“Ein großes Missverständnis”

Im Streit um die Konzessionsrichtlinie rudert Brüssel zurück. Eine Privatisierung des Wassers sei nie geplant gewesen, sagte Binnenmarkt-Kommissar Barnier im taz-Interview. Dennoch soll das Wasser in der Richtlinie bleiben. Auch die Initiative “Wasser ist ein Menschenrecht” macht weiter – sie peilt 2 Mio. Unterschriften an.

Hier ein Auszug aus dem Interview, das ich gemeinsam mit meiner taz-Kollegin R. Reichstein in Brüssel geführt habe:

Herr Barnier, seit Ihren Plänen zur Privatisierung der Wasserversorgung sind Sie in Deutschland der wohl umstrittenste EU-Kommissar …

Wir wollen das Wasser nicht privatisieren! Das ist ein großes Missverständnis. Nicht heute und nicht morgen. Wasser ist ein öffentliches Gut – auch für mich. Und das soll es bleiben. Die Kommunen in Europa können weiterhin selbst bestimmen, wie sie ihre Wasserversorgung regeln wollen.

Ich hätte kein Problem damit, die Petition zu unterschreiben

Aber die Aufregung über Ihre Konzessionsrichtlinie ist groß. Es haben schon über eine Million Bürger der EU dagegen unterschrieben.

Ich hätte kein Problem damit, diese Petition auch zu unterschreiben – bis auf einen Satz. Da steht, dass Wasser nicht den Regeln des europäischen Binnenmarkts unterworfen werden soll. Die Leute vergessen, dass zu diesen Regeln auch Vorschriften gehören, die die Wasserqualität in allen Staaten der EU sichern. Darauf will ich nicht verzichten – und Sie vermutlich auch nicht.

Dennoch: Die Kampagne hatte bereits Erfolg. Sie haben angekündigt, die Richtlinie noch einmal zu ändern. Wie genau soll das aussehen?

Die EU-Kommission hat die Weisheit nicht mit Löffeln gefressen. Ich habe nach der Debatte die Rolle der Stadtwerke besser verstanden. Das Problem sind die Stadtwerke, die einen privaten Anteilseigner haben oder die ihre Dienste auf anderen bereits liberalisierten Märkten wie Energie anbieten. Wir wollten, dass sie sich den neuen Regeln unterwerfen, sobald sie weniger als 80 Prozent ihres Umsatzes in der Heimatgemeinde machen. Dies galt für alle Sparten zusammen – also auch für Strom und Gas. Jetzt haben wir das auf das Wasser begrenzt.

Das bedeutet?

Wenn ein Stadtwerk mindestens 80 Prozent seines Umsatzes in der Wasserversorgung in seiner eigenen Kommune macht, dann kann die Kommune Aufträge direkt vergeben, ohne öffentlich und europaweit ausschreiben zu müssen. Damit sind die Rechte der Stadtwerke gestärkt. Sie müssen allerdings für das Wasser auch eine separate Buchhaltung machen.

Wir brauchen Regeln gegen Korruption

Warum nehmen Sie Wasser nicht ganz aus der Richtlinie?

In vielen EU-Ländern gibt es bisher keine Regeln für Konzessionen. Das öffnet Betrug und Korruption die Türen. In einigen Ländern sind dafür schon Politiker ins Gefängnis gegangen. Deshalb brauchen wir Klarheit und Transparenz – auch zum Schutz der Steuerzahler. Außerdem sind die Stadtwerke Europas bisher der Gefahr ausgesetzt, dass ihnen ein Gericht eine öffentliche Ausschreibung aufzwingt.

Man könnte glauben, Sie machen diese Richtlinie nur, um den französischen Wasserkonzernen wie Veolia oder Suez einen größeren Markt zu verschaffen …

Das ist Unsinn. Ich mache diese Richtlinie genauso für die deutschen Stadtwerke wie für die französischen oder andere europäische Unternehmen.

Das vollständige Interview steht hier. Die Petition gegen die Privatisierung ist hier. – Siehe zu diesem Thema auch meinen Beitrag “Wut auf Brüssel”