An diesen drei Deals hängt die Zukunft der EU
Die EU muss um ihren Brexit-Deal bangen. Ex-Außenminister Boris Johnson droht sogar damit, Geld aus dem Austrittsvertrag zurückzuhalten. Doch es ist nicht der einzige Deal, der wackelt.
Den ersten Deal hat Kanzlerin Merkel mit dem türkischen Präsidenten Erdogan geschlossen, 2016 war das. Es geht um die Flüchtlinge, die über die Türkei in die EU kommen, aber auch um Geld und um eine EU-Beitrittsperspektive. Erdogan hat schon oft gedroht, diesen Deal – der nirgendwo vertraglich verankert ist – platzen zu lassen.
Sollte das geschehen, so könnte sich die Flüchtlingskrise von 2015 wiederholen. Denn die EU hat ihre Grenzen immer noch nicht gesichert und die Verteilung von Migranten immer noch nicht geklärt. Weder Juncker noch Merkel haben ihre Versprechen für eine „europäische Lösung“ umgesetzt. Dies gibt Erdogan eine unerhörte Macht über die EU.
Der zweite Deal wurde von Juncker und seinem mächtigen Generalsekretär Martin Selmayr geschlossen. Es geht um den Handelskrieg mit den USA. Durch die Asprache, die im Juli 2018 im Weißen Haus in Washington getroffen wurde, konnte die Verhängung von US-Strafzöllen auf Autos aus der EU verhindert werden – zumindest vorläufig.
Doch auch Trump hat gedroht, den Deal platzen zu lassen. Er hat den Druck auf die Europäer immer wieder erhöht – und sie dahin gebracht, wo sie nie kommen wollten: Nun verhandeln sie mit vorgehaltener Pistole über ein Industriezollabkommen. Und sie öffnen den europäischen Energiemarkt für schmutziges und teures Frackinggas aus den USA.
Der dritte Deal ist aus EU-Sicht der wichtigste, und er ist zugleich der schwierigste. Es geht um den Austrittsvertrag mit Großbritannien. Er wurde im November 2018 mit Premierministerin Theresa May geschlossen, fand danach jedoch keine Mehrheit im britischen Unterhaus. Deshalb wurde schließlich der Brexit verschoben – UK und die EU hängen in der Luft.
Auch dieser Deal könnte platzen. Vielleicht sogar ausgerechnet zu Halloween – denn am 31. Oktober läuft die Frist für den Brexit ab. Für Brüssel ist das eine Horrorvision – denn ein No Deal würde nicht nur die jahrelangen Verhandlungen mit London zunichte machen, sondern auch massiv Vertrauen zerstören. Nur die Angst vor dem No Deal hält alle(s) zusammen.
Die drei Deals zeigen, wie prekär die Lage geworden ist. Einerseits hat es die EU verstanden, in den letzten fünf Jahren alle Klippen zu umschiffen. Die Union steht heute sogar besser da als 2014, oberflächlich betrachtet.
Doch gleichzeitig hängt ihr Schicksal am seidenen Faden. Wenn nur ein Deal platzt, stürzt die EU in eine tiefe Krise. Schon wieder…
Dieser Beitrag erschien zuerst im neuen E-Book über die Juncker-Jahre “The Good, the Bad and the Ugly”. Sie können das Buch hier herunterladen
Ein Europäer
11. Juni 2019 @ 07:41
Die Unfähigkeit der EU Administration ist zum heulen. An Holly und Co.; Bitte lassen Sie den USA und Großbritannien raus. Für alles was in der EU schiefläuft schuld daran ist nur die Eu selbst. Punkt.
Zehn Jahre nach der Lehmans-Krise sind keine Reformen auf den Weg gebracht und alles nur verlagert oder unter dem Teppich versteckt. Die Währungsunion ist unvollendet ohne Schutzmechanismen für die nächste Krise.
Holly01
11. Juni 2019 @ 09:43
Das UK ist der Pudel der USA und gehorcht auf jedes Kommando.
Die USA leben von ihrem Dollarregime.
Die USA werden mit jedem Krieg anfangen, der den Dollar ernsthaft bedroht.
Wenn die EU den Euro (abgesehen von den zwei Ländern, die das per Volksentscheid ablehnen) überall einführt und die Probleme behebt, dann haben wir einen Krieg EU – USA.
Die Unvollkommenheit der EU ist der status quo, der uns vor dem Schicksal von Iran, Russland und Venezuela schützt.
Der status quo und die Unterwürfigkeit der europäischen Eliten und daraus resultierend der europäische Politik.
Die Amis haben keine Freunde.
Die Amis haben keine Partner.
Die Amis haben Vasallen.
Also @Ein Europäer wie und warum sollte ich die USA beim Gesamtbild raus lassen?
Der Hegemon bestimmt das politische Bild in Europa und in der EU (was nicht das selbe ist).
vlg
Peter Nemschak
11. Juni 2019 @ 13:58
Die USA sind nach wie vor die führende Großmacht der Welt mit starken Machtmitteln. Wenn sie diese missbrauchen, wird ihre Macht über kurz oder lang schwinden.
The Economist this week: America is aggressively deploying a new economic arsenal to assert its power: “Weapons of Mass Disruption” Fr. 07.06
Die Politik von Trump ist ein Indiz, dass sich die USA in ihrer relativen Stellung bedroht fühlen. Daran werden auch Handelskriege nichts ändern können. Die USA werden in Zukunft auf Verbündete angewiesen sein. Das wird nicht kostenlos für sie sein.
Peter Nemschak
11. Juni 2019 @ 15:40
Bei der nächsten Krise wird es wie bei der letzten ad hoc Lösungen der Staatschefs geben. Wer über Reformen redet, sollte konkret sagen, wie sie aussehen sollen, vor allem, wem sie nutzen und wen sie belasten.
Holly01
10. Juni 2019 @ 16:58
Es mag sonderbar klingen, aber das sind alles keine EU Krisen.
Die Quelle kann man auch ganz klar definieren, es sind die USA.
Das, was unsere MM, als das “Ringen der USA, um ihre unipolare Welt”, bezeichnen.
Die Probleme von Mexiko sind auch primär kein mexikanisches Problem.
Iran und Venezuela haben primär keine nationalen Probleme.
Die Frage lautet also: Wie weit werden die USA den Bogen spannen?
Wie viele Probleme müssen die USA den EU Staaten noch machen, damit die sich solidarisieren?
Es ist ja nach Hillary Clinton niemand mehr in der Lage die existenzielle Bedrohung jedes Einzelstaates zu leugnen.
Die Probleme der Schweiz wurden viel leiser behandelt, aber die Schweiz konnte den USA weder ausweichen noch widerstehen. Sie mussten nachgeben.
Die Briten werden die EU im Streit verlassen. So viel Ergebnis müssen die Brexiters schon liefern. Da kann man von gescheiterten Verhandlungen und gegenseitigen Forderungen ausgehen, die das Verhältnis über Jahrzehnte belasten wird.
Aber was kommt für das UK danach.
Da draussen “auf der freien Wildbahn” ist der Amis auf der Pirsch. Der wird die (noch) nominal 5. größte Wirtschaft der Welt nicht vom Haken lassen. Vor allem auch deshalb nicht, weil das UK extrem angreifbar ist. Die CoL und das Doppeldefizit das das UK jetzt noch einmal extrem ausweitet, das will ja finanziert werden und da werden die Amis sich zu Wort melden.
Der riecht sehr nach einem “bilateralen Handelsabkommen” welches man vor ein paar Jahren als Knebelvertrag bezeichnet hätte.
Das wird ja alles Folgen haben. Die Sicht auf die USA hat sich ja bereits massiv verändert. Die Atlantiker dürften sehr absehbar mehr Gegenwind bekommen.
Dieses fraking gas das die USA exportieren wollen ist so teuer, das man da massiv subventionieren muss. Mal sehen wer die Zeche bezahlt………
Auch das wird das Vertrauen in den Partner USA nicht stärken…
Also egal was da kommt. Wir werden es aushalten. Die USA sehen gerade nicht so gut aus.
Die FED rudert zurück zu den Nullzinsen und zur Ausweitung der FED Bilanz.
Das wird aber zu Lasten der Staatsfinanzierung der USA gehen.
Die Trendwende hat man ja ausgeführt, um Geld in die USA zu locken.
Geld das Renditen erwirtschaften sollte.
Wie wollen die USA denn Renditen erwirtschaften und Geld anlocken, wenn die mit der halben Welt im (Wirtschafts-) Krieg sind?
Ich hoffe (wirklich) auf eine 2. Amtszeit für Trump, das würde ich dem gönnen.
vlg
Peter Nemschak
11. Juni 2019 @ 15:45
Dass Venezuela keine hausgemachten Probleme hätte, entspringt dem Reich der Phantasie. Dass der Iran regionalpolitisch aggressiv tätig ist, braucht nicht näher erläutert zu werden, ebenso wenig dass die Türkei wirtschaftlich auf die EU angewiesen ist. Daher gibt es zwar Probleme aber keinen Grund zur Panik. Ob die Politik Trumps dem langfristigen Eigeninteresse der USA dient, darf bezweifelt werden.
Holly01
11. Juni 2019 @ 18:41
Da sind Sie und ich wohl vollkommen unterschiedlicher Meinung.
Da ich nicht schon wieder den Blog OT stören möchte, weil es eindeutig um Aussenpolitik und nicht um die EU geht, beschränke ich mich auf ein “nehme ich so zur Kenntnis, bin aber nicht Ihrer Meinung”.
Es ist gut, wenn es unterschiedliche Meinungen gibt …
vlg