Anleihenkäufe: Nicht illegal, aber unverhältnismäßig?

Das Bundesverfassungsgericht spielt sich ‚mal wieder zum Richter über ganz EUropa auf. Diesmal hat es einer Klage gegen die umstrittenen Anleihenkäufe der EZB weitgehend statt gegeben. Doch was folgt daraus?

Die Beschlüsse der EZB seien kompetenzwidrig ergangen, entschieden die Karlsruher Richter. Bundesregierung und Bundestag hätten durch ihr tatenloses Zusehen Grundrechte verletzt. Der Senat stellte aber keine verbotene Staatsfinanzierung fest.

Damit wäre der wichtigste Punkt schon einmal geklärt: Das Hammer-Argument der EZB-Kritiker – verbotene Staatsfinanzierung – teilen die Karlsruher Richter nicht. Das Urteil bezieht sich auch nicht auf die aktuellen Corona-Hilfen.

Es hat also keine unmittelbare Wirkung und erzwingt keinen Politikwechsel. Dementsprechend reagierten die Märkte: Nach einem kurzen Schock haben sich die Aktienkurse schnell wieder erholt. Dennoch wirft das Urteil wichtige Fragen auf.

Was heißt es denn, dass Bundesregierung und Bundestag gerügt werden? Soll Berlin künftig jeden EZB-Beschluss prüfen oder sogar Einspruch erheben? Dann wäre die – von Deutschland beschworene – Unabhängigkeit der Zentralbank dahin.

Und was ist mit „kompetenzwidrig“ gemeint? Hat die EZB ihre Kompetenzen überschritten, oder haben Bundesregierung und Bundesbank nicht aufgepasst? Die Kompetenzordnung ist ein neues Argument, damit hat Karlsruhe bisher nicht argumentiert.

Offenbar geht es um die Verhältnismäßigkeit. Die Bundesbank müsse darauf achten, dass die „angestrebten währungspolitischen Ziele nicht außer Verhältnis zu den damit verbundenen wirtschafts- und fiskalpolitischen Auswirkungen stehen“.

Anleihenkäufe dürfen also nicht zu unerwünschten Auswirkungen führen, lese ich aus diesem Urteil heraus. Doch was ist damit gemeint? Die umstrittenen Negativzinsen für Sparbücher? Die Blase auf dem deutschen Immobilienmarkt?

Dieses Urteil wirft mehr Fragen auf, als es beantwortet. Klar ist nur eins: Es hindert die EZB nicht daran, ihr aktuellen Corona-Programm fortzusetzen. Und es erhöht den Druck auf Berlin, sich für die Währungsunion zu engagieren…

Siehe auch „Lagarde macht Angst – und Druck“

P.S. Die EU-Kommission will das Urteil nicht kommentieren, weist aber auf das EU-Recht hin: Dieses stehe über nationalem Recht, und allein zuständig sei der EugH. Wenn das keine Rüge an Karlsruhe ist…