Wer bekommt den Schwarzen Peter?

Mr. Lipsky warnt Europa vor dem Meltdown

Während sich der griechische Premier Papandreou in Athen einer riskanten Vertrauensabstimmung stellt, hat in Brüssel und Washington das „Blame Game“ begonnen: Wer ist schuld, wenn Griechenland Pleite geht? Der IWF in Washington schiebt den Schwarzen Peter nach Europa; die EU in Brüssel gibt ihn an Athen weiter. Am Ende will es keiner gewesen sein; die Warnungen und Ultimaten zeugen von extremer Nervosität. 

Jeder versucht, die Verantwortung für das immer wahrscheinlichere Scheitern auf den anderen abzuwälzen. Papandreou will erreichen, dass seine unpopuläre Sparpolitik auch von der griechischen Opposition mitgetragen wird; stürzt seine Regierung, sollen die Konservativen den Schwarzen Peter bekommen. Allerdings dient die Vertrauensfrage auch dazu, seine eigene sozialistische Partei zu disziplinieren; Papandreou will Abtrünnige in den eigenen Reihen unter Druck setzen. 

Das selbe gefährliche Spiel spielen die EU-Finanzminister, die die Auszahlung der nächsten Tranche von Finanzhilfen von einer neuen Spar- und Privatisierungsorgie in Griechenland abhängig machen. Auf den ersten Blick ist dies ein geschicktes Manöver, um das hochverschuldete Land auf „Kurs“ zu halten. Doch dieser Kurs ist, wie die letzten Monate gezeigt haben, falsch. Ihn nun auch noch mit einem Junktim zu versehen, ist nichts anderes als eine Verzweiflungstat.

Noch irrwitziger ist die Taktik des dritten Spielers im „Blame Game“, also des IWF. Der Fonds hat mit seiner Weigerung, die nun fällige Tranche der Griechenland-Hilfe freizugeben, die aktuelle Krise erst ausgelöst. Mit seiner Forderung, die EU müsse ein neues Hilfsprogramm vorlegen, hat er die Europäer in die Enge getrieben. Doch das hindert die Herren in Washington nicht daran, nun ein völlig anderes Lied anzustimmen – und Reformen in der Eurozone selbst zu fordern.

Die Euroländer sollten die „unproduktive Debatte“ über die Umschuldung Griechenlands beenden und sich enger zusammenschließen, fordert der geschäftsführende IWF-Chef Lipsky. Entweder schaffe man eine politische Union und eine Fiskalunion, oder man müsse die „wirtschaftliche Gouvernance“ der Eurozone verstärken und weit mehr als bisher in die nationale Wirtschaftspolitik eingreifen. Ohne „schnelles, entschiedenes Handeln“ drohe eine Kettenreaktion und am Ende sogar eine globale Krise, heißt es in Washington.

Da hat der IWF ausnahmsweise einmal recht. In gewisser Weise schlägt er sich in das Lager der Föderalisten, die schon lange eine politische Union fordern (siehe mein Eintrag “Vive la crise!?”). Das Problem ist nur, dass er erst jetzt mit diesen Forderungen kommen, da es schon fast zu spät ist.

Die Eurozone hätte sich schon vor einem Jahr enger zusammen schließen müssen, als die Krise in Griechenland begann. Auch die Politische Union ist längst überfällig. Diese Forderungen auf dem Höhepunkt der Krise zu stellen und sie im Stil eines Ultimatums vorzutragen, heißt jedoch nichts anderes, als den Schwarzen Peter nach Brüssel weiterzugeben. 

Glaubt man in Washington etwa schon, dass Griechenland verloren ist?

 

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