Anarchy in the UK

Es ist ein Crash mit Ansage: Am Dienstag soll das von der EU ausgehandelte Brexit-Abkommen im britischen Unterhaus ratifiziert werden. Doch die Abgeordneten sträuben sich, die Lage droht Premierministerin May zu entgleiten.

May ist jedoch die einzige Ansprechpartnerin der EU. Deshalb versuchten die EU-Chefs am Montag, der konservativen Politikerin ein wenig unter die Arme zu greifen – mit einer schriftlichen „Klarstellung“.

Man werde alles dafür tun, um den umstrittenen „Backstop“  – der ganz Großbritannien dauerhaft an die EU binden könnte – nicht einzusetzen, betonten die Präsidenten Juncker und Tusk in dem fünfseitigen Brief.

Sollte der Austrittsvertrag von London wie geplant ratifiziert werden, so werde die EU sofort die noch ausstehenden Verhandlungen zu einem Partnerschaftsvertrag mit Großbritannien einleiten. 

Allerdings rückt die EU keinen Millimeter von dem – weitgehend von Brüssel diktierten – Vertragstext ab, der im November verabschiedet worden war und seitdem für Anarchie in UK sorgt.

Sie lässt auch keinerlei Bereitschaft für einen „Plan B“ erkennen, der May doch noch eine Mehrheit sichern könnte. Die viel gerühmte „Kultur des Kompromisses“ kommt beim Brexit nicht zum Zuge.

Erstaunlich ist das nicht – denn die EU-Position hat sich im Laufe der Verhandlungen immer mehr verhärtet. Gleichzeitig hat May immer mehr an Rückhalt verloren. Eine ausweglose Situation.

In der EU-Kommission und im Ministerrat geht man mittlerweile davon aus, dass May scheitert. Die Frage sei nur noch, wie hoch die Niederlage ausfällt, sagte ein hochrangiger EU-Vertreter.

Bei wenigen Gegenstimmen könne May noch eine zweite Abstimmung wagen, heißt es. Die EU würde dann auf sie warten und zur Not auch den Brexit-Termin (bisher 29. März) verschieben. 

Eine Verschiebung um acht Wochen könne Sinn machen, meinen Brüsseler Insider. Allerdings dürfe das neue Austrittsdatum nicht nach der Europawahl vom 23. bis 26. Mai liegen.

Denn sonst müssten die Briten erneut Europaabgeordnete wählen; die gesamte Wahl würde auf den Kopf gestellt. Dann hieße es nicht mehr „Anarchy in the UK“, sondern „Chaos in der EU“…

Siehe auch „Die ersten Brexit-Opfer“ und Was die EU lieber (noch) nicht sagt

[wp_ad_camp_1]

 

WATCHLIST:

  • Fällt das Einstimmigkeits-Prinzip in der Steuerpolitik? Das will die EU-Kommission vorschlagen. Das nationale Vetorecht sei anachronistisch, meint Wirtschaftskommissar Moscovici. So wird seit 2011 über eine einheitliche Bemessungsgrundlage für Unternehmenssteuern debattiert – ohne Erfolg. Auch die Digitalsteuer kommt nicht vom Fleck. Allerdings gibt es ein Problem: Für das Ende der Einstimmigkeit braucht es – Einstimmigkeit. Und die ist nicht in Sicht, der Stillstand geht weiter…

WAS FEHLT:

  • Der Appell von über hundert Europaabgeordneten an die Briten, doch bitte in der EU zu bleiben. Unterschrieben wurde er u.a. von E. Brok, R. Bütikofer und U.Bullmann – alles gestandene Profis, die eigentlich wissen müßten, wie der Hase in London läuft und was die Briten in den letzten Jahren alles in der EU verbrochen haben. Doch sie tun so, als sei alles super gelaufen. „Unsere Herzen und unsere Türen sind offen“, meint CDU-Mann Liese – ja, sind wir denn in der Kirche?

Siehe auch „Zehn Gründe, warum wir UK nicht brauchen“