Wie Schäuble trickst
Griechenland, IWF-Beteiligung und Euro-Reform: Finanzminister Schäuble hat zu allem etwas zu sagen. Doch er sagt immer nur das, was ihm nützt – und nicht das, was er macht. Bei einem Treffen in Valetta lieferte er neue Beweise seines Könnens.
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Pünktlich zur Eurogruppen-Sitzung legte Schäuble seinen üblichen Pessismus in Sachen Griechenland ab. Das Land habe sich besser entwickelt als vom IWF erwartet, behauptete er überraschend. Das ließ aufhorchen.
Will er etwa den Sparkurs lockern? Weit gefehlt! Noch mehr „Reformen“ und noch mehr Budgetdisziplin müssen her, auch nach dem Ende des laufenden „Programms“. Den dazu passenden Plan durfte Eurogruppenchef Dijsselbloem verkünden.
Doch wo war dieser Plan ausgeheckt worden? Dazu sagte Schäuble nichts. Wohl aus gutem Grund. Wie die „Süddeutsche“ berichtet, wurden die Details der angeblichen „Einigung“ nämlich im BMF in Berlin ausgekungelt, am Vorabend von Valetta.
[sociallocker] Dazu musste Dijsselbloem eigens eingeflogen werden – zu einem vertraulichen Treffen, von dem niemand in Brüssel wußte. Das war der erste Trick – Mauschelei im kleinsten Kreis, Engführung der gesamten Eurogruppe. Dazu die SZ:
Das Treffen zwischen Dijsselbloem und Schäuble (…) zeigt symptomatisch, wo derzeit die eigentliche Verhandlungsmacht in der Euro-Gruppe liegt – in Berlin. In der deutschen Hauptstadt laufen Fäden zusammen, hier werden Leitlinien vorgegeben und letzte Absprachen getroffen.
So weit, so bekannt, Wer diesen Blog regelmäßig liest, der dürfte sich über die deutsche Dominanz nicht mehr wundern. Doch es kommt noch doller. Der CDU-Mann spielt auch mit dem IWF – das ist der zweite Trick.
Zum x-ten Male behauptete er, der Fonds werde sich bald am Griechenland-Bailout beteiligen. Dabei fordert der IWF Erleichterungen bei den Schulden – und niemand anderes als Schäuble lehnt die ab.
Schäuble gegen Großreform? Von wegen!
Der dritte Trick folgte bei der abschließenden Pressekonferenz in Valetta. Schäuble behauptete, eine große Euro-Reform – mit eigenem Finanzminister und eigenem Budget – sei weder möglich noch nötig.
„Schäuble gegen Großreform der Währungsunion“, meldete dpa danach. Offenbar haben die Kollegen nicht nachgefragt. Denn Schäuble plant sehr wohl eine „Großreform“. Und was für eine!
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Er will den IWF durch einen eigenen Europäischen Währungsfonds ersetzen – und die Euroländer der Kontrolle einer „unabhängigen“ Behörde unterwerfen. Selbst Frankreich soll unter Kuratel.
Brüssel soll in die Defensive geraten
Das wäre eine Revolution und würde wohl auch zu einem Aufstand führen. Schon jetzt sorgt der Machtkampf um den Euro in Brüssel für Ärger. Die EU-Kommission will von Schäubles Plänen nichts wissen.
Doch der Hardliner dreht den Spieß einfach um – und wehrt sich gegen Reformpläne der Kommission, die noch nicht einmal vorgelegt worden sind! Ein uralter Trick – so soll Brüssel in die Defensive geraten.
Und das naive Publikum soll denken, dass es mit Griechenland, dem IWF und der Eurozone schon voran gehe, und weder Krisen noch Umbrüche bevorstehen. Schäuble steht für Stabilität, so die Botschaft. Welch ein Irrtum…
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bluecrystal7
11. April 2017 @ 23:56
Oha! Mich überrascht ehrlich gesagt gar nichts mehr…
Mister Schäuble ist in Wirklichkeit der Strippenzieher der gesamten Eurogruppe und gibt die Leitlinien vor – Dijsselbloem rennt hinterher… Wie ein Pudel eben.
Peter Nemschak
11. April 2017 @ 10:58
@hintermbusch Was Sie sagen hat nichts mit demokratischem Defizit zu tun. Warum soll den Bürgern im Norden das materielle Wohlergehen des Südens ein besonderes Anliegen sein? Das riecht ein wenig nach Sozialutopie. Die EU kann bestenfalls subsidiär wirken und ist nicht die Obernanny der Mitgliedsstaaten, die alle menschen versorgt. In erster Linie müssen die Nationalstaaten eine effektive Wirtschaftspolitik betreiben. Griechenland könnte, um ein Beispiel zu nennen, die Rahmenbedingungen schaffen, dass internationale Investoren mit Co-Finanzierung der Europäischen Investitionsbank das Land von Energieimporten unabhängig machen. Dem steht die linke Ideologie von Syriza und ihrer Klientel, die davon profitiert, entgegen. Das Wort „Demokratie“ wird allzu oft von linken Parteien als Synonym für Umverteilung gebraucht.
Peter Nemschak
10. April 2017 @ 09:38
Schäuble ist bloß konsequent. Er und Tsipras wissen, dass Reformen notwendig sind. Es geht nicht um mehr oder weniger sparen, sondern um strukturelle Wirtschaftsreformen, um Griechenland für private Investoren attraktiv zu machen. Das bedeutet, dass bisher privilegierte Klientele Einfluss und Jobs verlieren und mehr Meritokratie ins System kommt. Tsipras möchte, aus seiner Sicht logisch, diese Reformen von Schuldnachlässen abhängig machen. Allen ist klar, dass Schuldnachlässe allein nichts bewirken, umgekehrt ohne Schuldnachlässe ein investorenfreundliches Programm wirkungslos bleiben muss.
ebo
10. April 2017 @ 09:41
Sie enttäuschen mich, Herr Nemschak. Sie müssten doch genau wissen, dass diese endlosen To-Do-Listen und Auflagen, die nun schon wieder bis ins Jahr 2020 reichen, Gift für Investoren und für die Konjunktur sind. Schäuble schafft ständig neue Unsicherheit, statt endlich Ruhe zu geben. Zudem sagt er die Unwahrheit, wie hier gezeigt.
Peter Nemschak
10. April 2017 @ 10:30
Investorenfreundliche Reformen kann die griechische Regierung auch ohne Schäuble durchführen. Die Eurogruppe ist sinnvollerweise nicht bereit, die Fortsetzung des bisherigen griechischen Wirtschaftssystems zu unterstützen. Ich wäre es auch nicht, wenn es um mein Geld geht, dann lieber Austritt aus dem Eurosystem und die bisherigen Forderungen abschreiben.
TomW
12. April 2017 @ 10:14
„Investorenfreundliche Reformen kann die griechische Regierung auch ohne Schäuble durchführen.“
Das ist absoluter Quatsch. Ein Staatshaushalt kann per Saldo entweder investiv oder austeritär sein, aber nicht beides gleichzeitig. Das ist wie bei einem Konto: das kann auch nicht gleichzeitig im Plus und im Minus sein.
Griechenland wird jedoch von der Troika seit vielen Jahren zu einem austeritären Haushalt gezwungen um einen primären Haushaltsüberschuss zu erwirtschaften. Selbst wenn das der griechischen Regierung gelingt, erkauft sie ihn sich zu einem sehr hohen Preis, der sich in einem stark gesunkenen BIP ausdrückt. 2008 lag es noch bei 355 Mrd. Euro, 2015 waren es nur noch bei 195 Mrd. Euro. Das ist ein Verlust von 160 Mrd. Euro. Jedes Jahr. Das ist mehr, als der komplette Staatshaushalt an Volumen hat. Auch in Relation zu den Staatsschulden ist das völlig absurd. Griechenland verliert in 2 Jahren mehr Wirtschaftsleistung, als es überhaupt Staatsschulden hat.
Die Zahlen belegen knallhart, wie ökonomisch durchgeknallt die Politik ist, die in Europa in Bezug auf Griechenland gefahren wird. Ökonomisch ergibt sie überhaupt keinen Sinn.
hintermbusch
10. April 2017 @ 11:34
Bitte aufhören mit diesem Unfug von den investorenfreundlichen Reformen!
Hier ein Blick auf den Außenhandel der EU:
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/15640/umfrage/handelsbilanz-der-eu/
Der war bis 2011 für den ganzen Währungsraum ziemlich gut im Gleichgewicht. Seit dem Beginn der „Reformen“ auch in Südeuropa rutscht auch die Eurozone als Ganzes in die Überschüsse. Wozu soll das gut sein?
Die Eurozone muss ihre inneren Ungleichgewichte abbauen, nicht welche nach außen aufbauen, um ihre Probleme so ins Ausland zu exportieren, wie es Deutschland bereits innerhalb der Eurozone getan hat. Ein Wirtschaftsraum, der so groß ist wie die Eurozone, sollte einen ausgeglichenen Handel anstreben. Man nannte das einmal „Außenwirtschaftliches Gleichgewicht“, und das war eine Säule einer vernünftigen Wirtschaftspolitik. Nach Jahrzehnten des angebotsorientierten Vodoo-Zaubers stecken wir jetzt in einem Sumpf ohne guten Ausweg.
Schäuble ist einer der Chef-Zauberer, die den Kochtopf mit dem süßen Brei eingeschaltet haben. Jetzt fluten sie damit die Welt und wissen nicht mehr ein noch aus.
Peter Nemschak
10. April 2017 @ 12:52
Was soll Deutschland dabei konkret tun? Die Spargewohnheiten der Deutschen werden Sie schwer ändern können. Was spricht gegen Austrittsmöglichkeiten aus dem Euro? Wenn ein austrittswilliges Land die Möglichkeit dazu hat, werden es sich Länder wie Deutschland überlegen, ob sie vom Austritt dieses Landes per Saldo Vor-oder Nachteile erleiden und sich entsprechend verhalten. Der Euro ist nur so lange nützlich, als er allen seinen Mitgliedern Vorteile bringt. Allgemeine Appelle an Solidarität, was immer darunter verstanden wird, führen nicht weit, so ferne Solidarität keinen Nutzen für jeden Betroffenen bringt. Derzeit scheint die Mehrheit der deutschen Bürger von der Wirtschaftspolitik der deutschen Regierung per Saldo zu profitieren.
ebo
10. April 2017 @ 14:27
Lesen Sie doch bitte nochmal den Post zur Armut in Deutschland – dann wissen Sie, wer von Schäubles Politik profitiert…
hintermbusch
10. April 2017 @ 14:13
@ Peter Nemschak
„Derzeit scheint die Mehrheit der deutschen Bürger von der Wirtschaftspolitik der deutschen Regierung per Saldo zu profitieren.“
Zumindest lässt sich dieser Eindruck (noch) aufrecht erhalten, ja.
Sie machen hier auf ein demokratisches Defizit aufmerksam: die Bürger anderer Länder in der Eurozone sind stark von Entscheidungen der deutschen Politik abhängig, können aber den Bundestag nicht mitwählen, um ihren Interessen dort Gehör zu verschaffen. Ihre eigenen Parlamente haben aber keinen vernünftigen Einfluss mehr, so dass es egal ist, was die Bürger dort wählen.
Unter dem Strich muss man sagen, dass ein „abgehängter“ US-Amerikaner mehr demokratische Mitbestimmung geniesst als ein „abgehängter“ Grieche im deutschen Europa. Das ist der traurige Stand der Dinge. Er ist untragbar, erinnert stark an koloniale Verhältnisse.
bluecrystal7
11. April 2017 @ 23:50
Also es kommt immer ganz drauf an, was denn eigentlich konkret mit „Reformen“ gemeint ist.
Das Gesundheitssystem gnadenlos kaputtsparen, ist jedenfalls KEINE Reform…
Baer
10. April 2017 @ 09:18
Wann wird dieser Mann endlich in die Wüste gerollt????
Rückabwicklung der EU und multilaterale Handelsbeziehungen,ansonsten Crash !!!
TomW
12. April 2017 @ 09:55
Nicht in absehbarer Zeit. Ab September werden wir eine weitere Große Koalition mit eigener Zweidrittel-Mehrheit bekommen. Das ist seit sehr vielen Umfragen die einzige, realistisch erwartbare Koalition.