Die Krisen hinter der Krise

Beim Weltwirtschaftsforum in Davos überwog diesmal der Optimismus. Die Eurokrise sei unter Kontrolle, schon im 2. Halbjahr gehe es wieder aufwärts, hieß die frohe Botschaft. Doch gleichzeitig meldet Spanien die höchste Arbeitslosigkeit seit Ende der Franko-Diktatur. Und Großbritannien fällt zurück in die Rezession. Welche Krise ist eigentlich gelöst? Eine Zwischenbilanz.

Die globale Finanzkrise à la Lehman Brothers: Scheinbar ist sie vorbei. Doch sie hat Narben hinterlassen, vor allem In Europa. Außerdem scheint sie immer neue Metastasen zu bilden. Immer öfter wird jetzt von einem Währungskrieg gesprochen – denn die großen Mächte versuchen, ihre Währung gezielt zu entwerten, um Wachstum zu generieren. Nur Europa stellt sich taub

Die Bankenkrise: Sie hat uns seit Lehman nicht verlassen, mit Irland, Spanien und Zypern hat sie ganze Länder in den Abgrund gezogen. Jetzt macht sie auch in Deutschland wieder von sich reden – mit massivem Personalabbau bei der Commerzbank. Immerhin scheint es am Geldmarkt wieder besser zu gehen, wie die vorzeitigen Rückzahlungen an die EZB zeigen.

Die Staatsschuldenkrise: Wenn man sich nur die Budgetdefizite ansieht, zeichnet sich in Euroland tatsächlich eine Besserung ab. Doch wer auf die Schuldenquote schaut, kommt zu einem anderen Schluss: Der Schuldenberg wächst, selbst in Deutschland. Ohne einen Schuldenschnitt werden auch  „Musterschüler“ wie Irland kaum über die Runden kommen.

Die Eurokrise: Sie sei unter Kontrolle, hieß es in Davos. Doch dafür ist allein EZB-Chef Draghi verantwortlich – mit seiner Ankündigung, alles für den Bestand des Euro zu tun. Sie ließ die Spreads schrumpfen. Den großen Worten sind aber noch keine Taten gefolgt. Und die Krise könne jederzeit zurückkehren, sogar über scheinbare unwichtige Länder wie Zypern, warnte Draghi.

Die Wirtschaftskrise: Sie ist schlimmer denn je. Südeuropa steckt nicht nur in der Rezession, sondern wohl schon in einer handfesten Depression. Die gesamte Eurozone werde 2013 wohl kaum wachsen, fürchtet die Weltbank. Zwar sieht es in Deutschland besser aus; der Ifo-Index ist zum dritten Mal in Folge gestiegen. Doch eine Schwalbe macht noch keinen Sommer.

Die soziale Krise: Nichts ist gelöst, im Gegenteil: die soziale Spaltung wird in Europa immer schlimmer, wie der Sozialbericht der EU-Kommission Anfang Januar zeigte. Besonders verheerend ist die Lage in Spanien, das durch die verfehlte Sparpolitik innerhalb kürzester Zeit vom Bomm in den Bust fiel. Wegen der wachsenden sozialen Spannungen fürchten die Eliten bereits Unruhen

Die politische Krise: Auch hier zeichnet sich eine Zuspitzung ab. Die Rückkehr Berlusconis in Italien, die wackelnde Regierung in Griechenland, die Wahlen auf Zypern – gleich in drei Euroländern ist die Lage instabil. Gleichzeitig lähmen die Wahlen in Deutschland und der Politpoker in Großbritannien die Handlungsfähigkeit der EU.

Fazit: Nur wer sich auf die Finanzmärkte konzentriert, kann von Entspannung reden. Wer hingegen die Realwirtschaft sowie Politik und Gesellschaft betrachtet, muss zu der Einschätzung gelangen, dass die Krise schlimmer geworden ist. Streng genommen handelt es sich um viele Krisen – war das Euro-Debakel am Ende nur ein Vorspiel?

P.S. Mehr Infos zu den Hintergründen der Krise finden sich auf der neuen, empfehlenswerten Website „Die Krise verstehen“.