Alles dreht sich um Orban – Alternativen zum Wachstum
Letzte Woche bekam er in Straßburg einen auf den Deckel. Doch am Dienstag will er sich in Moskau neue Unterstützung sichern: In der EU dreht sich im Moment alles um Ungarns Rechtsausleger Orban. Warum nur?
“Während sich die Beziehungen mit der EU nach der Abstimmung des Parlaments zur Einleitung eines Rechtsstaatsverfahrens gegen Ungarn weiter verschlechtern, sucht Orban den Schulterschluss mit Russland“, meldet “Euronews”.
Auf der Tagesordnung seines Treffens mit Zar Putin stehen unter anderem die Russland-Sanktionen. Orban will sie aufheben – wie übrigens auch ein Großteil der deutschen Wirtschaft. Doch Kanzlerin Merkel hält eisern daran fest.
Merkel war es auch, die darauf bestand, Orban mit einem EU-Rechtsstaatsverfahren zu bestrafen. Damit das klappt, soll sie sogar den Möchtegern-Spitzenkandidaten der EVP, Weber, instruiert haben (Orban spricht von einem “Befehl aus Berlin”).
Weber rückte denn auch über Nacht von Orban ab, dem er jahrelang die Treue gehalten hatte. Nur die CSU folgte nicht – und stimmte gegen das EU-Verfahren. Seitdem ist Orban auch ein Streitthema in der Union.
Doch wieso entzünden sich die Gemüter ausgerechnet an dem ungarischen Rechtsausleger – und nicht an Italiens Innenminister Salvini, mit dem Orban eng zusammenarbeitet? Und wieso eskaliert der Streit gerade jetzt?
Ein Grund ist sicher in dem bizarren Bündnis zu suchen, das Orban und Salvini für den Europawahlkampf geschlossen haben. Zum Hauptgegner haben beide Frankreichs Staatschef Macron und die Anhänger einer offenen und liberalen EU erklärt.
“Ich bin überzeugt, dass wir in einigen Monaten gemeinsam mit Orban regieren werden”, erklärte Salvini vergangene Woche bei einem Besuch bei Österreichs Vizekanzler Strache von der rechtspopulistischen FPÖ.
“Bei der Wahl nächstes Jahr werden wir Europa völlig verändern und die Sozialisten von der europäischen Regierung vertreiben”, sagte der Italiener. Orban versprach nicht weniger als einen Regimewechsel.
Der andere Grund liegt darin, dass Merkel und die EVP es jahrelang versäumt haben, eine vernünftige Osteuropa-Politik zu machen. Orban und seine Verstöße gegen EU-Werte wurden einfach ignoriert.
Gleichzeitig wurde und wird Putin an den Rand gedrängt. Statt einen Anreiz zu setzen, indem man die Russland-Sanktionen lockert, wurden Erleichterungen an unerfüllbare Bedingungen geknüpft.
Beides rächt sich nun – und das ausgerechnet ein dreiviertel Jahr vor der Europawahl. Nun wenden sich die Rechten und die Populisten dem Zaren Putin zu – und Orban kann sich als Opfer der EU hochstilisieren.
Dabei soll ihm übrigens auch das EU-Gericht helfen. Orban will in Luxemburg gegen das Strafverfahren vorgehen, das das Europaparlament letzte Woche ausgelöst hatte, berichtet die ungarische Nachrichtenagentur MTI.
WATCHLIST:
- Zum Abschluss des Drei-Meere-Gipfels von 12 osteuropäischen EU-Staaten in Bukarest will US-Energieminister Perry für Flüssiggas made in USA werben. Wird Kommissionschef Juncker dagegenhalten? Er ist auch nach Bukarest gereist, zum ersten Mal. Bei einem Besuch in Washington hatte er noch gelobt, sich für die US-Interessen einzusetzen…
WAS FEHLT?
- Grünes, umweltverträgliches Wachstum. Obwohl sich die EU gern als Vorreiter im Umwelt- und Klimaschutz präsentiert, nimmt der CO2-Ausstoß weiter zu, die Staus werden immer größer, die Müllberge auch. Nun wollen Gewerkschaften und Europaabgeordnete auf einer “Post-Growth”-Konferenz in Brüssel nach Alternativen suchen. Das Programm steht hier
- Konsequenzen aus dem Dieselgate. Drei Jahre nach den Enthüllungen, die vor allem Volkswagen trafen, sind immer noch 43 Millionen Luftverschmutzer auf Europas Straßen unterwegs, wie “Le Monde” berichtet. Laut einer Studie von “Transport & Environment” ist Frankreich mit 8,7 Mill. Fahrzeugen am stärksten betroffen, sogar noch vor Deutschland und UK…
Kristian Papp
18. September 2018 @ 18:22
Unabhängig? Warum dann „Zar“ Putin, lasst das doch einfach weg, oder benutzt ein wertneutrales Wort.
ebo
18. September 2018 @ 18:28
Ja, auch unabhängig vom Kreml.
Claus
18. September 2018 @ 12:17
So, so, Orban wird abgestraft weil er unabhängige Richter durch regierungstreue ersetzt haben soll. Na, sowas, hat er sich da vielleicht inspirieren lassen, was in Deutschland bei der Berufung höchster Richterstellen bis nach Karlsruhe bewährte Praxis ist und wogegen sich nie jemand aufgeregt hat?
Dazu „tagesschau.de“ vom 03.07.2018: „Mit Susanne Baer (Anm: Zu ihrer „Berufung“ und Qualifikation sagt man besser nichts!) sitzt dort bereits eine Richterin, die den Grünen zugerechnet wird. Die Richterinnen Gabriele Britz und Yvonne Ott sowie Richter Johannes Masing wurden auf Vorschlag der SPD gewählt. Henning Radtke wiederum gilt als konservativ und CDU-nah.“
Oder, etwas aktueller: Vor kurzem wurde die Bewerbung eines renommierten Juristen zum Richter am Landesverfassungsgerichtes in Schleswig Holstein auf Druck der mitregierenden Grünen deswegen gekippt, weil er a) in einem Rechtsgutachten die Legitimität des Grünen Gender-Gagas an Schulen infrage stellte und b) der falschen Partei angehört.
Man sieht, es läuft doch alles! Und dass Frau Merkel darauf besteht, dass Herr Orban abgestraft werden muss, ist doch verständlich: Die eigenen Grenzen gegen illegale Migration sichern und damit gültiges EU-Recht durchsetzen, also, lieber Orban, so geht das nun wirklich nicht!
Und was Frau Merkel mit höheren „un-regierungstreuen“ Leuten macht, die sich anmaßen, Tatsachen zu benennen, kann man in diesen Tagen an der „Personalie Maaßen“ bewundern. Denn wir leben in einer Zeit, in der nicht zählt, wie es ist, sondern wie es zu sein hat. Aber das Gute ist: Immer mehr Menschen merken, was da hinter den Kulissen der Demokratie so abläuft.
Peter Nemschak
18. September 2018 @ 13:51
Auch Demokratien sind nicht perfekt, haben aber den Vorteil, dass Regierungen gewaltfrei durch Abwahl entfernt werden können und Exzesse durch den Rechtsstaat gebremst werden. Ihrer Argumentation folgend wäre auch Mord, nur weil er üblich ist und immer wieder passiert, akzeptabel. Um politische Verfehlungen zu ahnden, gibt es den Rechtsstaat. Wenn man diesen wie in Ungarn und Polen ruiniert, ruiniert man auch ein Korrektiv für politische Verfehlungen.
Erich Ganspöck
18. September 2018 @ 11:08
Alles was Herr Nemschak meint trifft genauso auf die alte ÖVP und besonders die SPÖ im besonderen zu (Tal Silberstein und der schmutzige Wahlkampf!!). Journalistenkauf durch eigentlich unnötige aber millionenschwere Inserate sind nicht nur bei der Wiener sozialistischen Landesregierung üblich. Nazivergangenheit hat doch fast jeder österreichische Politiker der Seniorengeneration; speziell die SPÖ hat nach dem Krieg nicht genug aufnehmen können. Also bitte bleiben wir bei den Fakten. Karas und die ÖVP-Riege im seltsamsten Parlament der Welt sind schon lange Helfer der Linksideologen – siehe jetzt die Beobachtung Österreichs durch eine Edelkommunistin, die vor den Menschenrechtsverletzungen in den arabischen Ländern und auch sonst völlig blind ist. Zudem wird das Abstimmungsergebnis gegen die Bevölkerung Ungarns hoffentlich genau überprüft (Stimmenthaltungen zählen hier auf einmal nicht?).
Peter Nemschak
18. September 2018 @ 12:47
Cosi fan tutte – so machen es alle
oder
Alle, die es so machen, gehören vor den Richter
Sie scheinen mit der ersten Alternative zu sympathisieren.
Wenn Sie Menschenrechtsverletzungen nur bei den üblichen Verdächtigen (Russland, Polen, Ungarn, Türkei etc.) überprüfen, setzen Sie sich dem Vorwurf der Parteilichkeit aus. Wir haben doch nichts zu verbergen, oder ?
Peter Nemschak
18. September 2018 @ 08:35
Gegenüber Russland könnte man auch anders vorgehen: Sanktionen deutlich verschärfen und gleichzeitig mit Anreizen verbinden. Sonst könnte der Eindruck bei Putin entstehen, dass er die bisherigen Sanktionen ausgesessen und sein Verhalten sich gelohnt hat. Was Orban und sein Verhältnis zur FPÖ betrifft, wäre es notwendig, mögliche korruptive Geldflüsse aus Ungarn zur FPÖ näher zu untersuchen. Orban hat ein starkes Motiv, das Abstimmungsverhalten der österreichischen Koalitionsregierung in der EU zu beeinflussen. Die Verärgerung von Strache, Chef der FPÖ, über das Verhalten des konservativen Koalitionspartners gegenüber Orban und sein fehlgeschlagener Versuch das Abstimmungsergebnis im EU-Parlament anfechten zu lassen, sind Grund genug, den Verdacht auf Korruption zu wecken und investigative Journalisten auf den Plan zu rufen. Die FPÖ hat nicht nur in Sachen Nazivergangenheit sondern auch Korruption und persönlicher Bereicherung ihr nahestehender Personen einen schlechten Ruf. Manche ihrer Parteigänger sind schon verurteilt, gegen andere Prominente laufen nach wie vor Prozesse. Illegale Einflussnahme auf die Politik souveräner Staaten ist bei Rechtspopulisten verbreitet und beliebt. Das große Vorbild Putin wird im Kleinen nachgeahmt. Statt sich von den Rechtspopulisten in Sachen Migration treiben zu lassen, wäre es für die demokratischen Parteien an der Zeit, in Sachen Korruption zum nachhaltigen Gegenangriff überzugehen. Die Basis rechtspopulistischer Parteien dürfte wenig Verständnis aufbringen, wenn sie merken, dass sich ihre Führer notorisch bereichern. Sympathie könnte in Antipathie umschlagen.