Warum EUropa Putin braucht

Funkstille. Zwischen der EU und dem russischen Präsidenten Putin herrscht Funkstille. Oder soll man es eisiges Schweigen nennen? Keine einzige Meldung lief am Montag zum Stichwort „EU Putin“, trotz Vereidigung zur vierten Amtszeit.

Klar, das liegt an der Repressionswelle, mit der der neue Zar die Opposition überzieht. Es liegt auch am Machtkampf zwischen Ratspräsident Tusk, dem Putin-Gegner, und Kommissionschef Juncker, der jeden umarmt – auch Putin.

Dabei wäre zumindest eine Meldung wünschenswert gewesen: Dass Brüssel und Moskau gemeinsam den Atomdeal mit dem Iran verteidigen wollen. Denn hier braucht EUropa den russischen Präsidenten – und zwar schnell.

Schon am Dienstag will US-Präsident Trump den von der EU angestoßenen und ausgehandelten Deal in der Luft zerreißen. Dann könnten nicht nur US-Sanktionen folgen, die auch europäische Firmen bedrohen.

Es könnte auch Krieg geben – Israel drängt schon zu schnellen Taten. Eine gemeinsame Verteidigungslinie EU-Russland wäre da sicher hilfreich. Doch die EU traut sich nicht einmal mehr, laut darüber nachzudenken.

Und leise? Wagt man es in Brüssel oder Berlin noch, sich einzugestehen, dass ohne Putin weder der Krieg in Syrien noch die Krise um die Krim und in der Ukraine gelöst werden kann? Wo sind die Realpolitiker?

Wenn es noch welche gäbe, dann würden sie auch darauf hinweisen, dass Putin im Baltikum, im Balkan und sogar in der Türkei gebraucht wird – um dem wild gewordenen Sultan Erdogan Einhalt zu gebieten.

Und wenn wir einen Brzeziński hätten, dann wüßten wir auch, dass sich die EU ohne Russland nie wirklich von den USA emanzipieren kann. Ein Stück weit, wie Kanzlerin Merkel sagt, vielleicht.

Aber nicht wirklich – dabei wäre das gerade jetzt wichtig, wo schon wieder Krieg in der Luft liegt. Trumps Berater Bolton fordert ihn übrigens bereits seit Jahren…

Siehe auch „Die Kriegsvorbereitungen gehen weiter II“ und ein lesenswertes Bolton-Porträt im „New Yorker“

WATCHLIST:

  • Kommissionschef Juncker und Ratspräsident Tusk treffen Nato- Generalsekretär Stoltenberg in Brüssel. Ob sie sich auf die Erklärung von US-Präsident Trump zum Iran vorbereiten? Die soll nun auch schon am Dienstag kommen…

WAS FEHLT:

  • Eine Regierung in Rom. Staatspräsident Mattarella hat die Regierungsbildung zwischen den Parteien für gescheitert erklärt. Mattarella appellierte an die zerstrittenen politischen Kräfte des Landes, eine „neutrale Regierung“ zu unterstützen, die das Land zur Neuwahl führen müsse. Doch die Lega und die populistische Fünf-Sterne-Bewegung sind dagegen…
  • Eine Lösung im Brexit-Streit. Premier May hat die Sache völlig in den Sand gesetzt, doch auch Labour-Chef Corbyn hat keine klare Linie. Kein Wunder – denn nach einem Bericht der „Times“ wird er von der EU offen angefeindet: Sie fürchtet angeblich dessen sozialdemokratische Wirtschaftspolitik – und zieht deshalb die Zügel in den Verhandlungen weiter an.

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