Wenn das Recht die Realität ignoriert

Wenn Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht. Und wenn das Recht unsinnig wird? Dann macht man einfach weiter, als wenn nichts geschehen wäre. Das höchste EU-Gericht zeigt, wie es geht.

Man nehme: Die Dublin-Verordnung, die die Zuständigkeit für Asylbewerber in der EU regelt. Mehrere hunderttausend Flüchtlinge, die in kleines EU-Land (Kroatien) drängen.

Und den Europäischen Gerichtshof (EuGH), der nun darüber befinden musste, ob die Flüchtlinge weiterreisen durften oder – wenigstens im Prinzip – zurückgeschoben werden mussten.

So sieht es nämlich die Dublin-III-Verordnung vor. Alle hätten in Kroatien bleiben müssen, dem Ersteinreise-Land in der EU. Dort und nur dort müssen die Asylanträge gestellt werden.

Doch im Herbst 2015, zur Zeit der großen Flüchtlingskrise, glaubte nicht einmal mehr Kanzlerin Merkel an Dublin. Sie setzte sich über das Recht hinweg und machte die Grenze auf.

Merkel bekommt Recht, Kroatien nicht

Dennoch haben die Richter nun festgestellt, dass Dublin weiter gilt – auch in Ausnahmesituationen wie 2015. Doch nicht etwa Merkel sei im Unrecht gewesen (obwohl sie  Dublin ignorierte), sondern Kroatien.

Denn Merkel kann sich auf die so genannte „Eintrittsklausel“ berufen – also das Recht, Asylanträge aus humanitären Gründen anzunehmen, obwohl Deutschland eigentlich gar nicht zuständig war

Für Kroatien hingegen gab es keine Entschuldigung – obwohl das sogar die Generalanwältin des höchsten Gerichts das so gesehen hatte.

Illegal sind nur die Flüchtlinge

Anders gesagt: Für kleine Länder wie Kroatien gilt das Recht in aller Härte, für große wie Deutschland hingegen gibt es „humanitäre“ Ausnahmen.

Und illegal sind natürlich nur die Flüchtlinge – und nicht die willkürlichen Entscheidungen der Regierungen, die sie – ohne Abstimmung mit der EU – hin- und herschieben.

Das zeigt, was passiert, wenn Recht zu Unsinn wird, weil es der Realität nicht mehr angepasst ist – und weil die Politik sich weigert, das Recht (Dublin) entsprechend neu zu fassen…

Siehe auch meine ausführliche Analyse bei Cicero Online („Mehr Fragen als Antworten“) sowie „Dublin forever“