Appeasement à la Altmaier
Die USA drohen mit “sofortigen finanziellen Konsequenzen”, wenn die EU im Handelsstreit nicht spurt. Und was macht Wirtschaftsminister Altmaier? Er versucht sich in Appeasement – zugunsten der deutschen Autoindustrie.
Es kann’s nicht lassen: Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hat sich erneut in die Pose des EU-Handelskommissars geworfen und den USA den Abbau aller Industrie- und Autozölle angeboten.
Deutschland und die EU seien bereit, die umstrittenen Autozölle auf Null zu senken, sagte Altmaier der „Welt am Sonntag“. „Damit wäre auch der Vorwurf ausgeräumt, dass amerikanische Autozölle niedriger als europäische seien.“
Bisher verlangen die USA für europäische Autos 2,5 Prozent Einfuhrzoll. Die EU kassiert dagegen 10 Prozent. Präsident Donald Trump hat deshalb mit Strafzöllen von bis zu 25 Prozent gedroht. Sie würden vor allem Deutschland treffen, den größten Exporteur der EU.
Deshalb reist Altmaier regelmäßig nach Washington, um den Streit zu entschärfen und EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström zu unterstützen. Diesmal ist er aber wohl zu weit gegangen.
Altmaiers Angebot sei weder neu noch hilfreich, hieß es in Brüsseler Verhandlungskreisen. Die Amerikaner hätten nämlich kein gesteigertes Interesse an einer Senkung der Zölle auf null.
Sie befürchteten, dass dann erst recht deutsche Autos auf den US-Markt kämen. Dies hätten die Verhandlungen gezeigt, die seit einigen Wochen laufen.
Tatsächlich schleppen sich die Gespräche dahin. Die USA haben gleich zu Beginn gefordert, auch die Agrarpolitik einzubeziehen.
Doch dies ist in dem Verhandlungs-Mandat, das die 28 EU-Staaten der EU-Kommission erteilt haben, nicht vorgesehen. Vor allem Frankreich sträubt sich dagegen, mit den USA über ein „TTIP light“ zu sprechen.
Zuletzt haben die Amerikaner den Druck jedoch wieder erhöht. Nach der Wahl von Ursula von der Leyen zur neuen Kommissionschefin hoffe er auf einen Neustart der Handelsgespräche, erklärte der US-Botschafter für die EU, Gordon Sondland. Dabei müsse die Landwirtschaft einbezogen werden, sagte Sondland dem Portal „Politico“.
Zugleich drohte Sondland der EU und Frankreich mit Sanktionen. Die USA könnten Maßnahmen mit „sofortigen finanziellen Konsequenzen“ ergreifen, sagte er.
Trump droht Deutschland und Frankreich
Neben Autozöllen haben die USA auch Sanktionen gegen die deutsch-russische Gaspipeline Nord Stream 2 sowie Vergeltung für die geplante französische Internetsteuer angedroht.
Die EU versucht, die Lage zu beruhigen, indem sie den Amerikanern immer weiter entgegen kommt. So gab die EU-Kommission kürzlich bekannt, dass der Weg zur gegenseitigen Anerkennung von Arzneimitteln frei sei.
Zuvor hatte Brüssel die Einfuhr von Sojabohnen aus den USA erleichtert und den Import von Flüssigerdgas – auch bekannt als Frackinggas – massiv gefördert.
Junckers Deal bindet vor allem die Europäer
Diese Hilfen sind Teil eines Deals, den der scheidende Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker vor einem Jahr mit Trump ausgehandelt hatte. Er bindet vor allem die Europäer.
Die damit verbundene Hoffnung, dass die USA auch die einseitig verhängten Sonderzölle auf Stahl und Aluminium aufheben würden, hat sich jedoch nicht erfüllt.
Auch deshalb sorgen Altmaiers Alleingänge für Ärger – statt Appeasement wäre klare Kante gefordert.
Siehe auch “Juncker-Trump: Another Fake Deal” und “Macht Altmaier jetzt die EU-Handelspolitik?”
Fritz - Ulrich Hein
22. Juli 2019 @ 20:57
Die deutschen Politiker, und damit auch Peter Altmaier, sind Hosenschisser. Statt den Amis die Stirn zu bieten, wird denen noch in den Allerwertesten gekrochen. Deutschland hat es beileibe nicht nötig, einen Buckel zu machen, sondern aufrecht da zu stehen. Aber Deutschland geht’s ja nur um seine Autobauer, die jährlich enorme Gewinne an die Aktionäre ausschütten. Zudem haben die Autobauer in den USA Fertigungsstätten. Sollen die also damit drohen, ihre Fabriken zurückzufahren und Mitarbeiter zu entlassen. Das hat ein enormes Drohpotenzial. Es steht eh künftig eine Neuorientierung auf dem Automarkt an. Warum also nicht jetzt schon damit beginnen? Und wenn Arbeitsplätze in den USA auf dem Spiel stehen, wird sich die USA drehen.
Oudejans
22. Juli 2019 @ 21:53
>>”Die deutschen Politiker, und damit auch Peter Altmaier, sind Hosenschisser.”
Wird Zeit, daß die Hohenzollern wieder übernehmen.
Peter Nemschak
22. Juli 2019 @ 23:00
Was soll das “die Stirn bieten” für Vorteile bringen ?
Holly01
23. Juli 2019 @ 10:17
Die sind einfach gut:
” https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8005/ ”
Natürlich sehr viel besser formuliert und belegt, als ich das kann …
vlg
Baer
22. Juli 2019 @ 11:28
Habe selten einen unfähigeren Politiker gesehen, inkompetent, anmaßend und ungeschickt.
Auf ihn und s manch andere Politikdarsteller könnten wir wahrlich verzichten.
Kleopatra
22. Juli 2019 @ 06:35
Der Ausdruck “Appeasement” ist insofern stark übertrieben, als wir es hier jedenfalls nicht mit Hitler zu tun haben, sondern mit einer zwar hart verhandelnden Gegenseite, die man aber doch nicht mit Hitler auf eine Stufe stellen sollte. Außerdem wird hier – peinlicherweise – sichtbar, dass die EU kein einheitliches Interesse hat, und z.B. französische und deutsche Interessen sich nicht decken. Ich halte es nicht für in stärkerem Maß illegitim, wenn Altmaier deutsche Interessen vertritt, als wenn Macron – für die Kommission überraschend – ankündigt, den Vertrag mit Mercosur zu so nicht zu ratifizieren.
Über die Frage, wie man sinnvollerweise verhandelt, kann man verschiedene Meinungen vertreten, aber man sollte keine davon als moralisch geboten darstellen. Die Theorie, dass nur die Kommission verhandeln sollte, hilft nicht unbedingt; denn Altmaier kann zwar keine Zusagen im Namen der EU machen, aber Interessen unverbindlich abklären kann er schon.
ebo
22. Juli 2019 @ 09:22
Natürlich ist es legitim, die deutschen Interessen zu vertreten. Doch das geht am besten über die EU, die gerade ihre neue (deutsche) Generaldirektorin Handel, Weyand, nach Washington geschickt hat. Altmaier hingegen spielt Solo, und wie er das macht, empfinde ich in der Tat als Appeasement.
Peter Nemschak
22. Juli 2019 @ 12:45
Es wird sich wohl irgendjemand nüchterner als Trump Kalkulierender ausgerechnet haben, wie weit Zollsenkungen für Industriegüter den Streitparteien nützen. Vermutlich profitieren die meisten Staaten in der EU davon, die einen mehr, die anderen weniger.
Holly01
22. Juli 2019 @ 10:37
@ Kleopatra:
Ich bediene mich bei Leuten die das besser formulieren als ich:
“Von der Trump-Administration mit Hilfe etwaiger extraterritorialer Sanktionen erzwungene Rückzüge aus dem Chinageschäft hätten für bedeutende Teile der deutschen Industrie vernichtende Folgen – und nähmen ihnen darüber hinaus jegliche signifikante Expansionsperspektive jenseits des US-dominierten Westens, stürzten sie also in eine umfassende Abhängigkeit von Washington.”
aus “https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8004/ ”
Es dürfte ausserhalb jeden Zweifels stehen, das die USA den Konflikt mit Deutschland auch militärisch eskalieren würden.
Genau genommen tut sie das in der Ukraine und den intermare Staaten ja bereits.
Auch die Russlandsanktionen sind nicht nur gegen Russland und sondern auch gegen Deutschland gerichtet.
Ich halte “Appeasement” auch in Anbetracht der Iran Geschichte (UK-USA) und dem Brexit für sehr sehr angemessen.
Der Irak war auch einmal ein enger Verbündeter der USA, bis er unbequem wurde. …… ging auch schon anderen so.
Es sollte niemand denken die Gunst der USA wäre “Gott gegeben”. Selbst ohne Trump besteht diese Gefahr zum Schurkenstaat erklärt zu werden ständig.
vlg
Holly01
22. Juli 2019 @ 13:11
Abgesehen davon kann man an solchen Geschichten schön ablesen, wie Innenpolitik im Windschatten abläuft.
BJ wird jedenfalls im No.10 sitzen und viele werden sich fragen wann der denn eingezogen ist und warum da kein Protest war.
… die Regierung musste umgehend handlungsfähig sein …..
Ja, genau, ich gehe davon aus, das die den ganzen Schweiss steuern….. weil es eben nur eine monetäre Elite weltweit ist, mit einer Leitwährung.
vlg