Zwergenaufstand oder Systemkrise?
Nur zwei Tage nach dem “großen Wurf” (SPD-Chef Schulz) regt sich Widerstand gegen die geplante neue GroKo. Ist es nur ein “Zwergenaufstand”, wie die CSU kritisiert – oder der Auftakt für die nächste Krise?
Am Samstag hatte der SPD-Landesparteitag Sachsen-Anhalt knapp gegen den Start von Koalitionsverhandlungen gestimmt. Danach äußerten auch prominente Genossen aus Berlin massive Vorbehalte.
Doch Nachverhandlungen, wie sie nun mancher fordert, dürfte es kaum geben. CDU und CSU lehnen das strikt ab. Nun rächt sich, dass Schulz nicht wirklich sondiert hat, wie er es versprochen hatte.
Bei einer echten Sondierung hätte man nämlich kein detailliertes Kompromisspapier erarbeitet, sondern Fragen gestellt: Wäre auch eine Minderheitsregierung denkbar? Muss Merkel vier Jahre “durchregieren”?
Man hätte die Haltung zur Bürgerversicherung oder zu Europa nicht etwa festgeschrieben, sondern ausgelotet, wo man steht – und wie weit man gehen kann. Über die Details hätte man erst später verhandelt.
Schulz hatte für all dies die denkbar günstigste Ausgangsposition – denn die CDU und Merkel sind von seinem “Ja” abhängig. Er hat nicht viel daraus gemacht. Stattdessen hat er seine eigene Partei gespalten.
Nun muss er versuchen, den Aufstand an der Basis zu ersticken – denn ein “Nein” beim Parteitag am 21. Januar würde sein politisches Ende bedeuten. Auch Merkel könnte darüber noch stürzen.
Beide sind auf Gedeih und Verderb aneinander gekettet. Doch ob sie wirklich noch die Kraft haben, sich über den Willen der Wähler hinwegzusetzen – die ja nun wirklich keine Neuauflage der GroKo wollten – ist offen.
Genauso gut könnten die SPD-Proteste der Anfang vom Ende des alten Parteiensystems sein. Denkbar ist auch eine Art Meltdown, bei der erst die SPD Nein sagt – und dann das ganze System wackelt…
Siehe auch “Das dritte Politbeben”
Dixie Chique
15. Januar 2018 @ 12:34
„Denkbar ist auch eine Art Meltdown.“ …
Klopf an Holz ! (Kopf klopf Kopf klopf)
Baer
15. Januar 2018 @ 08:44
Das derzeitige Desaster zeigt doch eindeutig,dass es nicht um politische Inhalte geht,sondern um die Verteilung lukrativer Posten.Schulz ist genau wie Steinmeier ein Wendehals,der nur sein eigenes Wohl im Auge hat.Wenn innerdeutsch so ein Chaos herrscht,wie soll das Ganze dann für Europa funktionieren?
Demokratie bedeutet Entscheidungen im Kleinen zu treffen,nämlich dort wo man Sachverhalte im Detail durchschaut und versteht,und nicht Sachverhalte zu lösen ,die einen selbst überhaupt nicht betreffen.
Das gesamte politische System gehört reformiert.
Z.B. Ein politisches Mandat höchstens für zwei Legislaturperioden,danach eine wirklich angemessene Karrenz.Wer sich nicht daran hält verliert alle Versorgungsansprüche aus Steuergeldern.Ausserdem würde die Halbierung der Bezüge der Politiker bis zur Bildung einer neuen Regierung den Prozess deutlich beschleunigen.Es sind Steuergelder mit denen unsere Volksvertreter bezahlt bzw. alimentiert werden.Schluss mit der Selbstbedienung und Geld nur gegen Leistung, eben wie in der freien Wirtschaft.Wie soll jemand Wirtschafts-bzw.arbeitspolitische Entscheidungen treffen,der selbst nie auch nur einen Tag seines Lebens in einem normalen Arbeitsverhältnis Erfahrungen sammeln konnte.Studium und Politik ist keine Lebensbiographie mit Expertise,die ja von den Politikern so gerne als Legitimation für ihre Einkünfte ins Feld geführt werden.
Anonymous
15. Januar 2018 @ 18:05
>>“Ausserdem würde die Halbierung der Bezüge der Politiker bis zur Bildung einer neuen Regierung den Prozess deutlich beschleunigen.“
Also exactement in der Phase einer Regierungsbildung möchten Sie den Wunsch der Politiker stimulieren, Überbrückungszahlungen der Lobby entgegenzunehmen?
Herbert Hensler
14. Januar 2018 @ 21:37
Mir kommt der Partevorsitzende der SPD immer mehr wie ein Anfaenger in polischem Handeln vor. Aberauch die sondierende Restmannschaft ist politisch unterbelichtet, die Festschreibung der Themen vor Koalitionsverhabdlungen sind pure Dummheit.
Peter Nemschak
14. Januar 2018 @ 15:35
Es mehren sich die Anzeichen, dass die Zeit von Merkel und Schulz abgelaufen ist. Neue Ideen und Visionen sind gefragt. Die EU braucht eine Geschichte, mit der sich die meisten Europäer identifizieren können und in der sie sich gemeinsam zu Hause fühlen. Das Technokratische beruhigt nicht wirklich, erzeugt Widerwillen und bei vielen Ängste. Die Zukunft ist derzeit auch nicht so wie sie einmal war.
Claus
14. Januar 2018 @ 14:07
„und dann das ganze System wackelt“ (?)
Warum sollte es wackeln? Steht im Grundgesetz irgendwo geschrieben, dass ohne Regierungsmehrheit, die durch Koalitionsbildung herzustellen ist, nicht regiert werden darf? Wenn die SPD noch einen Funken Verstand hat, steigt sie aus den GroKo-Verhandlungen aus und leitet als Opposition eine radikale personell-programmatische Erneuerung der Partei ein. Und pfeift auf Steinmeier‘s vermeintliche „Verantwortung für Deutschland und die Welt“ und ein paar Ministerpöstchen.
Und das Publikum darf sich an „Merkel allein zuhaus“ erfreuen und an lebhaften Debatten dort, wo sie hingehören: Nämlich wieder in den Bundestag, und nicht in irgendwelche Koalitionsmauscheleien in Hinterzimmern. (Motto: Tausche Bürgerversicherung gegen Familiennachzug)
Peter Nemschak
14. Januar 2018 @ 12:08
Radikale und empörte Gesellschaftsveränderer hat es immer gegeben, vor allem bei den Jungen. Sie wurden letztlich vom herrschenden System verschluckt bzw. integriert. Was basisdemokratisch als Massenbewegung (“Bewegung” = große Mode derzeit in der EU !!!) beginnt, endet letztlich in einer politischen Machthierarchie. Die Bewegung der 5 Sterne in Italien ist schon so weit, Podemos in Spanien auf dem besten Weg in diese Richtung. Gesellschaftliche Systeme neigen nicht nur ökonomisch sondern auch politisch zur Ungleichheit. Die Revolution hat stets ihre Kinder gefressen. Das heißt nicht, dass komplexe Gesellschaften nicht einem steten Wandel unterworfen wären. Allerdings überschätzen die einzelnen Akteure ihren spezifischen Einfluss. Wer hätte Mitte der 1980-iger Jahre gedacht, dass…….Große Brüche wie der Zusammenbruch der Sowjetunion sind seltene unerwartete Jahrhundertereignisse. Wan kommt der nächste “schwarze Schwan”?