Wie Athen weich gekocht wurde
Ist die Euro-Union noch zu retten? Griechenlands Premier Tsipras hofft es: All jene, die auf eine Krise und “Terror-Szenarien” wetteten, würden sich täuschen. Das waren allerdings ziemlich viele – Athen wurde seit einem Jahr systematisch weich gekocht.
Dass die neue Eurokrise um Griechenland kein Zufall, sondern geschickt inszeniert ist, habe ich in diesem Blog schon mehrfach beschrieben. Ultimaten und “letzte Chancen” wurden politisch gesetzt, um Druck auszuüben.
Auch die jüngste Eskalation macht da keine Ausnahme. EZB-Rat, Eurogruppe und Euro-Gipfel wurden offenbar so gelegt, dass sie alle gemeinsam die Schlinge um Tsipras ziehen können.
Die EZB muss einfach nur ankündigen, dass sie am Dienstag erneut über ELA-Notfallkredite befinden und diese im Zweifel kappen wird. Dann kann der Gipfel am Abend Tsipras die Bedingungen diktieren.
Dieser Tag reiht sich damit in eine lange Kette von scheinbar technischen, in Wahrheit aber hochpolitischen Entscheidungen ein, mit denen Griechenland weich gekocht werden sollte – und zwar schon vor Tsipras.
Hier die wichtigsten Druck- und Wendepunkte in Stichworten (Fortsetzung für members only)
GS
22. Juni 2015 @ 12:16
Also wenn es stimmt, was man liest, dann ist Tsipras mit seinem Angebot jetzt doch sehr weit gegangen. Wahrscheinlich wird in den Verhandlungen auch noch etwas draufgesattelt. Wenn dieser Deal wirklich kommt, dann haben die Gläubiger diese Runde gewonnen. Oder kommt etwa doch der Schuldenschnitt? Davon lese ich allerdings bisher nichts.
Die nächste Frage ist dann, ob Tsipras einen solchen Deal parteiintern durchsetzen kann. Denn die Wahlversprechen sahen doch deutlich anders aus. Das kann hier auch schon der Anfang vom Ende Tsipras’ sein.
Nemschak
22. Juni 2015 @ 13:14
Wie wir wissen, sind Wahlversprechen dazu da gebrochen zu werden.
Nemschak
22. Juni 2015 @ 12:04
@ebo Wenn die Gläubiger nicht weiter finanzieren wollen, gibt es als Folge einen Staatsbankrott Griechenlands und einen Zusammenbruch des griechischen Bankensystems. nicht notwendigerweise aber einen formellen Austritt Griechenlands aus dem Euro. Ob die Einführung einer in diesem Fall notwendigen Parallelwährung rechtlich zulässig ist, müssen die Juristen beurteilen. Faktisch sehe ich keine andere Möglichkeit.
ebo
22. Juni 2015 @ 12:17
Griechenland kann auch im Euro zahlungsunfähig werden. Entscheidend ist der 20. Juli – dann steht eine Rückzahlung an die EZB an. Es bleibt also noch Zeit…
luciérnaga rebelde
22. Juni 2015 @ 11:16
Dann wäre es also bei diesem ganzen Affentheater darum gegangen, dass GR noch mehr Schulden macht um dem IWF laufende Zinsen zu zahlen! Dass dabei die Menschen in GR kaputt gehen, interessiert niemand. Im Gegenteil: dann ist halt das Land bankrott und wird verramscht. Die Märkte können sich dann die besten Smartbrocken zu guten Preisen rausfischen…
Andres Müller
22. Juni 2015 @ 10:02
Diese Salamitaktik über immer wieder ablaufende Ultimaten scheint doch aufzugehen, die Griechen entfernen immer mehr Leistungen aus ihren Sozialsystemen, so auch dieses mal. Ich denke GR ist zu einer Art Austerität-Labor der transatlantischen Plutokratie geworden, um zu sehen wie weit “die Märkte” in der Lage sind eine Gesellschaft (angeblich zugunsten der Märkte) zu ent-sozialisieren, bis hin zur Inkaufnahme von multiplen Todesopfern, die aus den Sparprogrammen auch im Medizinbereich inzwischen entstanden sind. Es gibt kaum Aufschrei im Norden über das erzwungene Elend vieler Griechen, daher dürften die Schrauben weiter angezogen werden -auch anderswo in Europa. Im Schatten der Griechenland-Krise fällt fast nicht mehr auf das die Entmündigung der Bürger über ihr Privatvermögen (z.B Bargeldverbot ) und der Abbau der sozialen Sicherheit (z.B. Begrenzung von Immobilienkäufen zur Altersvorsorge) auch an anderen Fronten bereits in vollem Gange ist.
S.B.
22. Juni 2015 @ 12:47
@ebo: Bitte nicht so formaljurisitsch sehen. Fakten schaffen, heißt das Zauberwort, wenn es um die Durchsetzung der eigenen Interessen geht. Die EU selbst ist hierfür das beste Beispiel mit ihren permanenten Vertragsbrüchen (Lissabon und Maastricht). Selbstverständlich kann ein Mitgliedsstaat einfach aus der EU austreten, indem er es tut. Welche Konsequenzen will die EU denn daraus ziehen?
S.B.
22. Juni 2015 @ 09:52
“Ist die Euro-Union noch zu retten?” – Ich hoffe es ausdrücklich nicht!
Zum Weichkochen von GR: Das Land hätte schon längst aus EU und Euro austreten können. Dann wäre es jetzt schon ein ganzes Stück weiter, da es sich in Selbständigkeit wieder auf sich selbst konzentrieren hätte können. So ist GR seit 5 Jahren im gefühlt ewigen “Rettungstheater” gefangen, dreht sich im Kreise und ist mittlerweile so hoch verschuldet, wie nie zuvor. Verschenkte Zeit! Was haben die Griechen damit gekonnt und wem nützt das?
ebo
22. Juni 2015 @ 10:28
@S.B. Tja, wenn es so einfach wäre! Laut EU-Vertrag MUSS Griechenland den Euro behalten, es gibt kein Recht zum Austritt, es gibt dafür nicht einmal eine Klausel. Deshalb ist das Gerede vom Grexit als beste Lösung auch Quatsch, die Euroretter wissen selbst nicht, wie es gehen soll!
Nemschak
22. Juni 2015 @ 10:57
Es gibt aber auch keinen Finanzierungszwang für die Gläubiger von Griechenland. Damit geht die rechtliche Argumentation ins Leere. letztlich muss jedes Mitgliedsland der EU, insbesondere wenn es Mitglied der Eurozone ist, in hohem Maß auf nationale Souveränität verzichten und sich den Regeln der Union beugen. De jure gilt es für alle Länder, de facto vor allem für die kleinen Länder. Diese müssen sich zu Interessensgemeinschaften zusammenfinden, wollen sie ihren politischen Ansprüchen Nachdruck verleihen.
ebo
22. Juni 2015 @ 11:01
Das stimmt. Aber es gibt einen Zwang zur Mitgliedschaft im Euro, denn GR hat kein Op-Out. Und es gibt keine Möglichkeit zum Euro-Austritt. Da liegt die juristische Falle, auch für die Gläubiger. Das wird in den meisten Medien leichtfertig übergangen. Wenn es heute Abend keine Einigung gibt, kommen die “Euroretter” erst so richtig in die Bredouille 🙂