37000 Misstrauensvoten

Die größte Währungskrise in der Geschichte der EU löst die größte Verfassungsbeschwerde in Deutschland aus: Rund 37.000 Bürger haben sich nach Angaben der Initiative “Mehr Demokratie” den Klagen gegen ESM und Fiskalpakt angeschlossen. Nun sagt die Masse noch nichts über die Klasse aus; viele Kläger erhöhen auch nicht die Erfolgsaussichten in Karlsruhe. Dennoch kann man von einem massiven Misstrauensvotum gegen die Politik der Bundesregierung sprechen.

“37.000 Menschen zeigen der Politik die rote Karte”, heißt es auf der Website der Initiative. Die Beschwerdeführer wollten nicht nur gegen die Aushöhlung des Budgetrechts des Bundestags und das Demokratiedefizit bei der Euro-“Rettung” protestieren. Vielmehr gehe es auch darum, eine unbegrenzte Haftung Deutschlands für überschuldete Länder zu vermeiden.

„Würde der ESM sofort in Kraft treten, wäre Deutschland auf Dauer unberechenbaren Haushaltsrisiken ausgesetzt“, erklärt die Prozessbevollmächtigte des Bündnisses, die ehemalige Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin. Mehr noch: Das wird quasi unumkehrbar sein; dies wird der Deutsche Bundestag nicht mehr beeinflussen können. Der ESM-Vertrag sieht vor, dass ein Gesamtvolumen von (bisher) 700 Milliarden Euro für dessen Zwecke zur Verfügung steht – und zwar auch dann, wenn einzelne Mitglieder ihren Anteil nicht leisten können.

Diese Argumentation ist problematisch, denn sie spielt den Eurogegnern im rechtsnationalen Lager in die Hände, die seit Beginn der Griechenland-Krise eine “Schuldenunion” und den Untergang Deutschlands an die Wand malen. Sie übersieht zudem, dass es immer wieder die schwarzgelbe Bundesregierung war, die Krisenländer gegen ihren erklären Willen unter den Rettungsschirm trieb, zuletzt Spanien (siehe “Breaking the rules”).

Die Stützung ist nämlich in deutschem Wirtschafts-Interesse – es geht um das Geld deutscher Banken, um deutsche Marktanteile und last not least um deutsche Reformprogramme, die endlich auch im “sündigen” Süden Europas durchgesetzt werden sollen. Dennoch haben Däubler-Gmelin und die anderen Kläger Recht, dass eine quais automatische Haftung gefährlich und undemokratisch wäre (siehe dazu auch mein Post “Uneingeschränkt und unwiderruflich” vom Februar 2012).

Ich glaube zwar nicht, dass die Verfassungsrichter den Klagen stattgeben. Umso wichtiger wäre es, die 37.000 Klagen in 37.000 Stimmen für ein anderes, demokratisches UND solidarisches Europa umzusetzen. WIE das geschehen kann, wird die große Frage nach dem Karlsruher Urteil am kommenden Mittwoch sein. Vielleicht ist der nächste Schritt ja die Forderung nach einer Volksabstimmung (siehe “Volksabstimmung jetzt?”)…?