Wer knackt die Billion?

Beim Sondergipfel zum EU-Budget überbieten sich die Chefs mit Kürzungs-Forderungen. Besonders geizig gibt sich der britische Premier Cameron. Doch auch Kanzlerin Merkel will weniger Geld für „mehr Europa“. Dabei setzt sie den Rotstift an der falschen Stelle an: Berlin möchte vor allem bei den Armen und Schwachen sparen. Auch Zukunftsinvestitionen bleiben auf der Strecke – vom “Wachstumspakt” für die Krisenländer ganz zu schweigen.

Deutschland und die anderen Nettozahler blockieren den Vorschlag der EU-Kommission, das Sieben-Jahres-Budget für die Jahre 2014 bis 2020 auf 1,09 Billionen Euro zu erhöhen. Merkel fordert zwar „mehr Europa“, doch sie will weniger Geld geben: Sie verlangt Kürzungen von mindestens 100 Millionen Euro, um unter der symbolischen Schwelle von einer Billion zu landen (siehe auch “Weniger Geld für mehr Europa”).

Dem britischen Premier Cameron ist das immer noch zu viel. Er will das Budget auf dem Stand von 2011 einfrieren und die EU auf Diät setzen. Außerdem möchte er den milliardenschweren Briten-Rabatt sichern, den die eiserne Lady Thatcher einst unter Androhung von Prügel mit ihrer Handtasche durchgedrückt hatte. Andernfalls werde er ein Veto einlegen, warnte Cameron – und zog sich so den Unmut aller anderen Chefs zu.

Zur Not, so heißt es in Brüssel, werde man ein Budget ohne die Briten beschließen. Es könnte “Camerons schwierigster Gipfel” werden, mutmasst die “Sueddeutsche”.

Doch auch Schweden, Franzosen, Spanier und Letten drohen mit einem Veto, wenn ihre Forderungen nicht erfüllt werden. Den einen geht es um die Subventionen für die Bauern, den anderen um höhere Zuschüsse aus den EU-Strukturfonds. Die „Freunde der Kohäsion“ haben sich, angeführt von Polen, sogar auf die Seite der EU-Kommission geschlagen. Wenn das Budget gekürzt werde, so ihre Sorge, werde Osteuropa niemals Anschluß an den reichen Westen finden.

Fakt ist, dass die auch von Merkel verlangten Kürzungen fast durchgehend zu Lasten der Ärmsten und Schwächsten gehen. Der Globalisierungsfonds, der den Verlierern des globalen Wettbewerbs helfen soll, wird nach einem Entwurf des Ratspräsidenten ebenso zusammengestrichen wie die Entwicklungshilfe. Auch bei Forschung, Energie und Transport will Van Rompuy sparen – also ausgerechnet in jenen Bereichen, die sonst immer gern als Investitionen in die Zukunft bezeichnet werden.

Nicht viel besser sieht es um „Wachstum und Beschäftigung“ aus. Zwar hatten die EU-Chefs bei ihrem Juni-Gipfel ein Wachstumsprogramm speziell für die Krisenländer beschlossen. Doch das dafür nötige Geld wollen sie nicht bereitstellen. Selbst so bewährte und beliebte Projekte wie das Studentenaustauschprogramm Erasmus sind bedroht.

Denn bisher konnten sich die 27 nicht einmal auf einen Nachtragshaushalt für das laufende Jahr und das Budget für das kommenden Jahr einigen…

Siehe zu diesem Thema auch meine Analyse “Rien ne va plus”