Was Cameron wirklich will (Merkel auch?)

Die wirklich wichtigen Entscheidungen werden immer erst ein paar Tage nach den EU-Gipfeln bekannt. So war es auch beim Budgetgipfel. Diesmal wurde nicht nur heimlich ein Freihandelsabkommen mit den USA auf den Weg gebracht, es wurden auch die Weichen für einen neuen Marktradikalismus gestellt – offenbar mit Billigung von Kanzlerin Merkel.

Folgt man deutschen und britischen Zeitungen, so wurde der Gipfel vom britischen Premier Cameron beherrscht – und zwar nicht etwa mit seiner bekannten „I want my money back“-Forderung, sondern mit einer viel weitergehender Haltung. Man rangele nicht um Zahen, sondern um Visionen zur Zukunft Europas, sagten Diplomaten nach Angaben der „Süddeutschen Zeitung“.

Cameron habe dabei unmissverständlich klar gemacht, „dass er vor allem auf Binnenmarkt und Freihandel setze, dass alles andere ohne ihn stattfinden müsse“, schreibt das Blatt. Kanzlerin Merkel sei bereit gewesen, ihm zu folgen. Dies bestätigt meinen Verdacht, den ich bereits mehrfach in diesem Blog geäußert habe: Merkel verfolgt in Wahrheit selbst eine „britische“ Agenda

Wenn dies zutrifft, dann war die Kürzung des EU-Budgets erst der Anfang. Danach – wahrscheinlich schon beim März-Gipfel – kommt der neue Wettbewerbs-Pakt, der eine Agenda-Politik für ganz Europa vorschreibt. Dazu gesellt sich auch noch die Freihandelszone mit den USA. Das dürfte allerdings noch etwas dauern, denn die Amerikaner tanzen nicht nach Merkels und Camerons Pfeife.

Sollte Merkel im Herbst wiedergewählt werden, böte sich schließlich noch eine weitere „Liberalisierung“ des Binnenmarkts an, wie Cameron sie fordert. Dienstleistungen und kommunale Daseinsvorsorge könnten dann auf dem Altar des Marktes und der „Wettbewerbsfähigkeit“ geopfert werden – und natürlich zugunsten der Briten, die Merkel offenbar um jeden Preis in der EU halten will.

Zum Glück gibt es gegen die sich abzeichnene totale Kommerzialisierung aber schon jetzt Widerstand, wie die überaus erfolgreiche Initative gegen die Privatisierung des Wassers zeigt. Diese steht zwar noch nicht auf der Tagesordnung. Ich würde es Merkel auch zutrauen, für die deutschen Wasserversorger wieder eine Extrawurst durchzusetzen (wie für die Sparkassen bei der Bankenaufsicht).

Doch es ist wichtig, den Marktgläubigen in London, Berlin und Brüssel zu zeigen, dass die totale Marktgesellschaft nicht durchkommt…

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