Wie wahrscheinlich ist ein Grexit? (II)
- Athen: Die letzten Äußerungen von Tsipras und Varoufakis deuten darauf hin, dass es beide auf eine Konfrontation mit der Eurogruppe ankommen lassen. Zudem haben sie nun vier Monate Zeit, den Grexit vorzubereiten. Risikofaktor: 9/10
- Berlin: Aus der Hauptstadt kommen widersprüchliche Signale. Finanzminister Schäuble gibt sich beinhart, gleichzeitig ist Deutschland aber auch der größte Gläubiger mit dem höchsten Einsatz. Risikofaktor deshalb: 5/10
- EZB: Die EZB hat die griechischen Banken von Vorzugsregeln ausgeschlossen, gleichzeitig aber die ELA-Notfallkredite erhöht. Dies ist ein klares Signal, dass sie Griechenland über Wasser halten will. Risikofaktor 3/10
- IWF: Der Währungsfonds fordert eine Abkehr vom Austeritätskurs, aber auch eine striktere Einhaltung der Reformpläne. Viele IWF-Mitglieder würden lieber heute als morgen aussteigen – Risiko daher 6/10
- EU-Kommission: Die Brüsseler Behörde hat sich um einen Kompromiss im sinne Athens stark gemacht, ist dabei aber am Berliner Widerstand gescheitert. Das hat sie geschwächt; andererseits kann und darf sie keinen Grexit wagen. – Risiko 1/10
- Andere Faktoren: Die Kapitalflucht, der Banken-Run und eine plötzliche Markt-Panik gehören zu den schwer wägbaren Faktoren, die einen Grexit beschleunigen können. Auch geopolitische Erwägungen lassen sich kaum abschätzen – sie sprechen jedoch eher für einen Verbleib Griechenlands im Euro. – Risiko-Faktor: derzeit offen
Fazit: Auf 24/50, also knapp unter 50 %, würde ich die Wahrscheinlichkeit eines Grexit aktuell schätzen. Allerdings sind viele Unbekannte in dieser Rechnung enthalten. Vielleicht helfen mir meine Leser dabei, sie abzuschätzen – Fortsetzung folgt
Claus
3. März 2015 @ 11:03
Bei den „anderen Faktoren“ dürften Psychologie und Realitätsferne des heutigen „homo politicus“ die tragende Rolle spielen. Er steht nicht zu gemachten Fehlern, muss er auch nicht, weil er keine macht. Das ist schon bei Wahlen äußerst belustigend – immer hat jeder irgendwie gewonnen! Kommt ein Grexit, werden für Deutschland Bürgschaften im oberen 2-stelligen Milliardenbereich fällig wie auch eine Erklärung der Politik an die Steuerbürger (und Wähler!) zur europapolitischen Träumerei der vergangenen 20 Jahre. Und da es weder in Berlin noch in Brüssel Politiker zu geben scheint, die entsprechende Größe hätten, sich dieser Situation zu stellen, halte ich einen Grexit schon allein aus diesem Grunde für unwahrscheinlich.
Erinnern wir uns an den Spruch von Bertold Brecht: „Wer A sagt, der muß nicht B sagen. Er kann auch erkennen, daß A falsch war“.
Das werden wir wohl nicht haben, daher liegt meine Grexit-Prognose bei höchstens 25% Wahrscheinlichkeit. Dann doch eher: „Augen zu und weiter geht’s mit der Insolvenzverschleppung!“
ebo
3. März 2015 @ 11:23
Die entscheidende Frage ist, wie stark man die verschiedenen Akteure und Faktoren gewichtet…