Weimarer Verhältnisse

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Er schon wieder

Der griechische Premier Samaras warnt vor dem offenbar nahenden “Grexit”. Ein Austritt Griechenlands aus dem Euro würde sein Land ins Chaos stürzen, sagte er ausgerechnet der “Bild”-Zeitung. Sein Land blute schon jetzt aus. “Am Ende wäre es wie in der Weimarer Republik”, fügte er fast drohend hinzu. Doch in Wahrheit herrschen längst Weimarer Verhältnisse – und zwar in ganz Europa.

Mittlerweile haben wir uns an Dinge gewöhnt, die noch vor kurzem undenkbar waren. Es erscheint normal, dass der gewählte griechische Premier wie ein Bittsteller nach Berlin reist, statt wie ein gleichberechtigter Partner nach Brüssel. Es fällt nicht mehr auf, dass er in der “Bild”-Zeitung um Hilfe fleht – also ausgerechnet in jenem Blatt, das die “Pleite-Griechen” seit Jahren systematisch fertigmacht. Und das Gerede vom “Grexit” ist ohnehin zu Routine geworden.

Was solls, es geht ja nur um die Griechen, werden viele sagen. Doch Griechenland ist kein Einzelfall. In den letzten Monaten mussten Italien, Spanien, Belgien und die Niederlande zu Kreuze kriechen, um die Spardiktate aus Berlin und Brüssel zu erfüllen. Wahlen haben schon längst nicht mehr die Aufgabe, Macht politisch zu legitimieren und den Souverän – das Volk – über den weiteren Weg entscheiden zu lassen. Sie dienen nur noch dazu, vorgefertigte Sparpläne abzunicken.

Weimar bzw. Versailles ist überall. Die Siegermächte heißen diesmal allerdings nicht England oder Frankreich, sondern Deutschland  – denn im Wirtschaftskrieg hatte es zufällig die Nase vorn, als die Eurokrise ausbrach. Man denke nur, was geschehen wäre, wenn die Probleme ein oder zwei Jahre früher begonnen hätten! Gleich nach dem Fall der Lehman Brothers stürzte die deutsche Wirtschaft um sechs Prozent ab, Berlin wäre vermutlich sofort mit in den Strudel gezogen worden.

Doch es ist anders gekommen. Unter deutscher Führung droht Europa nun ein “verlorenes Jahrzehnt”, wie die “New York Times” diese Woche titelte. Nicht nur Griechenland droht das Chaos, auch in Spanien, Italien und Portugal mehren sich die Zeichen wirtschaftlichen und sozialen Verfalls. Die Krisenländer seien “lost in stagnation”, schreiben die US-Reporter. Schon jetzt sei die Jugend Südeuropas eine verlorene Generation. 

Was kann man dagegen tun? Am besten wäre vermutlich, alle Sparpläne – nicht nur die Griechenlands – um zwei Jahre zu strecken, um die drohende Rezession bzw. Depression abzuwenden. Zudem sollten alle “Anpassungsprogramme” auf den wirtschaftlichen und demokratischen Prüfstand kommen. Nach jeder Wahl sollte es zur Regel werden, mit der neuen Regierung unvoreingenommen über die Konditionen und ihre Umsetzung zu verhandeln.

Doch das ist natürlich völlig undenkbar… 



 



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