Absurde EU-Regeln: Fällt der Rechtsstaat hinten runter?

Für den EU-Finanzgipfel hat Ratspräsident Michel einen Kompromiss vorgelegt, der den „Sparsamen Vier“ entgegen kommt und gleichzeitig neue Probleme schafft. Im Europaparlament fürchtet man vor allem, der Rechtsstaat könne hinten runterfallen.

Schon Kanzlerin Merkel hatte angedeutet, dass der Kampf gegen Willkür und Korruption in Ungarn, Polen oder Bulgarien nicht mehr so wichtig sei: Man müsse erst einmal ein neues Budget haben, bevor man über den Rechtsstaat reden könne, sagte sie.

Gipfelchef Michel, ein liberaler Belgier, setzt nun noch einen drauf. Er will die Bedingungen für mögliche Kürzungen von EU-Hilfen verschärfen. Sanktonen für Rechtsstaats-Verstöße sollen nur noch mit qualifizierter Mehrheit möglich sein.

Die EU-Kommission hatte eine “umgekehrte” qualifizierte Mehrheit vorgeschlagen. Um eine Kürzung abzuwehren, müßten also Rechtsstaats-“Sünder” und ihre Partner eine qualifizierte Mehrheit erringen, was deutlich schwieriger ist.

Mit seinem Vorschlag kommt kommt Michel vor allem Ungarns Regierungschef Orban entgegen. Der droht nicht nur mit einem Veto beim EU-Gipfel, sondern fordert auch noch ein Ende des gegen Ungarn laufenden “Artikel-7”-Rechtsstaatsverfahrens.

Das sei Erpressung, heißt es nun im Europaparlament, das dürfe man Orban nicht durchgehen lassen. Doch auch mit Michels Entwurf sind viele Abgeordnete nicht zufrieden.

„Die vorliegenden Pläne sind ein Schritt in die richtige Richtung, reichen aber bei weitem nicht aus“, sagt die CSU-Parlamentarierin und Haushaltsexpertin M. Hohlmeier.

Ihr grüner Kollege R. Andresen geht noch weiter: „Ohne wirksamen Rechtsstaatsmechanismus wird es im Europäischen Parlament keine Mehrheit geben.“

Für eine Einigung auf ein neues Budget braucht es jedoch grünes Licht aus allen 27 EU-Staaten – und dem Parlament. Genau das macht den Finanzpoker so knifflig.

Die Budgetregeln entrümpeln!

Das Problem ließe sich allerdings lösen, wenn das Parlament von vorneherein mit am Verhandlungstisch säße. Denkbar wäre auch, die EU-Budgetregeln zu entrümpeln.

So könnte man mit dem Anachronismus eines Sieben-Jahres-Budgets Schluß machen; ein Haushalt pro Legislaturperiode wäre viel besser und demokratischer!

Zudem könnte man Demokratie und Rechtsstaat zur Voraussetzung für Finanzhilfen erklären, so wie es in den EU-Verträgen ohnehin angelegt ist (Kopenhagener Kriterien).

Aber das wäre wohl zu viel verlangt. Statt die EU zu reformieren, verschleißen sich die Chefs in überkommenen Regeln und Prozeduren.

Der EU-Gipfel wird wieder reichlich Anschauungsmaterial liefern, fürchte ich…

Siehe auch “Absturz oder Aufbau? Kritik an Michels Plan”