Welcome to Black Monday
Tja, da hat Kanzlerin Merkel wohl voll daneben gelegen. Mit ihrer Ansage, sie habe es nicht eilig mit dem Brexit, hat sie die Märkte auf Talfahrt geschickt – denn nun fürchten die Anleger eine Hängepartie.
Fast überall ging es am Montag steil abwärts. Das Pfund stürzte auf neue historische Tiefststände, die Börse in Dublin schmierte um satte sieben Prozent ab, die Deutsche Bank meldet ein Allzeit-Tief.
Welcome to Black Monday! Die Lage ist so ernst, dass sogar IWF-Chefin Lagarde und US-Finanzminister Lew kalte Füsse bekommen. Lew sprach von einer „Unordnung in der Marktreaktion“.
Und was macht Merkel? Sie rudert zurück. „Wir dürfen uns eine dauerhafte Hängepartie nicht leisten, weil das, glaube ich, für die Wirtschaft beider Teile – der EU-27 und Großbritannien – nicht gut wäre.“
Das hat sie ein bißchen spät erkannt. Vielleicht hätte sie besser auf Brüssel gehört – die EU hatte nämlich schon am Freitag auf eine rasche Klärung in London gedrängt.
Der EU-Gipfel am Dienstag und Mittwoch könnte hektisch werden. Denn wenn sich Merkel und ihre Follower wie geplant nur auf windelweiche Formulierungen einigen, droht ein Crash…
Peter Nemschak
27. Juni 2016 @ 22:17
@ebo Ihr Vergleich gefällt mir. Dass die Flucht nach vorne, Vertiefung der EU – jetzt erst recht -, wie von Junckers gefordert, zu riskant ist angesichts der zentrifugalen Kräfte ist, dürfte Merkel erkannt haben. Großbritannien wird eher früher als später im Eigeninteresse den Austritt verkünden. Was die EU nicht schafft, werden die Märkte erzwingen. Sobald ein Nachfolger für Cameron etabliert ist, wird man wissen, wohin die Reise, d.h. das Verhältnis Großbritanniens zur EU, geht.
Peter Nemschak
27. Juni 2016 @ 17:25
Net schon wieder die Kanzlerin, auch wenn Sie ihre Politik nicht mögen. Sie muss sich sinnvollerweise nach den Entwicklungen der englischen Innenpolitik richten. Wer dort letztlich das Heft in die Hand bekommt, wird über die Art des BREXIT entscheiden: mehr nationalistisch oder mehr pragmatisch wirtschaftsfreundlich, was ich vermute sich durchsetzen wird. Mit wem soll die EU derzeit in Großbritannien verhandeln? Auch Großbritannien kann sich eine Verzögerung nicht lange im Interesse seiner Wirtschaft leisten. Je schneller es bergab geht, desto früher löst sich der Papp im Hirn der englischen Politiker, und der Union Jack wird wieder eingerollt. Was die sogenannten Finanzakrobaten betrifft, werden, davon gehe ich aus, gemanagte Fonds und Banken das BREXIT-Risiko nach unten zumindest teilweise abgesichert haben. Private Langfrist-Investoren müssen die Volatilität der Märkte aussitzen. Keine Großbank fährt vor Wahlen große Positionen. Das wird auch für die US-Wahlen gelten. Das heißt nicht, dass sich einige Hedge Fonds nicht positionieren werden. Instabilität kommt nicht vom Brexit oder von Trump, eher von der lange extrem niedrigen Zinspolitik der Notenbanken.
ebo
27. Juni 2016 @ 17:32
Sorry, aber Merkel stand seit Freitag auf der Bremse, wollte sich nicht für einen Brexit-Termin „verkämpfen“. Dabei hatten vier EU-Präsidenten in Brüssel ein möglichst schnelles Verfahren gefordert. Dies führte zu erheblicher Unsicherheit, wie man an den Marktreaktionen sehen kann. Heute Nachmittag kam dann Merkels Rückzieher: ewig wolle sie natürlich auch nicht warten. Too litte, too late… Übrigens: Hatten Sie nicht kommentiert, die Märkte würden sich bald wieder beruhigen? Schauen Sie sich mal die Bankaktien an, insbesondere die Deutsche!
Peter Nemschak
27. Juni 2016 @ 17:56
Recht hat sie, wie ich schon erklärte. So verhalten sich CEOs. Sie müssen über den divergierenden Kräften im eigenen Land und in der EU stehen und sehen, mit welchen Kräften und Strömungen in Zukunft zu rechnen ist, bevor sie entscheiden (egal ob richtig oder letztlich falsch) und agieren. Das macht den Unterschied zwischen einem Fachminister(in) und dem Chef(in) der Regierung. Faktisch ist der Bundeskanzler(in) Deutschlands auf Grund des Gewichts des Landes, unabhängig von der Person des Amtsträgers(in) innerhalb der EU CEO, auch wenn es die Funktion formal nicht gibt. Auch ein CEO, egal ob im Unternehmen oder im demokratischen Staatenverbund kann nicht totalitär regieren. Seine (ihre) Aufgabe ist es, die vorhanden politischen und wirtschaftliche Kräfte rational zu bewerten und mit dem Material zu arbeiten, das in der Situation zur Verfügung steht. Die Ausübung von Spitzenfunktionen hat mit Basisdemokratie nichts zu tun. Da steht man letztlich allein im Wind. Zurufe von außen muss man ignorieren. Die Reaktion der Finanzmärkte ist nur eine von vielen Kräften, die derzeit wirken. Aus Merkels Sicht sollen sich die Zentralbanken darum kümmern. Sie hat andere Prioritäten, die zu erraten, sich die Journalisten abmühen.
ebo
27. Juni 2016 @ 18:58
Wenn Merkel CEO ist, dann ist die Europa AG Volkswagen nach dem Dieselgate 😈
Ivano
28. Juni 2016 @ 09:13
@ebo: Schauen Sie sich bitte mal den Wochenchart der Deutschen Bank an. Dann sehen Sie, dass der BREXIT hier nur ein kleiner Teil in einer viel größeren Erzählung ist.
ebo
28. Juni 2016 @ 09:21
Schon klar. Ich habe hier schon im Frühjahr über das Deutsche-Drama geschrieben…
Andres Müller
27. Juni 2016 @ 16:09
Das sieht offenbar so aus. Und die mächtige BIZ (quasi die Notenbank der Notenbanken) hat dieses mal wenig Interesse den Wertpapier-Markt und generell die Banken zu stützen
…im Gegenteil.
Gemäss BIZ wurde zuviel gezockt und auf Katzengold gesetzt. Die Priorität liegt jetzt klar auf Unterstützung für Struktur-Investitionen/Reformen und der Realwirtschaft.
Gut möglich dass man den Märkten nun sogar noch mit brandbeschleunigendem Verhalten eines drauf gibt.
Man hat begriffen das kein Weg an der Realwirtschaft vorbei führt, dass sämtlichen Massnahmen der Notenbanken ins leere gelaufen sind bzw. nur etwa 1% der Menschen davon profitierten, welche den Gewinn jetzt aber nicht mehr in Umlauf geben wollen oder können.
Ohne Bürsencrash oder Strukturrefomen der Finanzmärkte gehts kaum mehr weiter, zumal selbst an den Aktienmärkten die Umsätze seit 2008 dramatisch zurückgegangen sind (trotz Einstieg der Notenbanken z.B. in den Aktienmarkt).
DIe Menschen müssen es langsam begreifen, die Zeit der Umverteilung nach Oben ist vorbei, nun läutet es zum Ausverkauf der Milliardäre. Der Erfolg von Trump könnte noch den letzten Kick zur Umkehr abgeben, denn nach dem Brexit droht ja noch der schwarze Schwan mit dem Namen Trump. Vielleicht macht man besser vorher die Laden der Finanz-Akrobaten dicht.