu nationalen Währungen zurückkehren.
Und nun legte auch noch die französische Großbank Natixis eine Studie vor, die den Ausstieg aus dem Euro nahelegt. In einer detaillierten Analyse kommt sie zu dem Schluss, dass es zwischen Deutschland und dem Rest der Eurozone kaum noch Gemeinsamkeiten gibt.
Hier die Kernaussagen (auf französisch, eh oui):
Il faut réaliser que les conditions macroéconomiques d’une union monétaire entre l’Allemagne et le reste de la zone euro ne sont pas réunies :
- asymétrie des cycles ;
- lien commercial s’affaiblissant entre l’Allemagne et le reste de la zone euro ;
- asymétries structurelles multiples (structure sectorielle, démographique et épargne, marché du travail) ;
- besoins différents en ce qui concerne le taux de change réel, qui ne peuvent pas être satisfaits par une dévaluation interne de la zone euro hors Allemagne.
Allerdings lassen sich die Natixis-Analsysten eine Hintertür offen. Sie formulieren Bedingungen für einen Erhalt der Währungsunion:
Pour conserver l’euro, il faudrait sans doute :
- accepter la concentration croissante de l’industrie et des services liés en Allemagne (graphique 9) ;
- accepter les flux migratoires associés, qui ont commencé à apparaître (graphique 10) ;
- corriger la divergence des niveaux de revenus qui en résulte (graphique 11) par la mise en place de transferts correcteurs.
Zu gut deutsch: Um den Euro zu retten, müsste man die Abwanderung vieler Industrien nach Deutschland akzeptieren, die damit verbundenen Migrationsströme dulden, und die daraus resultierenden Einkommensunterschiede durch Finanz-Transfers ausgleichen.
Deutschland würde also zum industriellen Zentrum und zum “Melting pot” Europas, müsste aber auch eine kostspielige Transferunion bewilligen. Ich kann nicht erkennen, dass sich die GroKo darauf einlässt…
Michael
27. November 2013 @ 22:41
Zur Meinung der Franzosen wäre an dieser Stelle daran zu erinnern, dass sie ja (im Referendum über den Maastrichter Vertrag) der Europäischen Währungsunion zwar zugestimmt haben, aber nur mit einer recht knappen Mehrheit. (Die Mehrheit für den Maastrichter Vertrag war knapper als die gegen den Verfassungsvertrag im Jahr 2005!)
Sowohl die in diesem Artikel geforderten ständigen Transferzahlungen als auch die von Hollande propagierte Idee einer Vergemeinschaftung der Staatsschulden sind ohne eine grundlegende und einschneidende Änderung der Verträge nicht zu haben. Welche Schlüsse kann man dann aus solchen Analysen ziehen? Die Aussichten sind finster.
GS
26. November 2013 @ 18:55
ebo, das hätte man alles vor der Einführung des Euro wissen können, denn insbesondere die vier Kernpunkte, die Du herausgestellt hast, sind heute nicht anders als vor 20 Jahren. Leider haben davor alle die Augen verschlossen. Kohl, Mitterand und wie die Verantwortlichen alle heißen. In der Tat droht am Übermut der gemeinsamen Währung einiges zu zerbrechen, was nach dem Krieg Versöhnliches geschaffen wurde.
Johannes
26. November 2013 @ 13:23
Das sind doch mal gute Nachrichten aus Frankreich. Der Bundestag kann sich immer wenige rausreden, entweder Euro mit Transfers oder ein neuer Euro, schön das endlich die Franzosen aufwachen.
Florian Schmitz
26. November 2013 @ 08:29
Frau Merkel hat Deutschland ja auch in der letzten Legislaturperiode erfolgreich von Europa abgeschirmt und die SPD scheint das ebenfalls alles wenig zu kümmern. Von daher eine GroKo mit Spitzenthemen wie Mütterrente, Mindestlohn und Maut… welch krisentaugliche Alliteration.