Anhörung der neuen EU-Kommission – ein abgekartetes Spiel?

Im Europaparlament in Brüssel haben die Anhörungen der designierten EU-Kommissare begonnen. Eine Sternstunde der Demokratie werden sie nicht – eher eine langweilige Pflichtübung. Denn alles ist vorab abgesprochen.

Die EU-Abgeordneten sind stolz wie Bolle: Sie dürfen die 26 designierten neuen EU-Kommissare anhören und auf Herz und Nieren überprüfen. Wo gibt es das schon sonst, dass das Parlament jeden Minister einzeln ausfragt?

Eine Sternstunde der Demokratie soll es sein. Doch die Realität sieht anders aus. Bei der Nominierung hatte das Parlament nichts zu sagen, die neue EU-Kommission repräsentiert nicht mal das Ergebnis der Europawahl.

Dominiert wird das Team von Konservativen aus der Europäischen Volkspartei. Sozialdemokraten sind unterrepräsentiert, die Liberalen auch. Grüne und Linke stellen gar keinen Kommissar, die Rechten nur einen – dabei haben sie bei der Wahl zugelegt.

Gesteuert wird die Truppe von Kommissionspräsidentin von der Leyen. Sie hat die Aufgabengebiete völlig neu zugeschnitten und dafür gesorgt, dass ihr niemand die Stirn bieten kann. Alles überschneidet sich mit allem, das letzte Wort hat – von der Leyen.

Mögliche Interessenskonflikte der neuen Kommissare wurden nur oberflächlich geprüft. Das Verfahren sei aus der Zeit gefallen, heißt es bei den Grünen. Dennoch räumte deren Co-Fraktionschefin T. Reintke ein, dass bei der Anhörung wohl niemand durchfallen werde.

Denn zum einen haben die Abgeordneten die Kandidaten schon vor der Anhörung ausführlich “gebrieft”, also eingenordet. Vor allem die EVP tat sich dabei hervor, wie Familien-Fotos mit den designierten Kommissaren zeigen.

Stillhalte-Abkommen

Zum anderen gibt es eine Art Stillhalte-Abkommen zwischen den vier Parteien, die von der Leyen tragen (darunter die Grünen). Man will die Kommissare der “anderen” Parteien mittragen, um den Rechten und EU-Gegnern keine Angriffsfläche zu bieten.

Sollte das nicht funktionieren und z.B. der Italiener Fitto (ein Rechter) durchfallen, so dürfte die EVP auch die Spanierin Ribera (eine Sozialistin) abschießen. Praktischerweise wird sie ganz zum Schluß angehört – das erhöht den Druck.

Fazit: Im Gegensatz zu früher, wo durchaus der eine oder andere Kandidat durchgefallen ist, ist die Anhörung diesmal vor allem eine lästige Pflichtübung. Am Ende dürfen allenfalls ein paar Portfolios verändert werden, mehr nicht…

Siehe auch “Von der Leyen sichert ihr Team – vorerst“. Das Programm der Anhörungen ist hier, einen Live-Stream gibt es hier