Das verflixte F-Wort

Deutschland soll die Eurozone aus der Krise führen, fordern die USA. Vergeblich – bei der IWF-Tagung in Washington kam es wieder mal zum Eklat. Finanzminister Schäuble will eisern weiter sparen, die USA fordern dagegen Wachstumsimpulse von Berlin. Dahinter stehen handfeste Interessen – und ein institutionelles Problem.

Ich wundere mich immer wieder, wie naiv Amerikaner, Briten und andere Nicht-Euro-Länder mit der Krise der Währungsunion und der Rolle Deutschlands umgehen.

Mit ein bißchen guten Willen und viel Führungskraft könne Berlin das Schicksal wenden, glauben sie. Man müsse einfach ein paar Dogmen und Hemmungen über Bord werfen, dann werde Europa schon aus der Krise kommen.

Selbst prominente Kritiker wie der US-Investor Soros appellieren alle paar Wochen an Berlin, eine aktive Führungsrolle zu übernehmen. Eurobonds oder Euro-Austritt, “lead or leave”, hieß seine letzte Warnung.

Die meisten Deutschen wollen keine Führungsrolle

Soros & Co verkennen dabei, dass die meisten Deutschen gar keine Führungsrolle wollen. Seit Hitler sind wir ganz gut damit gefahren, uns hinter anderen zu verstecken. Alles, was mit Führer oder Führung beginnt, ist uns suspekt.

Sie verkennen auch, dass eine aktive Rolle derzeit nicht im Interesse dieser Bundesregierung ist. Sie übt ihre Hegemonie lieber indirekt, durch Nein-Sagen, Agenda-Setting und Regel- bzw. Normsetzung aus, wie beim Fiskalpakt.

Für Merkel und Schäuble ist das bequemer, als offen den Lead zu übernehmen. Denn dann müssten sie ja auch die Verantwortung für das offensichtliche Scheitern ihres einseitigen Sparkurses in (Süd-)Europa tragen.

Außerdem nützt dieses indirekte, scheinbar selbstlose Krisenmanagement deutschen Wirtschafts-Interessen. Deutschland profitiert mehr als alle anderen von der Euro-“Rettung”, wie mittlerweile sogar die “Zeit” einräumt.

Auf Dauer lässt sich das aber nicht durchhalten. Wenn immer nur einer gewinnt und (fast) alle anderen verlieren, stellt sich früher oder später nicht nur die Führungs-, sondern auch die Machtfrage. Dann bricht Europa auseinander.

Die meisten Experten sind deshalb der Meinung, dass die Eurozone zu einer Föderation ausgebaut werden muss. Demokratische Strukturen, gemeinsame Haftung und gemeinsamer Nutzen sollen den Euro dauerhaft stabilisieren.

Heute wird das “F-Word” sogar auf einer Tagung aller großen Thinktanks in Brüssel diskutiert. “Federalism or Fragmatation” ist das Motto, mit dem man Euroland aus der wirtschaftlichen und politischen Krise retten will.

Das klingt gut, zumal es der föderalen deutschen Tradition entgegen kommt. Die meisten Forscher und viele EU-Politiker hoffen, Berlin gleich nach der Bundestagswahl auf die föderale Perspektive einschwören zu können.

Ich habe jedoch große Zweifel, ob das gelingt. Denn selbst der “überzeugte Europäer” Schäuble ist längst von den “Vereinigten Staaten von Europa” abgerückt. Wenn überhaupt, dann will er sie nur zu deutschen Bedingungen.

Alles läuft auf Fragmentierung und Spaltung hinaus

Und die Mehrheit der Deutschen will schon gar keine Föderation mit den Südstaaten. Der deutsche Michel würde sich lieber heute als morgen von den “Pleite-Griechen”oder den “italienischen Clowns” trennen.

Was tun? Ich fürchte, alles läuft auf die zweite Alternative der Forscher hinaus, die Fragmentierung. Sie ist sogar schon in vollem Gange, man denke nur an den Geldmarkt und die von Berlin blockierte Bankenunion.

Europa ist auf dem besten Weg zur Spaltung – in Nord und Süd, Arm und Reich, Euro und Nicht-Euro-Staaten. Mehr oder weniger wohlgemeinte Appelle an die “German leadership” werden daran auch nichts ändern…