Was wird aus Merkels Türkei-Pakt?

Der umstrittene Flüchtlingspakt, den Kanzlerin Merkel mit der Türkei vereinbaren und als „europäische Lösung“ verkaufen will, steht auf wackligen Füssen. Wie geht es weiter?

Nach Bulgarien, Frankreich und Spanien hat nun auch Zypern massiven Widerstand angekündigt. EU-Ratspräsident Tusk sagte, vor dem EU-Gipfel am Donnerstag in Brüssel müssten noch große Hürden genommen werden.

Tusk war am Dienstag nach Nikosia geflogen, um den Gipfel vorzubereiten. „Ich bin nicht hier, um Druck auf Zypern auszuüben“, betonte der Pole.

Doch tatsächlich hat er genau das versucht, offenbar ohne Erfolg. Seine Regierung werde eine Einigung solange blockieren, bis die Türkei das EU-Mitglied Zypern offiziell anerkennt, sagte Präsident Nikos nach dem Treffen.

Zypern blockiert

Der Streit kreist dabei nicht einmal um die Flüchtlingspolitik – sondern um die beschleunigten EU-Beitrittsverhandlungen, die Merkel dem türkischen Ministerpräsidenten Davutoglu versprochen hatte.

Gleich fünf neue Verhandlungskapitel sollen geöffnet werden. Zypern muss dem zustimmen, fordert zuerst aber, dass die Türkei ihre „Verpflichtungen“ erfüllt.

Dazu zählt unter anderem, dass zypriotische Schiffe in türkischen Häfen einlaufen dürfen. Es geht aber auch um die Wiedervereinigung.

Derzeit laufen Gespräche zwischen dem EU-Mitglied Zypern und der von keinem EU-Staat anerkannten türkischen Republik Nordzypern. Ein Ende der jahrzehntelangen Teilung könnte Teil eines Deals mit der Türkei sein; bis dahin ist es aber noch ein langer Weg.

Vorbehalte gegen den Flüchtlingspakt haben auch Bulgarien, Frankreich und Spanien. Bulgarien fordert, dass auch Flüchtlinge, die die bulgarisch-türkische Landgrenze übertreten, in die Türkei zurückgenommen werden.

Frankreich hat sich gegen eine vollständige Liberalisierung der Visumpflicht für Türken ausgesprochen. Die Liberalisierung ist jedoch die Hauptforderung der türkischen Regierung; sie möchte möglichst schon im Mai völlige Reisefreiheit für ihre Bürger. Das französische „Non“ wiegt daher schwer – genau wie die Bedenken aus Spanien.

Spanien warnt

Jeder Flüchtling, der in der EU ankomme, müsse das Recht auf ein individuelles Asylverfahren haben, sagte der spanische Außenminister García-Margallo. Die Menschenrechte seien „nicht verhandelbar“.

Auch diesen Punkt, der vom Uno-Flüchtlingshilfswerk, Amnesty International und anderen Menschenrechts-Organisationen geteilt wird, will Tusk aufgreifen.

„Wir müssen sicherstellen, dass alle (Flüchtlinge) eine individuelle Prüfung in Griechenland bekommen, bevor sie in die Türkei zurückgeschickt werden“, sagte Tusk. In einem Entwurf für den EU-Gipfel steht von Flüchtlings-Rechten allerdings kein Wort.

Der „Türkei-Plan ist eine Bankrotterklärung der Menschenrechte“, kritisierte der grüne Europaabgeordnete Giegold auf Twitter.

Tusk und die EU-Kommission müssen also noch kleine Wunder vollbringen, wenn sie Merkels Türkei-Deal halbwegs legal und akzeptabel machen wollen. Viel Zeit bleibt ihnen dafür nicht mehr.

Denn schon am Donnerstag beginnt der EU-Gipfel, am Freitag will Davutoglu den Pakt in Brüssel unterzeichnen. In drei Tagen soll nun mit dem Brecheisen nachgeholt werden, was in Jahren nicht gelungen ist.

Es gibt einen Plan B, aber…

Und was passiert, wenn der Pakt scheitert? Darüber will man in Brüssel nicht einmal im Traum denken. Merkels Pakt wird auch hier als „alternativlos“ präsentiert.

Allerdings gibt es einen „Plan B“ – nämlich die Vorlage, die Tusk für den letzten EU-Gipfel ausgearbeitet hatte, und die Merkel und Davutoglu dann einkassiert haben.

Er sah vor, dass nur „Wirtschaftsflüchtlinge“ – und keine syrischen Bürgerkriegsopfer – zurück in die Türkei geschickt werden. Rechtlich wäre dies wohl weniger problematisch als der Merkel-Davutoglu-Plan.

Ob sich die Türkei darauf heute noch einlassen würde, steht auf einem anderen Blatt. Wahrscheinlich ist es nicht.