„Too little, too late“

Die EU will 25 Mrd. Euro mobilisieren, um die wirtschaftlichen Folgen der Coronavirus-Epidemie einzudämmen. Doch aus Sicht vieler Politiker und Ökonomen ist das nicht genug. Sie fürchten eine neue Eurokrise, etwa in Italien.

Es erinnert an die schlimmsten Zeiten der Eurokrise: In einer hektisch anberaumten Videokonferenz haben die 27 Staats- und Regierungschefs der EU das erste europaweite Hilfsprogramm gegen die Coronavirus-Krise zusammen-gezimmert. Der Panikmodus, auf den vor allem Frankreich und Italien gedrängt hatten, scheint geholfen zu haben.

Plötzlich ist nicht nur Geld da – Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen versprach bis zu 25 Milliarden Euro zur Stützung von strauchelnden Unternehmen. Nun soll auch endlich gemeinsam medizinische Schutzausrüstung beschafft werden. Bisher scheiterte das an nationalen Beschränkungen, etwa in Deutschland und Frankreich.

Von der Leyen will auch die „Geisterflüge“ mit halbleeren Flugzeugen abstellen, die durch absurde EU-Regeln begünstigt wurden. Zudem soll es künftig tägliche Krisenrunden mit allen betroffenen Gesundheitsministern geben – per Telefon. Bisher hatten sie sich zweimal in Brüssel getroffen, ohne irgend etwas zu beschließen.

Für Brüsseler Verhältnisse legt die EU nun ein enormes Tempo vor. Doch aus Sicht vieler Politiker und Ökonomen ist das immer noch nicht genug. Die angekündigten 25 Milliarden Euro seien kein frisches Geld, sondern würden aus dem ohnehin knappen EU-Budget abgeknapst, kritisiert etwa der grüne EU-Haushaltsexperte Rasmus Andresen.

Zudem sind 25 Milliarden wenig im Vergleich zu dem, was aktuell in den USA diskutiert wird. In Washington ist von Steuererleichterungen von bis zu 700 Milliarden Dollar die Rede, die US-Notenbank hat bereits die Zinsen gesenkt. Demgegenüber wartet die Europäische Zentralbank ab; erst am Donnerstag wird ein Zinssignal erwartet.

Auch die EU-Finanzminister sind noch nicht aktiv geworden. Sie wollen sich in der kommenden Woche in Brüssel treffen, um über „fiskalische Maßnahmen“ – also Steuererleichterungen, Investitions- und Konjunkturprogramme – zu sprechen. Frankreich und Italien fordern ein Ende des Sparkurses, doch Deutschland steht auf der Bremse.

Kritik gibt es auch daran, dass die EU zwar erstmals koordiniert auf die Krise reagieren will, jedoch keine spezifischen Hilfsprogramme für das besonders betroffene Italien angekündigt hat.

Italien brauche wahrscheinlich europäische Hilfen, etwa aus dem Euro-Rettungsfonds ESM, sagte der deutsche Ökonom Peter Bofinger. Die Regierung in Rom habe wegen der hohen Verschuldung nur begrenzte Möglichkeiten.

Europa könne sich keine währungspolitische Krise erlauben, so Bofinger. Doch genau die droht nun – da die EU wieder einmal nach dem Slogan „too little, too late“ gehandelt hat. Genau wie vor zehn Jahren – damals stand Griechenland auf der Kippe…

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Watchlist

Was macht die EZB gegen die Wirtschaftskrise? Droht vielleicht sogar eine neue Eurokrise? Dies dürfte man auf der Ratssitzung in Frankfurt erfahren. EZB-Chefin Lagarde steht unter Druck – gerade erst hat die Bank of England den Leitzins gesenkt. Allerdings hat sie wegen der umstrittenen Nullzins-Politik kaum noch Spielraum. Das „Whatever it takes“ ihres Amtsvorgängers Draghi, das die Eurokrise stoppte, kann sie kaum noch umsetzen…

Was fehlt

Das wetter- und virenresistente Großmanöver „Defender Europe“. Die größte Übung seit dem Kalten Krieg, die sich natürlich wieder Russland „widmet“ (und nicht der Türkei, die gerade Militär an der EU-Außengrenze in Griechenland auffährt), geht weiter, trotz Coronavirus. Wie die „taz“ berichtet, befinden sich mittlerweile mehrere Generäle in Quarantäne – darunter der Kommandeur der US-Streitkräfte in Europa und der Heeresinspekteur der Bundeswehr. Egal – das Manöver soll wie geplant stattfinden. Die EU hat nichts dagegen, sie fördert schließlich die „Panzerstraßen“.

Das Letzte

In dieser neuen Rubrik bringen wir letzte Meldungen, unglaubliche Ereignisse oder prägnante Zitate. Heute soll Sultan Erdogan das letzte Wort haben:

„Zwischen dem, was die Nazis gemacht haben, und diesen Bildern an der griechischen Grenze besteht gar kein Unterschied. Was sie in den Nazi-Lagern gemacht haben, machen auch die Griechen im Namen des Westens, geradezu als bezahlte Beamte des Westens. Und sie töten auch. Das sind bezahlte Legionäre des Westens.“


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