Zweifel am EU-Haftbefehl
Wenn es um Verhaftungen in Venezuela oder Russland geht, fordert die EU-Kommission ungefragt einen fairen Prozeß. Doch zum EU-Haftbefehl gegen Katalanen-Führer Puigdemont will sie trotz mehrfacher Nachfrage nichts sagen. Dabei sind Zweifel erlaubt.
Denn die spanische Justiz beruft sich auf Sachverhalte, die im europäischen Haftbefehl nicht vorgesehen sind. Vor allem die Puigdemont vorgeworfene “Rebellion” existiert im EU-Recht nicht, argumentiert E. Beni in “El Diario”.
There is a limited list of crimes to which the European Arrest Warrant applies. And, crucially, none of the three crimes Puigdemont is indicted for – rebellion, sedition and misuse of public funds – are on that list. The closest is misuse of funds, and even then the crime that is on the list is corruption, the EU definition of which doesn’t include the Spanish definition of misuse of funds.
Diese Einschätzung aus W. Münchaus “Eurointelligence” dürfte die belgische Justiz noch beschäftigen. Denn die muss nun erst einmal prüfen, oft der europäische Haftbefehl gültig ist. Das kann dauern.
Puigdemont kann nämlich Widerspruch einlegen und die Prozedur hinauszögern – insgesamt um bis zu 100 Tage. Das würde reichen, um die Neuwahl in Katalonien am 21.12. in Sicherheit abzuwarten.
Im Durchschnitt dauert es übrigens 48 Tage, bevor ein europäischer Haftbefehl trotz eines Widerspruchs ausgeführt wird. Im Jahr 2015 wurden zwar mehr als 16.100 europäische Haftbefehle ausgestellt.
Doch nur rund 5300 wurden tatsächlich vollstreckt. Das ist nicht einmal ein Drittel…
Siehe auch: “Das kommt mir spanisch vor“
Peter Nemschak
5. November 2017 @ 12:33
@Oudejans harte Arbeit ist schlecht, weil neoliberal (was immer das heißen mag). Habe ich Sie richtig verstanden?
@der oekonomiker Sie scheinen meinen Befund, dass unsere Gesellschaft in zwei weltanschauliche Lager zerfallen ist, die einander wenig zu sagen haben und im besten Fall indifferent gegenüber stehen, zu bestätigen.
Im übrigen kann es keinen EU- sondern bloß einen belgischen Haftbefehl geben, ein Indiz dafür, dass die EU rechtlich mit dem Fall Puigdemont nichts zu tun hat. Politisch scheint sich die Aufregung unter den Bürgern der Mitgliedsländer in Grenzen zu halten.
Oudejans
5. November 2017 @ 15:21
>>”@Oudejans harte Arbeit ist schlecht, …”
Harte Arbeit ist schlecht für die Gesundheit, kann aber reichen Lohn einbringen, dessen Umverteilung Sie propagieren, indem Sie eine katalanische Unabhängigkeit verdammen – die Sie aber “sozialromantischen Ausflug” schelten.
Bin ich der einzige, der Ihre “Argumentation” hier an einer logischen Klippe zerschellen sieht?
Wahrscheinlich saßen andalusische Sozialromantiker ohne Ortskenntnis am Steuer des sozialromantischen Ausflugs, der zur Überwindung von 70km rund fünf Stunden dauerte.
http://www.eldiario.es/catalunya/politica/exconsellers-denuncia-trasladaron-esposados-seguridad_0_704479574.html
http://www.ine.es/prensa/cre_2016_1.pdf
der oekonomiker
4. November 2017 @ 23:59
P. N., was rauchen/schlucken Sie? Hören Sie auf damit, sonst nehmen Ihre Sinnestäuschungen keine Ende! „Pluralistisch liberale Demokratie“, wie gibt es denn sowas? Oder „Bürgerkriegsnostalgie“? Sie halluzinieren!
Bolivarische Republik
4. November 2017 @ 08:50
Spanische Polizei stürmt Hauptquartier der katalanischen Polizei
https://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2017/10/31/spanische-polizei-stuermt-hauptquartier-der-katalanischen-polizei/
Man fragt sich, warum der kastillische Nationalist Rajoy nicht genauso gegen Terroristen und extremistische Imame vorgegangen ist, die für den Terroranschlag in August 2017 in Barcelona veranwortlich sind.
Wieso hatte die Spanische Polizei und Kriminalamt die Katalanen nicht gewarnt, sondern den Anschlag einfach zugelassen und geschehen lassen und obwohl über die Attentäter der Madrider Kriminalamt und Geheimdiensten vieles bekannt war, warum?
Die kastillischen Nationalisten erzählen nun sogar neue Märchen über den Anschlag in Barcelona. Der Terroranschlag hätte verhindert werden können, wenn der kastillische Faschist rechtzeitig gehandelt hätte.
Es sind neue Fakten zum Terroranschlag in Barcelona aufgetaucht. Der Anschlag hätte verhidnert werden können, wenn Rajoy es nur gewollt hätte:
https://www.heise.de/tp/features/Maerchen-und-Schuldzuweisungen-zu-Anschlaegen-in-Katalonien-3808023.html
https://www.heise.de/tp/features/Maerchen-und-Schuldzuweisungen-zu-Anschlaegen-in-Katalonien-3808023.html?seite=3
Peter Nemschak
4. November 2017 @ 09:55
Mittlerweile gefällt sich Puigdemont in der Rolle des verfolgten Robin Hood und wird zunehmend zur Projektionsfläche all jener, die mit unserer Gesellschaft nichts anzufangen wissen und Hass gegen die herrschenden Eliten der pluralistischen liberalen Demokratie hegen. Aus einem spanischen Separatismusproblem wird ein Antifaschismusdiskurs, eine Spaltung links/rechts. Spanische Bürgerkriegsnostalgie kommt auf. Was kommt als Nächstes? Vielleicht Fake News gefällig? Langsam wird es Zeit, auf den Boden der Realität zurückzukehren und den sozialromantischen Ausflug zu beenden.
Oudejans
5. November 2017 @ 01:00
Ist es nicht viel sozialromantischer, den spanischen Mezzogiorno weiter mit hart neoliberal erarbeiteten katalanischen Euros durchfüttern zu wollen?
Übrigens Puigdemont.
Schöner als mit seiner Ausreise nach Brüssel ist noch kein Europäer “seinem” Regierungschef und den EU-Obersten mit dem blanken Hintern ins Gesicht gesprungen. Welch ein Prachtarsch, der da der galizischen Farce ins Gesicht grient, die sich gerade zum Oberkastilen zu kriechen sucht.
Politische Gefangene sind genau das, was der EU noch fehlt, um das Bild abzurunden.
Vordergründig mag es gehen um eine katalanische Unabhängigkeit – in Wirklichkeit aber darum, welche Gedanken in EUropa noch denkbar sind.
Peter Nemschak
3. November 2017 @ 18:52
Puigdemont hat auf ganzer Linie versagt, liest man in den Medien. Schade um jeden Gedanken an ihn. Er ist bereits Geschichte.
Oudejans
3. November 2017 @ 22:45
Ach, Nemschak.
Kleopatra
4. November 2017 @ 08:25
Sie wissen das aber schon in einem verdammt frühen Stadium. Was wäre denn nach Ihren Kriterien ein “Nicht-Versagen” Puigdemonts?
Dass es deutsche Journalisten gibt, die etwas gegen die katalanischen Separatisten haben, ist klar, und die werden dann versuchen, einen Mißerfolg herbeizuschreiben. Aber wie gesagt, ob jemand versagt hat, und wenn ja wer, werden wir erst noch sehen. Die spanische Regierung ist z.B. dabei, sich in und außerhalb Kataloniens nicht gerade Freunde zu schaffen.
Hella-Maria Schier
3. November 2017 @ 16:32
Es gibt auch andere spanische Stimmen, allerdings kaum erwähnt: Pablo Iglesias von Podemos spricht sich gegen die Abspaltung aus, würde sich aber, laut seinen Worten, schämen, zu einem Land zu gehören, dass politische Gefangene macht. Podemos wollten den Karalanen die Entscheidung überlassen., während sie hofften, dass gegen die Abspaltung entschieden würde. Da Podemos immer noch viele Anhänger haben, dürfte ein guter Teil der Spanier ähnlich eingestellt sein. Sie sollten laut gegen die drohende Eskalation und auch gegen Rajoy, der ihnen ja ohnehin ein Dorn im Auge ist, protestieren! Warum.schweigt das linke Spanien, dass es doch sehr wohl gibt?Erinnerungen am den Bürgerkrieg? Sie müssen jetzt verhindern, dass die Fronten sich zu sehr verhärten, was nur ein weiterer Schritt des Teile und Herrsche – Prinzips wäre. Albrecht Müller stellt auf den NDS zu Recht eine allgemeine Tendenz zu Spaltung und Konflikteskalation fest. Irgendwo las ich einen Hinweis auf George Soros, der um ein paar Ecken die Sepetatisten unterstütze! Passen würde es zu diesem Chaos-Schaffer.
Ute Plass
3. November 2017 @ 14:07
“Madrid heizt den Konflikt um Katalonien an. Mit Rückendeckung der konservativen Machthaber in Europa.”
http://www.nachdenkseiten.de/?p=40890#more-40890
Reinard Schmitz
3. November 2017 @ 13:56
Es ist eine schreckliche Farce, die da abgespult wird. Es kann einem wirklich himmelangst werden.
Peter Nemschak
3. November 2017 @ 13:38
Welches Recht gilt bei der Begründung eines internationalen Haftbefehls im Fall von Puigdemont ? Belgisches, spanisches oder EU-Recht ?
Kleopatra
3. November 2017 @ 18:39
Der entscheidende Unterschied des Europäischen Haftbefehls zum internationalen Haftbefehl besteht darin, dass der erste ein (zumindest in der Theorie) stark vereinfachtes und verkürztes Auslieferungsverfahren vorsieht. Und für einen solchen Haftbefehl ist natürlich Unionsrecht maßgeblich, weil er auf einem Unionsrechtsakt beruht; und das Unionsrecht sieht den Europäischen Haftbefehl nur für bestimmte Vorwürfe vor. Ursprünglich war vorgesehen, dass europäische Haftbefehle gar nicht mehr geprüft werden, sondern gleich mit einer Auslieferung enden, weil man einander angeblich vertraut, dass der andere schon ein Rechtsstaat sein wird. In der Praxis wird u.U. doch geprüft (in Deutschland gab dazu es m.W. ein Präzedenzurteil des Verfassungsgerichts). Ein normales Auslieferungsverfahren dagegen wäre eine sehr komplizierte Sache, weil i.d.R. nachgewiesen werden müsste, dass die verfolgte Tat in beiden Staaten strafbar ist, es müssen Garantien beigebracht werden, dass die Strafverfolgung nur wegen der im Auslieferungsantrag bezeichneten Tat erfolgt usw.
Kleopatra
5. November 2017 @ 23:01
Ergänzung: Sowohl als auch. Der Europäische Haftbefehl ist ein Instrument des Unionsrechtes, aber seine praktische Ausführung wird durch ein belgisches Gesetz geregelt. Also gilt sowohl europäisches als auch belgisches Recht. (bzw. entsprechend in anderen EU-Mitgliedstaaten …).
Nach dem belgischen Ausführungsgesetz (Art. 5 Abs. 1) ist die Auslieferung zu verweigern, wenn der zugrundeliegende Sachverhalt nach belgischem Recht nicht strafbar ist, außer in 32 bestimmten Straftatbeständen, zu denen die im konkreten Fall geltend gemachten offenbar aber nicht gehören. Sofern es sich nicht um diese speziellen Tatbestände handelt, gilt somit das normale Prinzip „Erfordernis der beidseitigen Strafbarkeit“, d.h. ein Staat liefert einen Gesuchten nicht aus, wenn die Straftat, die ihm vorgeworfen wird, nicht in beiden Staaten, also auch dem, der um die Auslieferung gebeten wird, strafbar ist.