Zu deutschen Konditionen

Die Bundesregierung spielt Katz und Maus mit Griechenland. Noch vor einer Woche lehnte Finanzminister Schäuble einen Schuldenschnitt für Athen vehement ab. Nun hält Kanzlerin Merkel überraschend dagegen: Ein Schuldenschnitt sei unter Umständen doch denkbar – allerdings erst nach der Bundestagswahl, und nur zu deutschen Konditionen.

„Wenn Griechenland eines Tages wieder mit seinen Einnahmen auskommt, ohne neue Schulden aufzunehmen, dann müssen wir die Lage anschauen und bewerten“, sagte Merkel ihrem Hausblatt „Bild am Sonntag“. Dann sei auch ein Schuldenerlass möglich. Allerdings rechne sie damit nicht vor 2015. Denn das aktuelle Hilfsprogramm laufe bis 2014 – mit der Wahl in Deutschland im Herbst 2013 habe das nichts zu tun.

Doch in Berlin und Brüssel denken viele das genaue Gegenteil. In der EU-Hauptstadt ist schon lange aufgefallen, dass die Bundesregierung alle unliebsamen Themen mit Rücksicht auf die Bundestagswahlen auf die lange Bank schiebt. Neben der Hilfe für Griechenland, die wegen deutscher Bedenken erst nach drei Krisensitzungen beschlossen wurde, gehört dazu auch die geplante neue Bankenaufsicht.

Schäuble in Erklärungsnot

Und in Berlin hat die Opposition noch bei der Abstimmung über die Griechenland-Hilfen am Freitag prophezeit, dass Merkel bald umfallen und einen Schuldenschnitt akzeptieren werde. „Es wird einen Schuldenschnitt geben“, sagte Grünen-Fraktionschef Trittin. Dass es so schnell gehen würde, damit hat allerdings kaum jemand gerechnet. Nicht einmal drei Tage sind zwischen dem Bundestagsvotum und dem Merkel-Interview vergangen.

Vor allem für Schäuble ist die neue Ansage seiner Kanzlerin unangenehm. Wenn er heute nach Brüssel reist, um am Treffen der Eurogruppe teilzunehmen, dürfte er in Erklärungsnot geraten. Schließlich hatte IWF-Chefin Lagarde mehrmals einen Schuldenschnitt angemahnt, doch der deutsche Finanzminister hatte ihn jedesmal verweigert. Nun muss er erklären, wie es zu dem plötzlichen Sinneswandel kam.

Vermutlich wird Schäuble nun offen aussprechen, was er schon letzte Woche verklausuliert angedeutet hat: Einen Schuldenschnitt soll es nur zu deutschen Konditionen geben. Erst einmal werden Athen neue Daumenschrauben angelegt. Dann muss es seine eigenen Schulden zurückkaufen. Erst wenn das klappt, woran viele zweifeln gibt es neue Notkredite. Und danach muss die Regierung so lange eisern weitersparen, bis sie einen primären Budgetüberschuss erzielt.

Zu wenig, zu spät, zu deutsch

Dann – und erst dann – will Berlin über einen Schuldenschnitt reden. Im Grunde ist es wie mit allen „Rettungs“aktionen der letzten drei Jahre: Erst war Berlin strikt dagegen, aus prinzipiellen Gründen und überhaupt. Dann hieß es, man könne später einmal darüber sprechen, wenn diese und jene Bedingung erfüllt ist. Schließlich stimmten Merkel & Schäuble doch zu – allerdings zu neuen deutschen Konditionen.

So war es beim EFSF, beim ESM, beim ersten Hilfsplan für Griechenland, beim zweiten und nun auch beim dritten. Dummerweise verstrich in der Zwischenzeit jedesmal so viel Zeit, dass die Krise noch schlimmer war als zuvor. Und die Bedingungen führten stets dazu, dass zwar Deutschland von den „Zugeständnissen“ profitiert, die Hilfsempfänger jedoch kaum, im Gegenteil – ihr Leiden wurde verlängert.

Zu wenig, zu spät, zu deutsch – das ist das Grundmuster der Euro-„Rettung“. Grund zur Freude über die plötzliche Kehrtwende Merkels besteht also nicht, eher Grund zur Sorge. Schließlich gibt es – auch unter den Lesern dieses Blogs – nicht wenige, die glauben dass Merkel und Schäuble nur darauf warten, dass Griechenland unter dem Druck der Auflagen zusammenbricht…

Siehe zu diesem Thema auch meine aktuelle Umfrage
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