Angst vor Nato-Kritiker: Wahl in Rumänien abgesagt
Das gab’s noch nie: Offenbar aus Angst davor, dass ein Nato-Kritiker gewinnen könnte, wurde die erste Runde der Präsidentschaftswahl in Rumänien annuliert. Die Stichwahl am Sonntag wurde abgesagt.
Die ebenso überraschende wie beispiellose Entscheidung wurde vom Obersten Gericht in Bukarest getroffen – unter Berufung auf einen Geheimdienst-Bericht.
“Das Verfahren zur Wahl des Präsidenten von Rumänien wird komplett neu aufgenommen”, teilte das Verfassungsgericht mit. Es habe die Entscheidung getroffen, “um die Korrektheit und Rechtmäßigkeit des Wahlprozesses sicherzustellen”.
Die erste Wahlrunde am 24. November hatte der rechtsradikale Kandidat Calin Georgescu gewonnen. In einer Stichwahl sollte er eigentlich am Sonntag gegen die zweitplatzierte Mitte-Rechts-Politikerin Elena Lasconi antreten.
Georgescu gilt als Nato-Kritiker; er will die Hilfe für die Ukraine einstellen. Dies hat die Ukraine-Freunde und die Transatlantiker alarmiert.
Sie sprechen von russischer Einmischung und behaupten, die Videoplattform TikTok habe beim ersten Wahlgang die entscheide Rolle gespielt.
Unter anderem ist von einer koordinierten “Guerilla”-Kampagne mit “manipulierten” Influencern und der Nutzung von Algorithmen sowie mehr als 85.000 Cyberattacken die Rede.
Allerdings ist unklar, wie TikTok in der Lage sein sollte, einem Präsidentschaftskandidaten zum Sieg zu verhelfen. So weit bekannt, verwendet nur eine Minderheit der Rumänien diesen Dienst.
EU und USA intervenieren
Die EU will den Vorwürfen nun nachgehen. Sie hat TikTok aufgefordert, Unterlagen vom ersten Wahlgang herauszurücken – als Rechtsgrundlage dient das neue Internet-Gesetz DSA.
Tiktok wies die Vorwürfe einer Wahlbeeinflussung zurück. “Wir haben bislang keine Hinweise darauf, dass auf unserer Plattform eine koordinierte Kampagne stattgefunden hat”, hieß es.
Allerdings gibt es Hinweise auf eine Intervention der USA, wo man sich Sorgen um die Nato macht. Das State Department gab extra ein Statement heraus – noch ein ungewöhnlicher Vorgang…
P.S. Sogar die Kontrahentin von Georgescu, die verbliebene Kandidatin Lasconi, hat die Annulierung der Wahl scharf kritisiert. “Die Entscheidung des Verfassungsgerichts ist illegal, unmoralisch und zerstört das Wesen der Demokratie, das Wählen.”
Monika
8. Dezember 2024 @ 16:55
Was wird wohl passieren bei einem noch deutlicheren Votum der Rumänen bei der Wahlwiederholung?
european
8. Dezember 2024 @ 13:51
Sehr bemerkenswert ist die aktuelle Meldung des US State Departments zur Rumänien-Wahl:
https://www.state.gov/statement-on-romanias-presidential-elections/
In den Staub mit dir, du Vasall. Du bist wichtig für uns und das lassen wir uns von niemandem nehmen. Und damit du das auch richtig verstehst, drohen wir dir schon mal mit dem Verlust von FDI in deinem Land.
“Romania’s hard-earned progress anchoring itself in the Transatlantic community cannot be turned back by foreign actors seeking to shift Romania’s foreign policy away from its Western alliances. Any such change would have serious negative impacts on U.S. security cooperation with Romania, while a decision to restrict foreign investment would discourage U.S. companies from continuing to invest in Romania.”
Klingt sehr ähnlich wie die Drohungen gegenüber Georgien nachdem sie den Foreign Agents Act eingeführt haben. Und nun sind dort Otpor/Canvas und Co. aktiv, um eine orangene Revolution zu inszenieren.
ebo
8. Dezember 2024 @ 13:55
Yes, wurde aber auch schon im Blogpost erwähnt 🙂
european
8. Dezember 2024 @ 14:19
Stimmt. Sorry, das hatte ich überlesen. 🙂
Schon bemerkenswert, eine so unverhohlene Drohung. Aber wir nehmen ja keinen Einfluss. 😉
ebo
8. Dezember 2024 @ 14:32
Eben, “foreign meddling” machen nur die Russen 🙂
Guido B.
7. Dezember 2024 @ 15:37
Lange Zeit wurden die Demokratien durch den Neoliberalismus, die Globalisierung und die Migration entwertet. Nun geraten sie weiter unter Druck im Zuge der elitären und medialen Kampagnen gegen „Autokraten“ und „Rechtsextreme“ (Sammelbegriff für alle, die gegen den Status quo protestieren). Blockdenken, Brandmauern und Cancel Culture beherrschen die öffentliche Debatte. Immer mehr Menschen haben den Eindruck, dass sie ungerecht behandelt, betrogen und ausgegrenzt werden. Das Vertrauen in die Politik erreicht immer neue Tiefpunkte. Der bizarre Versuch der Eliten, die Demokratien mit Feindbildern zu verteidigen und zu retten, zeugt vom fragilen und instabilen Zustand, in dem sich der „Wertewesten“ heute befindet. Die Krise der Demokratien ist zu 100% selbst gemacht.
Michael Conrad
7. Dezember 2024 @ 11:59
Was die russische Propaganda nicht schafft, erledigt der sogenannte Westen aus Angst und Machtgier. Die Institutionen von Demokratie und Gewaltenteilung delegitimieren sich selbst und es zeigt sich wieder einmal, dass ihre Regeln nur solange gelten wie die Herrschaft des elitären Machtkartells nicht gefährdet ist.
Das kommt davon, wenn man einen Krieg führt, der sich gegen die Interessen der Menschen nach Frieden und Wohlstand richtet. Deshalb werden den sogenannten Eliten all ihre Tricks im Endeffekt nichts bringen, sondern die Erosion des Systems nur beschleunigen.
Arthur Dent
7. Dezember 2024 @ 07:38
Ich halte die Nato ebenfalls für hirndingsbums, äh, geblitztdingst und nahezu überflüssig. Sie ist weniger ein Verteidigungsbündnis sondern mehr eine Interventionsmacht, die Ressourcen und Handelswege militärisch sichert. Lieschen Müller und Max Mustermann brauchen sie nicht.
Monika
6. Dezember 2024 @ 22:58
Bin gespannt, was unsere „Hüter der Demokratie“ und „Verfechter unabhängiger, freier und geheimer Wahlen“ diesmal für Asse aus dem Ärmel ziehen werden. Dass früher auch schon getrixt und manipuliert wurde (siehe die bischöflichen Hirtenbriefe an Wahlsonntagen) – geschenkt. Die völlig unverfrorene Abwicklung heutzutage macht einen beim Betrachten doch schaudern.
Wir müssen höllisch aufpassen, dass bei im Februar bei der Bundestagswahl nicht eine „kritische Masse“ zu den Nichtwählern abdriftet: weils Wählengehen ja „eh nichts bringt“. Dann nämlich ist quasi gewährleistet, dass sich die derzeitigen Regierungsmaximen durchsetzen werden.
Indem man solches „Wahlpiratentum“ medial durchwinkt und als wehrhafte Demokratie verklärt, siehe in Moldawien, Georgien, Rumänien, das Ausrufen von Kriegsrecht „als Axt“ benutzt (Südkorea), oder bei nicht genehmen Wahlergebnissen die bis dahin demokratischen Gepflogenheiten einer geordneten Regierungsübergabe einfach ignoriert (Georgien, Frankreich), erscheint vielen Wahberechtigten der Wahlvorgang unbedeutend. Ist er aber nicht, denn eine hohe Wahlbeteiligung ist ein nice to have, die „Mehrheiten“ werden relativ aus der Teilnehmerzahl berechnet , nicht aus der Zahl der Wahlberechtigten. Selbst bei 30% Wahlbeteiligung kann eine Partei also eine regierungsfähige Mehrheit auf sich vereinigen…
Es wäre die demokrtaische Aufgabe der Medien, hier zu warnen, aufzuklären, zu motivieren. Die werden aber einen Teufel tun…
Arthur Dent
7. Dezember 2024 @ 09:11
@Monika
Bei Wahlen geht es wohl weniger um den Wählerwillen als vielmehr um den Willen der Kartellparteien.
Da der Wähler nahezu keinen Einfluss auf die Auswahl des politischen Personals sowie auf die Politik hat, handelt es sich bei Wahlen nur um einen plebiszitären Akt. Hat Hans Herbert von Arnim schon vor Jahrzehnten in seinen Büchern geschrieben.
Merta Hens
7. Dezember 2024 @ 10:39
Doch. Zur Sicherung von Ressourcen und Handelswegen.
*zwinkersmiley*
Merta Hens
7. Dezember 2024 @ 10:40
Doch. Zur Sicherung von Ressourcen und Handelswegen.
*zwinkersmiley*
Kleopatra
6. Dezember 2024 @ 20:27
Kein anderer Kandidat kann sich leisten, in einer solchen Situation die Entscheidung des Verfassungsgerichts zu begrüßen, weil man wie ein schlechter Verlierer wirkt. Um diesen offenen Neofaschisten ist es freilich nicht schade. Nach Angaben der österreichischen Zeitschrift “profil” wird TikTok von immerhin 40% der Rumänen verwendet, was wenn auch keine absoluter Mehrheit, so doch eine beeindruckende Reichweite ist.
ebo
6. Dezember 2024 @ 20:33
Mit 40 Prozent Usern gewinnt man keine Wahl. Vermutlich nutzen 60 Prozent Facebook und 90 Prozent Internet. So what?
Im übrigen hat das Oberste Gericht das amtliche Ergebnis der ersten Runde der Präsidentschaftswahl erst am Montag als korrekt eingestuft. Der Gerichtsvorsitzende Marian Enache teilte mit, die vom Gericht angeordnete Neuauszählung der Stimmen habe die Korrektheit des zuvor bekanntgegebenen Ergebnisses bestätigt.
Das soll nun nicht mehr gelten, weil der Geheimdienst neue Erkenntnisse hat!?
Skyjumper
7. Dezember 2024 @ 20:34
Aber aber @ ebo. Nicht so „platt“ denken. Selbstverständlich stimmt das amtliche Auszählungsergebnis immer noch. Was würde das denn für ein Licht auf die Demokratie werfen wenn es anders wäre?
Nur die Art und Weise wie die Entscheidungsfindung der Rumänen zum Kreuz auf dem Wahlschein erfolgte – die war nicht korrekt. Wahlwerbung (= Beeinflussungsversuch) dürfen eben nur die richtigen machen. Alles andere ist Hassrede, Delegitimierung des Staates und sowieso strafbar – auch wenns nicht strafbar ist. Ups, jetz bin ich aus Versehen nach Deutschland abgedriftet.
Wir können uns wohl drehen und wenden wie wir wollen. Das westliches Demokratiemodell hat durch sinkende Wertschöpfung seinen Peak überschritten und wird durch immer gewalttätigere Verteidigungsmaßnahmen nun selbst zu einen Spottbild der Demokratie. Bevor es schließlich eine offene Diktatur werden wird.
Michael
6. Dezember 2024 @ 18:21
Der Vorwurf gilt Russland, aber der Tāter war die USA! Der sog. Westen verstrickt sich immer tiefer in den ureigensten Hirngespinsten!
Karl
7. Dezember 2024 @ 08:51
Der sog. Westen verstrickt sich immer tiefer – in die Abschaffung der Demokratie!
Der Demokratie, die der Westen als enorme historische Errungenschaft sich selber erkämpft hat. Und auf die er bisher sehr stolz war. Das heißt: Der Westen befindet sich wirklich auf dem Weg des Niedergangs, wie Emmanuel Todd sagt.
Begleitmusik: Na klar, ist TicToc schuld… und die CIA hat immer recht.